Mittwoch, 9. Januar 2013

"Mai tai roa ae!" - Mythos und Moderne I

Hallo Rumgemeinde,

wohl kaum ein anderer Drink ist so legendär, so geheimnisumwoben, so kontrovers, so oft verschandelt worden, aber auch so lecker wie der Mai Tai!

Sowohl für Zeitzeugen als auch für heutige Bartender und Hobbymixer ist dieser Tiki-Drink ein Rätsel. Die Menschen damals, 1944, als Victor Bergeron alias Trader Vic den Mai Tai in San Francisco erfunden und seinen Gästen fortan kredenzt hat, wussten wie der Mai Tai schmeckt, allerdings nicht was drin ist. Das blieb zunächst Vic's Geheimnis, sein Kapital, auch Don the Beachcomber, Begründer der Tiki-Ära, verschwieg seine Rezepte. Auf diese Weise blieben die Drinks bei ihrem Erfinder und konnten nicht, zusammen mit den Bartendern, abgeworben werden. Das Wissen um das genaue Rezept und dessen Zutaten besteht erst seit 1972, als „Trader Vic’s Bartender’s Guide" in einer Überarbeitung erschien:

Vic's Mai Tai
  • 6 cl Wray Nephew 17 years old
  • 1,5 cl Orange Curacao (er verwendete DeKuyper)
  • 0,75 cl Rock Candy Sirup
  • 0,75 cl French Orgeat
  • Saft einer Limette (2-3 cl)

Zu diesem Zeitpunkt allerdings wurde der Drink schon seit ca. 20 Jahren nicht mehr nach diesem Rezept gemixt. Denn den Wray Nephew 17 years old gab es da schon nicht mehr, da man die Produktion dieses Rums etwa zum Zeitpunkt des Erfinden des Mai Tais, in den vierziger Jahren, eingestellt hatte. Trader Vic bediente sich von da an eines Blends aus zwei Jamaica Rums und später eines Jamaica Rums und eines Rhum Agricole von Martinique zu gleichen Teilen.
Zu dem Namen Mai Tai ist es laut Trader Vic durch die ersten beiden Menschen gekommen, die die Ehre hatten, diesen Drink zu verkosten: Ham und Carrie Gould, zwei tahitianische Freunde von ihm. Deren sehr deutliche Meinung taten sie in ihrer Muttersprache kund: "Mai tai roa ae!", "Das beste, nicht von dieser Welt!".

Auch ein weiterer Vertreter der Tiki-Ära, Don the Beachcomber, rühmt sich damit, der Erfinder des Mai Tai zu sein. Er habe diesen Drink laut eigener Aussage schon 1933 in seiner Hollywood-Bar erfunden und seinen Gästen präsentiert. Seine Version weicht von der Bergerons jedoch erheblich ab. Das Rezept dafür ist:

Don's Mai Tai
  • 4,5 cl Jamaika-Rum
  • 3 cl kubanischer Rum
  • 1,5 cl Cointreau
  • 1,5 cl Falernum
  • 2 Dashes Pernod
  • 1 Dash Angostura Bitters
  • 3 cl Grapefruitsaft
  • 2 cl Limettensaft

Zwar beinhalten beide Versionen einen großen Anteil (Jamaika-) Rum sowie identische Mengen Orangenlikör, jedoch stellt sich Don's Variante wesentlich trockender und herber ein, so dass ich hier schon von zwei Drinks sprechen würde, nicht von einem. Folglich meinen auch nicht zwei Menschen den selben Drink, sondern nur den selben Namen für einen ihrer Drinks erfunden zu haben, auch wenn es geschmacklich gewisse Ähnlichkeiten zwischen Vic's Mai Tai und einem Drink namens Q.B. Cooler von Don gibt. Letzteres war aber im Grunde nie Gegenstand ihres Streits, sondern ist vielmehr das Ergebnis von Forschungen der Gegenwart, vor allem seitens Jeff "Beachbum" Berrys. Trotz dessen hat der Streit, der verbal heftig (Victor Bergeron: „Anybody who says I didn’t create this drink is a dirty stinker“) und auch auf Rechtswegen zwischen den beiden Tiki-Legenden ausgetragen wurde, zur Popularität des Drinks beigetragen und bildet daher einen weiteren Baustein eines Mythos, der sich bis heute fortsetzt.

