Sonntag, 28. Juli 2019

Pusser's Navy Rum "Nelson's Blood" - 42% vol. (Hip Flask)

Liebe Rum Gemeinde,

schon wieder ein Pusser's Navy Rum "Nelson's Blood"?! Hatten wir doch erst! Ja, ist richtig... aber den gab es in vielen verschiedenen Versionen und der heutige Rum ist ein anderer als der von neulich im großen Yachting Decanter. Ich bin gespannt! 




Die Hip Flask erwarb ich, ebenso wie zuvor schon den Yachting Decanter, in einem lokalen Shop und hatte diesen so erst einmal gar nicht wirklich auf dem Zettel. Man könnte daher auch sagen, dass ich ihn mehr oder weniger mit dazu gekauft hatte. Im Vorfeld hatte ich ihn auch schon mal probiert, nur auf die Schnelle allerdings, und war positiv überrascht. Nein, natürlich kein Top Rum, aber ein entspannter Kandidat mit leichtem Zugang, bei dem man für den Preis nicht viel verkehrt machen konnte (ich zahlte 15,- € für 200 ml) und so kaufte ich mir ein paar davon und werde heute mal schauen, was die nun wirklich können.

Über den Rum selbst kann ich leider ebenso wenig sagen, wie zuletzt bereits über den Decanter. Beide stammen von den British Virgin Islands, aber anders als der Decanter, ist der Rum aus der Hip Flask als Barbados Rum deklariert, nicht als Trinidad Rum wenn gleich auch diese Angabe ebenso zweifelhaft ist. Vermutlich stammt der Rum aus mehreren Ländern und Destillerien. Die Hip Flask fasst ein Volumen von 200 ml und ist von ihrer ganzen Beschaffenheit natürlich wie gemacht zum Mitnehmen für unterwegs. Gemeinsam haben beide dann aber wieder ihren Alkoholgehalt von 42% vol., was leider nicht so richtig viel ist. Der Rum aus dem Decanter ist gerade noch einmal am Flüssig-Tod vorbeigeschrammt, ich hoffe, das gelingt diesem hier heute auch. Definitiv sprechen müssen wir leider über eine Süßung, die diesen Messungen zufolge stattgefunden hat! Zwar ist der Nelson's Blood in den Listen nicht explizit erwähnt, aber ausnahmslos alle anderen getesteten Pusser's, und insbesondere die mit der Hip Flask vergleichbaren Abfüllungen, enthalten zum Teil leider doch sehr erhebliche Mengen an Zusätzen! Vermutet hatte ich das in meinem Review zum Yachting Decanter bereits, aber nun fand ich es auch in den Listen, in die ich zuvor lange nicht reingeschaut hatte, da mein üblicher Rum Geschmack und die kritischen Rums in der Regel nie viel miteinander zu tun haben. Schade und ärgerlich, dass hier wohl nachgeholfen wurde. Drum lasst uns, bevor uns die Laune darüber vergeht, über die Flasche selbst sprechen, denn da gibt es erneut nichts zu beklagen! Stilistisch schöpft Pussers bei der Flasche erneut aus den Vollen: Unter der Überschrift "Splice the Main Brace!" (der Befehl an Bord, eine Extra Ration Rum auszuschenken) finden sich diverse Toasts zu den verschiedenen Wochentagen. In dieser Tradition steckt immer auch ganz viel Ironie und Humor (macht euch mal einen Spaß und sucht die Bedeutung von "Splice the Main Brace!" heraus😉) und für mich persönlich ist diese mitgelieferte Kultur eigentlich das Highlight des Rums.



.

Verkostung des Pusser's Navy Rum "Nelson's Blood":

Preis: ich habe 15,- Euro für den 200ml Flachmann bezahlt. Im Netz werden aber zum Teil auch deutlich höhere Preise aufgerufen. 

Alter: NAS - der Rum hat keine Altersangabe. 

Lagerung: keine Angaben. 

Fassnummern: unbekannt.

Angel's Share: hier können ebenfalls keine Angaben gemacht werden. 

Alkoholstärke: der Rum weist einen Alkoholgehalt von 42% vol. auf, ist daher wohl stark verdünnt. 

Destillationsverfahren: unbekannt. 

Mark: vermutlich diverse Marks.

Farbe: kräftiges Mahagoni. 

Viskosität: dünne, eng und parallel aneinander verlaufende fette Schlieren bilden sich im Glas. 