Denn der Mai Tai ist heute ein Vermächtnis. Er ist einer der letzten Cocktails der Tiki-Ära, die noch einem größeren Publikum bekannt sind serviert werden. Dabei erlebt er in der Breite leider einen unrühmlichen Zerfall. Einem Cocktailian treibt es heute die Tränen in die Augen, wenn er sieht, was alles unter diesem großen Namen Mai Tai angeboten wird, einem Cocktail, der teils als Referenz einer Bar gesehen werden kann. Keine gute Bar würde einen Mai Tai mit Fruchtsäften oder gar Grenadine oder Malibu servieren.

Moderne Version des Mai Tai, angelehnt an das Originalrezept
Das ist aber nur die eine Seite der selben Medaille des gegenwärtigen Mai Tais. Es existiert auch eine beachtliche Szene an Hobbymixern, die akribisch wie nie versucht, dem Original immer näher zu kommen. Jede Komponente des Drinks wird dabei beleuchtet, seine DNA sozusagen entschlüsselt. So beschränkt sich die Frage der Zubereitung keineswegs auf den verwendeten Rum, wenngleich diese Frage natürlich eine der wichtigsten und interessantesten ist. Aber auch die verwendeten Curacao, Zuckersirup und Orgeat werden diskutiert. Bietet sich eher altehrwürdiger Triple Sec wie Cointreau an, oder doch besser der etwas fruchtigere Orange Curacao? Und zu welchen Marken sollte man greifen? Orgeat oder Mandelsirup? Und dann eben die Frage der Fragen: wie den Wray Nephew 17 substituieren?
Hierüber diskutieren Bartender wie Hobbymixer sehr eifrig. Im zweiten Teil von "Mai tai roa ae!" - Mythos und Moderne werde ich mich dem Wray & Nephew 17 Jahre widmen.
Ich freue mich darauf!

Bis dahin,
Flo

Sonntag, 6. Januar 2013

Plantation Single Cask Jamaica Rum 1983 (Belgium)

Hallo Rum und Mai Tai Freunde,

im letzten Jahr geisterte immer wieder ein Rum durch das Ministry of Rum Forum und zunehmend auch durch die sozialen Netzwerke: der Plantation Single Cask Jamaica Rum 1983, Bottled for the Nectar (Belgium).
Plantation Jamaica Rum 1983 (Flasche 17/150)
Dass der französische Hersteller und unabhängige Abfüller Ferrand in den letzten Jahren immer wieder, neben seinen ständigen Jahrgangsabfüllungen, auch Single Cask Abfüllungen auf den Markt brachte, ist bekannt. Eigentlich auch nicht ganz neu ist, dass der Abfüller verstärkt Single Cask Abfüllungen regional veröffentlicht. Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass dies bisher kaum bis garnicht bekannt war, da diese Abfüllungen aus anderen Ländern einen eben so gut wie nicht erreichen. Daduch wird darüber auch nicht allzu viel geschrieben. Bekannt sind mir Abfüllungen, die exklusiv jeweils nur in Belgien, Großbritannien, Dänemark oder der Schweiz zu beziehen sind. Einer der Rums, die nur in Belgien veröffentlicht wurden, und zugleich der, der für das meiste Aufsehen sorgte, ist eine jamaicanische Abfüllung aus dem Jahr 1983. Der Grund dafür liegt denkbar nahe. Zum einen gehören Jamaica Rums grundsätzlich zu den begehrtesten, zum anderen aber, und das ist hier viel, viel entscheidender, gibt es von dieser Abfüllung gerade einmal verschwindend wenige 150 Flaschen. Weltweit. Verkauft wird er nur in Belgien, "Bottled for the Nectar (Anm.: Nectar ist ein örtlicher Abfüller)". Da Plantation Rums sich auch in der Sammlerszene großer Beliebtheit erfreuen, kann sich nun sicher jeder vorstellen, weswegen dieser Rum zur Zeit viel diskutiert wird. Noch dazu lautet der Tenor bisher, dass die Abfüllung auch inhaltlich zu überzeugen weiß. Dessen aber, werde ich mich heute besser selbst versichern.
1 Fass, 150 Flaschen, verkauft in weltweit nur einem Land: Belgien.
Aus außer-belgischer Sicht gab es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: es gibt einen Shop dort, der nach Deutschland und in die Welt versendet und der die Plantation Rums führt. Die schlechte: der Jamaica 1983 Single Cask ist dort inzwischen leider ausverkauft. Einen Shop gibt es in Belgien, der den Rum noch führt, jedoch versendet dieser leider nicht. Eine Reise in unser Nachbarland scheint die einzige, noch verbleibende Möglichkeit zu diesem Rum zu kommen.
Doch nun zum Rum selbst: 1983 wurde er, auch wenn diese Information dem Label des Rums leider nicht entnommen werden kann, in der Destillerie Long Pond im Pot Still Verfahren destilliert, im Norden Jamaicas. 28 lange Jahre reifte der Rum dann in Eichenholz, wurde von Cognac Ferrand erworben und dort in Frankreich dann noch einmal einem ca. 6 monatigen Cognacfass-Finish unterzogen. Am 9. September 2011 schließlich, wurde der Rum auf 42% vol. verdünnt, in 150 Flaschen gefüllt und nach Belgien exportiert, wo er seit November 2011 dann erhältlich war, bzw. tw. noch ist.
Was kostet der Rum? Bei crombewines.com habe ich für die Flasche 75 Euro gezahlt, der Versand nach Deutschland kostet, egal ob für eine oder für z.B. drei Flaschen 13 Euro. Beides finde ich ausgesprochen fair! Für einen Rum in diesem Alter bezahlt man bei den meißten anderen bekannten unabhängigen Abfüllern fast das doppelte. Und nicht selten wirkt sich auch eine derartige Limitierung auf den Preis aus, was hier ebenfalls nicht der Fall ist. Und der Shop versendet wirklich schnell und zuverlässig. Trotz Lieferung aus dem Ausland brauchte das Paket gerade mal ein paar Tage und alles war sicher verpackt. Ich kann den Shop daher nur weiterempfehlen.
Nun aber zum Rum selbst. Endlich ;)

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Verkostungsnotizen:

Zur Verkostung des Rums erschien es mir sinnvoll diesem zum Vergleich zwei bekannte Rums gegenüber zu stellen: zum einen seinen jüngeren Bruder, den Plantation Single Cask Jamaica Rum 1986 und zum anderen den Silver Seal Long Pond 21 YO aus dem gleichen Jahr. Ich testete die Rums in dieser Reihenfolge und plazierte den neuen 1983er Plantation dazwischen. Nach einer ersten, kurzen Verkostung des 1983 hielt ich diese Reihenfolge für am effektivsten.

Plantation Jamaica 1986, Plantation Jamaica 1983 & Silver Seal Long Pond 21 YO

Farbe: tiefes, dunkles Gold, nicht zu unterscheiden vom Plantation 1986 aber wesentlich dunkler als der strohige Silver Seal.

Viskosität: angenehme Öligkeit, satte, weite Schlierenbildung an der Glaswand.
Nase: süßliche, nussige, leicht vegetale Nase, dem 1986er Plantation sofort ähnlich. Allerdings ist der 1983er weniger süß, hat weniger Orange, was mir gut gefällt. Hingegen ist er noch immer süßer als der Silver Seal. Diesbezüglich stellt der Rum eine Art Brücke zwischen den beiden dar. Charakteristisch gehen aber alle drei in eine ähnliche Richtung.

Gaumen: hier zeigt sich der 1983 ebenfalls weniger süß als der 1986, allerdings auch weniger nussig. Der Rum ist weich, hat eine dezente, angenehme alkoholische Schärfe, wo hingegen beim 1986er kaum alkoholische Töne auftreten. Der 1983er ist etwas komplexer, vielschichtiger und spannender, weg von der reinen Nuss. Schokolade und etwas Vanille gesellen sich jetzt dazu. Jedoch kommt er in puncto Komplexität dem Silver Seal zwar näher als der 1986er, aber erreichen kann er ihn nicht. Der Silver Seal ist trockener als der 1983er, das Holz kommt bei diesem noch etwas mehr heraus. Für 28 Jahre auf Jamaica hingegen, finde ich das Holz dezent. Der Rum ist mitnichten verholzt, die Holztöne empinde ich nicht als unangenehm. Ein sehr reifer Rum!