Nase: die Nase ist der seines Bruders im Decanter tatsächlich schon recht ähnlich. Ein schweres und kräftiges Destillat wabert mir entgegen, weiß meine Nase sofort für sich einzunehmen. Ein sehr angenehmer, rummiger Geruch, bei dem alkoholische Schärfe keine Rolle spielt, ohne, dass es den Rum dadurch schwach erscheinen lässt. Über die Herkunft des Rums gibt es wenig Zweifel: Port Mourant ist sehr dominant! Ich habe die volle Dröhnung Anis im Bouquet, dass es eine wahre Freude ist! Schon beim Decanter Rum spekulierte ich darauf, dass die Double Wooden Pot Still ganz viel mit diesem Rum zu tun hat, schließlich wird sie auf einigen Abfüllungen von Pusser's ja auch als Urheberin genannt, aber hier wird das für mich nochmal klarer. Witziger Weise wird als Herkunftsland auf dem Flachmann einzig Barbados genannt, aber ein reiner Barbados Rum kann hier definitiv ins Reich der Fabeln verwiesen werden. Neben Anis finde ich auch viel Orangenzeste, süße Aprikosen-Orangen-Marmelade, Tabakblätter, Nelke, reife Bananen, Mangos und eine kräftige Note vom Holz, so dass die Verwandtschaft zum Decanter schon eng ist. Ich empfinde die Nase aber insgesamt noch als ein wenig intensiver und ausdrucksstärker. Ich hätte den Alkoholgehalt dieser Abfüllung wohl über die 42% vol. getippt. Dieser Effekt wird allerdings leider wohl auch durch die Süßung erzielt, so dass sich der Rum das nicht einzig auf die Fahne schreiben sollte. Aber wie beim Decanter gilt auch hier: sehr, sehr entspannter Rum! 

Gaumen: zunächst einmal fällt deutlich und positiv auf, dass der Rum sehr viel "bissfester" daherzukommen scheint als der aus dem Yachting Decanter. Die 42% vol. machen sich zwar auch hier bemerkbar, aber noch weniger negativ. Auch alkoholische Schärfe findet nicht statt. Einer der ersten Eindrücke danach ist dann aber tatsächlich leider auch der Zucker. Mir fiel das beim Decanter schon auf, noch ohne es dort noch zu wissen, aber nun, mit dem Wissen darum, ist das leider gar nicht mehr zu leugnen. Schade. Zumal ich das Gefühl habe, dass es der Rum nicht nötig gehabt hätte. Das entspannte, was mir beim Decanter Rum so gefiel, das hat der Pusser's aus der Hip Flask auch. Abseits des Ärgers um die Süßung macht der Rum Spaß, so fair und ehrlich muss ich da schon sein. Der Rum gibt sich, hinter der Süße, eher trocken, Port Mourant und sein Anis kommen dominant durch und machen ziemlich sicher den Mammut-Anteil dieses Blends aus. 

Abgang: Tabak und Eichenholz habe ich im Abgang und dazu leider auch eine übertriebene unnatürliche Süße mit Vanille-Aroma. Schon verrückt, wie sehr einem das dann auch auffällt, wenn man es erst einmal sicher weiß. 

-------------------------------------------------------------------------------------------------

Fazit: mir gefiel der Rum leicht besser als der aus dem Yachting Decanter, aber Welten liegen nicht zwischen ihnen. Die Süßung ist bedauerlich, meines Erachtens auch unnötig und vor allen Dingen widerspricht sie all meinen Ansichten zu diesem Thema, Stichwort Deklarierung. Ich habe nichts dagegen, dass Hersteller ihre Rums süßen, denn dafür gibt es schließlich auch ganz eindeutig einen Markt, aber dann sollte es auch transparent auf dem Label stehen. Apropos Transparenz: auf der Flasche ist Barbados als Herkunftsland angegeben. Ja, mag sein, dass auch Barbados drin ist, aber wie schon beim Yachting Decanter ist auch hier klar, dass z.B. Guyana auf jeden Fall drin ist und auch die meisten Quellen zum Pusser's Rum sprechen von insgesamt sechs verschiedenen Rums. Auch hier wäre ich für etwas mehr Liebe zum Detail. Ansonsten gilt aber das gleiche wie für den Rum aus dem Yachting Decanter: entspannt auf der Terrasse oder dem Balkon genießen ist kein Problem, wenn man jeden Anspruch ablegt und -wie wir jetzt wissen- die Zuckerthematik für einen Moment aus seinem Kopf verdrängen kann. Dann, aber auch nur dann, kann der Rum Spaß machen und ist noch dazu ein echter Hingucker! Denn die gesamte mitgelieferte Tradition aus den alten Tagen der Royal Navy ist ein absoluter Traum und für mich wohl der Grund dafür, dass mich die Teile trotz des zweifelhaften Inhalts irgendwie reizen.

-ohne Wertung-


Bis demnächst,
Flo

Sonntag, 21. Juli 2019

Gardel Distillery: Secret Treasures 1989 vs. Bristol 1992

Liebe Rum Gemeinde,

heute erwartet euch auf BAT einmal wieder ein R(H)UMble! Das habe ich, zumindest gefühlt, länger nicht gemacht und zu den Rums, die ich vorstellen möchte, passt das Format wie angegossen. So let's R(H)UMble! ;-)




Was liegt heute an? 