Abgang: dunkel, süßlich-herb, leicht nussig und auch etwas holzig. Sehr angenehm. Nicht übermäßig lang, aber auch keinesfalls kurz.

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Fazit: auch der Plantation Single Cask Jamaica 1983 ist ein guter Rum, wenn nicht ein sehr guter. Die Tastingreihenfolge hat sich als genau richtig erwiesen, da der Rum quasi zwischen den beiden vorher bekannten Rums steht. Er ist weniger süß als der Plantation 1986 aber süßer als der Silver Seal, dabei aber auch schärfer, reifer und komplexer als der 1986 und weniger scharf, reif und komplex als der Silver Seal. Das gefiel mir gut. Die Destillerie Long Pond kommt, genau wie bei den beiden anderen Rums, klar heraus, so dass ich diese oben auch mit Gewissheit angeben konnte, ohne dass diese Information auf dem Label steht. Überrascht hat mich, dass der Rum trotz 28 Jahren in der Karibik auf Jamaica (der Rum lagerte vor dem Ausbau im Cognac-Fass nicht in Frankreich!) keinesfalls zu viel Holz bekommen hat. Das unterstreicht einmal mehr mein Empfinden, dass Long Pond Rums unglaublich lange Zeit reifen können, ohne dessen zu viel zu bekommen. Schon bei ca. 20 jährigen Rums von dort hatte ich oft das Gefühl, dass diese gerade erst anfangen reif zu werden.
Um aber auch eines zu sagen: natürlich schwingt die Exklusivität mit. Ich bemühte mich daher so gut es ging diesen Faktor bei der Verkostung irgendwie auszublenden und denke auch, dass mir das gelungen ist. Ich ärgere mich selbst oft beim Lesen von Reviews, wenn ich das Gefühl habe, dass der Preis einer Flasche oder seine Limitierung wichtiger zu sein scheinen, als der Tropfen selbst, bzw. dass das einen Rum bei einigen automatisch erstklassig macht. Auch deshalb gab ich bisher nicht viel auf die Lobeshymnen auf diesen Rum. Natürlich macht ein exklusiver Rahmen den Rum noch interessanter, dieser kam auch hier nicht zu kurz, aber es ist mir wichtig, den Flascheninhalt davon zu trennen, mir immer auch die Frage zu stellen: wie würde ich urteilen, wenn man mir den Rum anonym aus einem Tastingfläschchen gereicht hätte. Denn nur dann hat ein Review in meinen Augen auch einen wirklichen Wert.
Von diesem Gesichtspunkt aus kann ich sagen, dass ich den Preis für fair und den Rum für sehr gelungen halte. Er grenzt sich ausreichend vom 1986er Plantation ab, so dass es durchaus Spaß macht, als Jamaica Fan beide sein Eigen nennen zu können. Ein absolutes Muss ist der Rum aber nicht. Es besteht, außer eben, wenn es Jamaica einem wirklich angetan hat, kein Grund zur Trauer darüber, dass man nicht mehr an den Rum herankommen kann. Der noch gut erhältliche 1986er kann ähnlich viel. Einigen Mitgliedern des Cocktails & Dreams Forums konnte ich den Rum glücklicherweise durch eine Flaschenteilung im letzten Jahr zugänglich machen und dieses Trinkvergnügen ermöglichen. Denn beim reinen Genießen, abseits eines neutralen Reviews, da schwingt dann die Freude über die Exklusivität doch wieder mit und das soll und darf sie auch ;)

PS: Ende 2012 erschien, wieder in Belgien, ein 2. Release des 1983 Jamaica Rums (350 Flaschen). Dieses ist derzeit noch erhältlich. Inwieweit sich beide Rums ähneln, kann ich aber natürlich nicht sagen.

In diesem Sinne,
Flo