Die Reise geht heute nach Guadeloupe, genauer gesagt in die seit einigen Jahren geschlossene Gardel Distillery. Die Situation auf Guadeloupe gestaltet sich hinsichtlich seiner Vielfalt an Destillerien ähnlich dramatisch wie die auf vielen anderen karibischen Inseln. Waren es im Jahr 1775, also zum Ende des 18. Jahrhunderts hin, noch über 70 Destillerien, so sind es heute gerade einmal noch eine Hand voll, von denen Damoiseau wohl die bekannteste sein dürfte, alleine auch durch die Vielzahl an unabhängigen Abfüllungen des Jahrgangs 1998. Gardel hingegen gehört, wie eingangs gesagt, zu jenen die es heute nicht mehr gibt. Mehr noch: Gardel dürfte auch insgesamt heute nur noch wenigen Rum Freunden überhaupt bekannt sein, denn es gab kaum Rhums von dort auf dem Markt in Europa zu kaufen. Die wenigen Abfüllungen die es von unabhängigen Abfüllern gab sind seit vielen Jahren vergriffen und es kommt auch schon seit fast 20 Jahren nichts mehr nach. So sind dann folglich auch Informationen zur Destillerie leider echte Mangelware. Laut Rum Company wurde Gardel im Jahr 1870 von einem "Zuckerbaron" gegründet und produziert auch noch bis heute Zucker, allerdings wurden die Brennblasen Gardels in den 1990er Jahren abgebaut. Deswegen dürfte der Jahrgang 1992, aus dem ich heute auch einen Rum verkosten werde, abgefüllt von Bristol Spirits, wohl einer der letzten der Destillerie gewesen sein. Der andere Rhum, der parallel ins Glas kommt, stammt aus dem Jahr 1989 und kommt vom Abfüller Fassbind, die den Rum in ihrer Secret Treasures Linie releast hatten. Nun stellt sich bei mir ja schon automatisch die Frage, wie ich überhaupt dazu komme, Rhum aus den französischen Übersee-Gebieten zu besprechen, wo ich davon doch mal so überhaupt keine Ahnung habe. Was ist da los bei mir? Und tja, was soll ich da sagen, außer: weil sie mir gefallen! Ja, richtig gehört, ich bin, Agricole-Banause hin oder her, doch noch fündig geworden beim Rhum! Zunächst gefiel mir schon der 20 YO Gardel von Cadenhead bei Rene van Hoven am Stand in Köln so gut, dass ich ihn im Jahr darauf dort gleich nochmal getrunken habe. Dann aber konnte ich auch diese beiden hier probieren und, so viel sei vorab verraten, auch diese haben mich nicht enttäuscht. Das brachte Gardel auf meinen Radarschirm und so habe ich mich dazu entschlossen, ihnen hier den Raum zu geben den sie verdienen, denn Gardel hätte größere Bekanntheit durchaus verdient, wie ich finde. 

2 x Gardel Guadeloupe Rhum: The Secret Treasures 13 YO aus 1989 vs. Bristol Spirits Ltd. 10 YO aus 1992






.

The Secret Treasures Guadeloupe Rhum 13 YO Gardel 1989: 

Der The Secret Treasures ist der ältere der beiden Rums. Von 1989 reifte der Rhum insgesamt 13 Jahre bis 2002 in Fässern. Ob er tropisch oder kontinental reifen durfte oder ob es eine Mischung aus beiden Wegen war, kann leider nicht mehr wirklich nachvollzogen werden. Die Farbe deutet aber, wenn nicht nachgefärbt wurde, schon sehr stark auf tropische Reifung hin. Der Rhum weist einen Alkoholgehalt von 42% vol. auf. Das ist normalerweise doch eher wenig, bei Rhum Agricole allerdings nicht zwingend ungewöhnlich. Apropos Agricole: die Frage, ob der Rum auf Zuckerrohrsaft oder Melasse basiert, ist leider ebenfalls nicht hinreichend geklärt. Cadenhead gab auf einer Gardel Abfüllung von 1980 "RHUM AGRICOLE" als Mark an, allerdings habe ich das dem Rhum geschmacklich nicht ganz abgenommen. Wie das bei den heutigen Rums aussieht, wird sich zeigen. Die Abfüllung ist inzwischen sicherlich so etwas wie eine kleine Rarität, wenn gleich ich den Wert einer Flasche schlecht schätzen oder beziffern kann. In einem lokalen Shop bekam ich sie allerdings noch zu einem ganz annehmbaren Preis! 

Im Glas fällt mir vor allem erst einmal die für 13 Jahre wirklich außerordentlich dunkle Farbe von Mahagoni auf. Diese unterstützt, wie oben bereits erwähnt, sehr eindeutig meinen Verdacht einer tropischen Reifung. In der Nase ereilt mich dann zu Beginn gleich mal ein richtiger "Wow"-Effekt! Krasser Stoff! Geiler Stoff! Gefällt mir richtig gut! Das mag bei mir sicherlich auch daran liegen, dass ich sonst, für einen Rum Nerd, ungewöhnlich selten nach rechts oder links sehe, da mein Geschmack sehr festgelegt ist und mich selten Rums außerhalb dieses Rahmens noch richtig überraschen und begeistern gleichermaßen können. Hier ist das aber der Fall und ich bin noch immer dabei, meine Sinne zu sortieren. Die Basis-Note dieses Rums ist eine, die ich so bisher gar nicht kenne, die ich allenfalls aber als grundsätzlich agricoleartig beschreiben würde, sprich, ich würde hier schon auf ein Destillat aus frischem Zuckerrohrsaft tippen. Das geht alles in eine würzig-trocken-fruchtige Richtung und da ist auch etwas leicht parfümiertes. Mir fällt es ausgesprochen schwer, einzelne Komponenten wirklich herauszuarbeiten und zu benennen: fremdes Terrain! In jedem Fall hat er aber bereits ordentlich was vom Holz mitbekommen.
Am Gaumen kommt der Rum für seine 42% vol. sehr konsistent daher, eine Verwässerung empfinde ich nicht gravierend, ebenso wenig wie jegliche unangenehme Schärfe. Der Rhum ist vollmundig, so wie es mir gefällt, und dann in erster Linie einmal lecker! Der Grundton, der auch ein bisschen was pafümiertes-muffiges hat, ist wieder vorhanden, aber vor allem fällt mir eine Intensität an Tanninen auf - der Tropfen hat viel Holz gesehen und steht auf der bitteren Seite (bitte nicht negativ verstehen!). Das ganze ist dann auch durchaus komplex und reichhaltig, auch wenn mir hier die Erfahrung fehlt, das entsprechend umfangreich zu benennen. Höchstens Anis könnte ich bestimmen.
Im Abgang wird es dann noch einmal holzig-pafümiert und bitter. Strange, aber angenehm und lecker! Dazu verweilt der Rhum doch recht lange am Gaumen... 

-89/100-


Bristol Spirits Guadeloupe Rhum 10 YO Gardel 1992:

Der zweite der heute verkosteten Rhums kommt von Bristol Spirits Ltd. Es handelt sich dabei um eine alte Abfüllung des Jahrgangs 1992, die im Jahr 2002, nach 10 Jahren Reifung, abgefüllt wurde. Auch beim Bristol ist die Frage ob tropisch oder kontinental gereift wurde ungeklärt. Farblich tendiert aber auch dieser Rhum arg zu tropischer Lagerung, so keine Färbung vorliegt, was aber bei Bristol sehr untypisch wäre. Der Alkoholgehalt beträgt die für Bristol typischen 46% vol., womit er sich unter anderen Rhums französischen Ursprungs in guter Gesellschaft befindet. Die Agricole-Frage warf ich beim Secret Treasures ja bereits in den Raum und auch hier wird uns letzten Endes nur der Geschmack wirklich weiterhelfen können. Auch der Bristol gilt als Rarität, wobei die Abfüllung preislich über dem Pendant von The Secret Treasures liegen dürfte, schon allein weil der Abfüller sehr viel gefragter ist, als es die Rums von The Secret Treasures sind. Ich erhielt von einem geschätzten Berliner Mitglied einer privaten Rum-Runde ein Sample dieses Tropfens und bedanke mich an dieser Stelle nochmal ganz herzlich dafür!

Farblich unterscheidet sich der Bristol erst einmal nicht vom Secret Treasures. Die haben beide dunkles Mahagoni und muten optisch tropisch gereift an. In der Nase erkenne ich grundsätzliche Art-Verwandtschaft, aber beide Rhums unterscheiden sich doch schon auch sehr. Der Bristol hat da in noch so einen Ton drin, den ich irgendwo her kenne und der mir nicht so richtig gut gefällt. Ich habe das Gefühl, da steckt noch irgendwas an Gebäck drin, aber ich komme nicht drauf, was es ist. Holz hat auch der Bristol schon einiges und es geht insgesamt eher in die würzig-trockene Ecke, weniger in die fruchtige. Aber auch hier: einzelne Aromen zu abstrahieren fällt mir bei diesen Rhums ganz schwer!
Am Gaumen machen sich die 4% vol. mehr, die der Bristol gegenüber dem Secret Treasures hat, aus meiner Sicht nicht wirklich bemerkbar, vielleicht minimal, aber das ist in etwa das gleiche Mundgefühl im Hinblick auf die Konsistenz. Auch unter alkoholischer Schärfe leidet der Rhum nicht. Dass es sich um zwei Rhums aus der gleichen Destillerie handelt merkt man nun allerdings noch mehr, gerade im Vergleich. Wieder ist da dieser Eindruck, den ich einem Gebäck zuordne (ohne zu wissen, ob das wirklich stimmt). Mich fuchst das richtig, dass ich nicht drauf komme, was das ist. Ansonsten empfinde ich den Bristol am Gaumen stärker als in der Nase. Die Holzeinflüsse sind da, aber geringer als beim The Secret Treasures. Nach hinten heraus ist da ein wenig Anis, das den Rum dann auch in den Abgang geleitet, gefolgt von einem ordentlichen Anteil an Tanninen. Auch der Bristol zeigt im Finish einiges an Ausdauer, das finde ich gut. 

-86/100-


Fazit: 

Gardel ist anders! Und das meine ich in höchstem Maße positiv. Schade, dass wir wohl niemals eine Renaissance dieser tollen Destillerie erleben werden und uns mit den wenigen Flaschen begnügen müssen, die wir irgendwo auf dem Secondary Market noch von Zeit zu Zeit vielleicht mal finden können. Von den beiden heute verkosteten Rhums hat mir die Abfüllung von The Secret Treasures besser gefallen als die von Bristol Spirits, da sie für mich noch ein wenig mehr dieses besondere und außergewöhnliche hat, das, was ich als "Wow"-Effekt beschrieben hatte. Einfach nur geil und ganz anders als alles was ich sonst kenne! Das ist ein Rhum, an dem rieche ich und es haut mich vollkommen um! Einzig der geringe Alkoholgehalt verhindert eine absolute Top-Bewertung. Zwar ist der Rhum nicht verwässert, da hatte ich ja Entwarnung gegeben, aber wenn der jetzt um die 50% vol. hätte, wäre er vermutlich ein absoluter Killer und über die 95 Punkte Marke geklettert! Der Bristol dagegen hat zwar ebenfalls enorme Qualität, aber nach diesem Rhum suchte ich, nachdem ich den Cadenhead und den The Secret Treasures schon kannte, eben auf Grund deren außergewöhnlicher Qualität. Hätte ich statt der beiden hingegen zuerst den Bristol entdeckt und probiert, wüsste ich nicht, ob ich dann auch davon ausgehend noch nach weiteren Gardels geschaut hätte. Ich denke, das sagt viel aus und definiert die Differenz zwischen beiden Rhums sehr exakt. Überlegen war der Bristol dem Secret Treasures einzig beim Alkoholgehalt.
Spannend war die Erfahrung der Verkostung dieser beiden Rhums für mich aber auch deshalb, weil ich mich vor den Gläsern nochmal wie ein blutiger Anfänger in der Welt des Rums fühlen durfte, mit all den Schwierigkeiten und Hürden, die es so mit sich bringt, wenn man einen Rum beschreiben möchte, das ganze aber kaum in Worte gefasst bekommt. Ich habe es trotzdem getan, auch um euch alle da draußen weiter zu motivieren, den Mut zu haben ebenfalls mit euren Verkostungsnotizen herauszurücken - sei es z.B. auf Facebook oder gar auf einem eigenen Blog. Ich weiß, da zieren sich viele noch, gerade dann, wenn einem keine 47 blumige Assoziationen zu einem Rum durch den Kopf schießen, aber die braucht es aus meiner Sicht auch nicht unbedingt und immer. Als wichtiger empfinde ich die Charakterisierung, und das geht, wie ihr seht, eigentlich fast immer. Daher: nur Mut!

In diesem Sinne: bis demnächst!
Flo

Donnerstag, 18. Juli 2019

Rum Collins mit Habitation Velier Hampden <>H White

Liebe Rum Gemeinde,

weiter geht es heute mit dem nächsten der vier ungelagerten High Ester Habitation Veliers der aktuellen Range, wobei ausgerechnet der heutige Rum derjenige war, den es nur für sehr kurze Zeit zu kaufen gab, da er leider sehr limitiert ist: der Habitation Velier Hampden <>H White, abgefüllt für die Whisky Live Paris 2018!



Wie hoch die Auflage dieser Abfüllung genau war weiß ich nicht, eine Limitierung von nur 400 Flaschen waberte zeitlang durch diverse Facebook-Posts, allerdings war klar, dass man auf jeden Fall schnell sein musste, wollte man eine Flasche ergattern. Zum Glück ist es dem Freddy gelungen, von allen vier Flaschen eine zu holen, die er dann geteilt hat, und so geht mein Dank heute dementsprechend an ihn: für das Sample, mit dem ich mir gleich den Collins mixen werde, als auch für das Altglas, damit das ganze auf den Bildern ein wenig besser aussieht. ;-) Vielen Dank dir!





















Vom Grundcharakter her ist der <>H dem LROK natürlich ähnlich, es sind beides Hampden Rums mit der dafür typischen Charakteristik, bei denen die Unterschiede in erster Linie in der reinen Extremität und Intensität liegen und durch die verschieden hohen Ester-Gehälter begründet sind. Das geht beim <>H dementsprechend etwas mehr ab als beim LROK zuletzt (auch, weil der Alkoholgehalt mit 66% vol. nochmal höher liegt als bei den anderen Whites) und bietet für mich in ungelagerter Form dann tatsächlich auch ein wenig mehr Vorzüge beim Purgenuss. Ihn würde ich mir auch so mal einschenken, zumindest in der Theorie. Am Ende des Tages und rein praktisch aber ist auch sein Verwendungszweck der hochwertige Drink und in genau dem wird auch der <>H nun probiert! 


Das Rezept:
  • 5 cl Habitation Velier Hampden <>H White
  • 2 cl Limettensaft
  • 1 cl Zuckersirup
  • Mit Sodawasser auffüllen. 




.
Rum Collins mit Habitation Velier Hampden <>H White:

Farblich ist das jetzt schon eher wieder der Collins, den ich auch mit dem STC❤E vor mir hatte, also weniger grünlich von der Limette, nahezu farblos. Aber wie schon im letzten Review gesagt, am verwendeten Rum liegt das definitiv nicht. ;-)

Geschmacklich dann, habe ich aber einen echten Hammer vor mir! Der <>H ist ein Brett! Mai Tai Feeling kommt natürlich fast zwangsläufig auf! Wahnsinn! Hui, Freunde, was ist hier denn los?! Ich bin da mal gerade so richtig begeistert und komme auch vor lauter Begeisterung erst einmal gar nicht dazu den Drink sachlich zu beschreiben. Dieser Collins kommt unglaublich fruchtig daher, deutlich esterig, sehr funky und mit viel Kraft, aber dabei trotz allem sommerlich frisch und geradezu ideal für einen heißen Nachmittag auf der Terasse. Das muss man sich ein wenig vorstellen wie beim LROK-Collins, bei dem man dann aber den Regler plötzlich und mit Gewalt einmal richtig aufgedreht hat. Und während man den LROK sicher auch noch dem einen oder anderen weniger erfahrenen Connaisseur vorsetzen könnte, so geht der <>H schon deutlich in den nerdigen Bereich. Der Alkohol ist präsent, erschlägt aber niemanden, was sich mit meinen Eindrücken aus der Pur-Verkostung deckt. Das ist einfach ein guter Rum, von dem es wohl auch gerne noch ein paar Flaschen mehr hätte geben dürfen als die kolportierten 400 Stück. 

Fazit: erneut erlebe ich eine Steigerung, denn von den bisherigen drei High Ester Whites gefiel mir dieser hier mit Abstand am besten! Klar, bei mir gilt oft und gerne: mehr Ester - mehr Spaß, aber die Qualität muss nichts desto trotz natürlich immer stimmen und das ist hier glücklicherweise der Fall. Sehr, sehr lecker! Es fällt mir schwerer als bei den bisherigen zwei Kandidaten Kritik am Preis zu üben, aber ich komme dennoch nicht darum herum. Denn geil oder nicht: auch dieser Rum ist ungelagert und dafür, für mein Empfinden, schlicht zu teuer gewesen. Warum, habe ich in den vorherigen zwei Besprechungen deutlich gemacht. Stichworte sind: keine benötigten Lager-Kapazitäten, keine Arbeit beim Überwachen der Reifung und der ausbleibende Angels Share. Nichts desto weniger hoffe ich, dass wir in der Zukunft weitere ungelagerte Rums auf dem Markt sehen werden. Zum einen natürlich, weil ich es spannend finde zu sehen, welchen Ausgang ein Destillat einmal hatte, bevor es lange gereift in mein Glas gelangte, zum anderen aber auch weil ich derart gute ungelagerte Rums gern standardmäßig im Regal zum Mixen dastehen hätte. Nur, das muss eben zu einem attraktiven und einer ungelagerten Spirituose angemessenen Preis passieren. Kurz: für 20,- bis 30,-Euro (was für einen ungelagerten Rum auch schon nicht wenig ist) stünden hier mit Sicherheit drei bis fünf Flaschen auf Vorrat!  

Bis demnächst,
Flo

Sonntag, 14. Juli 2019

1423 S.B.S. Trinidad Rum 25 YO Caroni 1993

Liebe Rum Gemeinde,

für mich vollkommen unerwartet, muss ich mich heute allerdings doch noch einmal umdrehen, zurückblicken und den Caroni Jahrgang 1993 noch einmal betrachten. Der aktuelle Caroni von 1423 S.B.S. lässt mir da keine echte Wahl...





Der Jahrgang 1993, ich hatte es im Review zum Velier aus gleichem Jahrgang erläutert, ist kein klassischer der Destillerie. Anders als aus 1994, 1996 oder 1998 gibt es hier nicht unzählige verschiedene Abfüllung von unabhängigen Abfüllern von A bis Z, sondern es gab nur einige wenige Bottlings. Von denen, auch das hatte ich erwähnt, hat mich bisher kein einziges abgeholt. Entweder erkannte man Caroni schon gar nicht mehr, oder aber der Stil war überhaupt nicht meines. Trauriger Höhepunkt für mich war eine Bristol Abfüllung für 1423 World Class Spirits vor ein paar Jahren, die ich einfach nur richtig schlecht fand! Der einzige Caroni aus 1993 der mir ad hoc einfiel, den ich noch nicht im Glas hatte war der neue von 1423, der ein Schwesterfass des unsäglichen Bristols sein soll und der den vieldeutigen Beinamen "The Beast" erhalten hat (an irgendwas erinnert mich das....😏). Da es Stimmen gab, sowohl positive als auch negative, die die Abfüllung in die gleiche Richtung verorteten wie den Bristol, wollte ich eigentlich nicht einmal mehr unbedingt probieren und so war dieser Jahrgang bei mir eigentlich durch.  Dann allerdings ergab sich durch Zufall an einem tollen Abend doch noch die Gelegenheit zu probieren und ich wurde überrascht. Der gefiel mir gar nicht schlecht. Weil ich zu diesem Zeitpunkt aber auch schon einige Rums im Glas hatte, vertagte ich ein umfangreicheres Tasting auf später. Heute bekommt ihr dementsprechend meine frischen Eindrücke dieses Rums und ich bin selbst gespannt, inwieweit ich an diesem Abend richtig lag, oder ich vielleicht doch schon ein paar Rums zu viel im Glas hatte.😉 Vielen lieben Dank nochmal an Chris für das Sample!😃



.
Verkostung des 1423 S.B.S. Trinidad Rum 25 YO Caroni 1993:

Preis: der Ausgabepreis liegt bei ca. 300,- Euro. Etwa dort liegt auch aktuell noch der Marktwert, auch wenn er vielfach schon vergriffen ist. 

Alter: von 1993 bis 2019 reifte der Rum 25 Jahre lang im Eichenfass.

Lagerung: die Reifung fand von 1993 bis 2008 auf Trinidad statt und von 2008 bis 2019 in Europa. Somit lag der Rum 15 Jahre in tropischem Klima und weitere 10 Jahre unter kontinentalen Einflüssen.

Fassnummer: unbekannt. Es wurden 239 Flaschen abgefüllt 

Angel's Share: ohne Angaben. 

Alkoholstärke: Fassstärke! Der Rum kommt mit 50,1% vol. daher.

Destillationsverfahren: unklar. Laut Label eine Column Still, aber hier gibt es aus meiner Sicht weiterhin noch keine zu 100% gesicherten Angaben. 

Mark: unbekannt. Die bisherigen 1993 waren Light Rums oder Blended Rums. Beim heutigen Rum ist das nicht definiert. 

Farbe: seeeeehr dunkel! In der Flasche geht der Rum nahezu ins schwarze, im Glas ist er minimal heller. Hier schimmert er sehr dunkelbraun-rötlich.  

Viskosität: ...

Nase: "The Beast", hat 1423 seinen Caroni ganz offensiv getauft, und diesem Beinamen wird er in der Nase auch bereits in den ersten Augenblicken gerecht. Sehr, sehr intensiver Rum! Heftig! Find ich das gut? Weiß ich noch nicht! Aber langweilig wird es heute ganz sicher nicht! Bisher war 1993 überhaupt nicht mein Fall, aber dieser hier hat auf jeden Fall "was". Ja, Erinnerungen an den Bristol Caroni 1993 für 1423 kommen hoch und auch den Velier erkenne ich entfernt wieder, aber hier gefällt mir das viel besser. Ich tippe tatsächlich mal auf einen Heavy Type Caroni, womit er der erste aus 1993 seiner Art wäre, der mir bekannt ist. Die Nase ist, wie schon erwähnt, wahnsinnig intensiv! Hoch konzentriert, unglaublich tief, reichhaltig, dreckig und komplex erscheint die Nase nach einiger Zeit des Atmens im Ballonglas. Alkoholische Schärfe ist vorhanden, aber meines Erachtens nur unwesentlich. Daran, dass es sich hier um einen Caroni handelt besteht nicht für eine Sekunde irgendein Zweifel. Ich finde natürlich die üblichen Assoziationen wie Teer, verbranntes Gummi, scharfe Lösungsmittel, trockenes Holz und Tannine wieder, aber gerade letztere nehmen hier auf jeden Fall einen Sonderstatus ein. Der Rum hat richtig Holz abbekommen! Zu viel? Ich bin sicher, dass das einige oder gar viele wohl so sehen würden. Sehe ich das so? Erneut bin ich unsicher! Für den Moment fasziniert mich, glaube ich, vor allem diese Extremität. Gemeinsam mit einer feinen Süße ist das aber definitiv sehr spannend. 

Gaumen: die 50,1% vol. erscheinen am Gaumen zunächst einmal erstaunlich dünn. Ich hätte auf eine Verdünnung mit Wasser getippt. Gleichzeitig hat der Rum aber auch gut Zug in Form von alkoholischer Schärfe. Das ist nicht so vollkommen aus dem Gleichgewicht gerissen wie beim Bristol, insbesondere, da der Alkohol sich nicht unangenehm gibt, aber andere Jahrgänge können das auf jeden Fall besser. Ist diese Phase durch und hat es sich der Rum im Mundraum erst einmal bequem gemacht, folgt eine schöne Süße in Kombination mit ganz viel 100% Caroni Flavour. Sehr extrem! Teer, Lösungsmittel, verbranntes Gummi... da ist alles dabei! Je länger der Caroni aber am Gaumen verweilt, desto stärker kommen auch die Tannine durch und machen deutlich, dass der Rum wirklich lange im Fass gelegen hat. Das geht hier dann bis ins Erlebnis von Bitterschokolade mit über 90% Kakao-Anteil, wenn man sich traut, ihn lange genug im Mund zu behalten. Der Rum wird dementsprechend immer bitterer und trockener, bis er irgendwann zu drohen scheint, wie Staub am Gaumen zu zerfallen.

Abgang: ein langer Abgang. Caroni-typische Noten und starke Tannine geleiten den Rum hinab.

-------------------------------------------------------------------------------------------------

Fazit: vor mir steht tatsächlich der einzige Caroni aus 1993, der mir zusagt, was ihn wiederum gleichermaßen zu einem echten Exoten unter den Non-Velier-Caroni macht, denn da gibt es nicht viele, mit denen ich wirklich etwas anfangen kann. Er ist für Caroni durchaus stiltypisch, teilweise mutet er sogar so etwas wie über-typisch an, ohne dabei aber allzu sehr unter jenen Schwächen zu leiden, unter denen der Bristol für 1423 gelitten hat. Zwar schlägt sich ein höherer Alkoholgehalt auch hier nicht unbedingt in einem stabilen Körper nieder, aber er ist zumindest vorhanden, der Alkohol sticht nicht unangenehm und der Rum schmeckt über weite Strecken einfach gut. Das war beim Bristol leider noch ganz anders. Nichts desto trotz wird es gegen stärkere Konkurrenz auch für den S.B.S. schwierig sich zu behaupten, wenn ich dann an Spitzen-Caronis von Velier denke, weswegen er für mich am Ende dann auch nicht in die absoluten Spitzenplätze vordringen kann. Aber er schafft es zumindest mal, die Fahne für seinen Jahrgang hochzuhalten und, gemessen am heutigen Gesamt-Preisniveau, seinen Ausgabepreis wenigstens annähernd zu rechtfertigen, zumindest meiner Meinung nach. Denn die wirklich guten Caroni gibt es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, inzwischen ja auch kaum noch unter 300,- Euro und jene Ausnahmen hat man nicht selten bereits in ausreichender Menge im Schrank stehen. Persönlich habe ich dennoch vom Kauf einer ganzen Flasche abgesehen, auch wenn er mir gefallen hat, einzig: man kann einfach nicht mehr alles kaufen was man gut findet. Klingt also dennoch nach Kaufempfehlung? Jain! So sehr ich gut mit ihm klar komme, aber anderen könnte der Caroni deutlich zu extrem, zu holzlastig, zu bitter sein. Das muss man schon mögen, weswegen hier auch noch deutlicher als sonst also vielmehr die klare Empfehlung rausgeht, den S.B.S. unbedingt selbst zu probieren und ihn nicht rein auf Basis einer Empfehlung zu kaufen.

-89/100-


Bis demnächst,
Flo

Sonntag, 7. Juli 2019

Habitation Velier EMB Jamaica 9 YO Monymusk 2010

Liebe Rum Gemeinde,

Monymusk als das "schwarze Schaf" der Jamaica Rums zu bezeichnen, wäre etwas übertrieben und ganz sicher auch weder fair noch gerechtfertigt. Und doch habe ich, seitdem ich 2011 angefangen habe mich mit Jamaica Rums intensiver auseinanderzusetzen, das Gefühl, dass diese Destillerie unter Connaisseuren sehr deutlich im Schatten von Hampden, Long Pond, Worthy Park oder auch Appleton steht. Heute stelle ich einen Rum vor, der das eindeutige Potenzial dazu hat, solche Sichtweisen langfristig und nachhaltig geradezu umzustoßen!



Der Habitation Velier EMB 2010 ist einer von drei Jamaica Rums, welcher im Rahmen der Habitation Velier Reihe im Frühjahr 2019 von Velier releast wurde. Neben dem Monymusk kamen auch noch ein Hampden HGML aus 2010 und ein Long Pond TECA aus 2005. Wie bisher gewohnt ging der Monymusk dabei, mindestens gefühlt, ein wenig unter neben dem TECA und vor allem dem HGML. Nun mache ich heute schon seit der ersten Zeile keinen wirklichen Hehl daraus, dass für mich bei diesem Rum irgendwas anders ist als bei anderen Monymusk und das möchte ich im Folgenden auch gern erläutern.

Fangen wir zunächst dort an, wo der heutige Rum, zumindest meines Wissens nach, derzeit noch ein absolutes Alleinstellungsmerkmal hat: er ist tropisch gereift. Das ist für einen Monymusk ein Novum! Alles an Rum was uns von dort all die Jahre über unabhängige Abfüller erreichte, wurde in Europa gereift - seien es die ganz alten Monymusk aus 1976 und 1977 oder auch spätere Batches aus den Jahren 1991, 1997, 1998, oder auch aus 2003 oder 2007, um da den Bogen zu neueren Vintages zu spannen. Nun bin ich, bei aller Sympathie für tropische Reife, auch im Jahr 2019 noch kein Dogmatiker und sehe kontinental gereifte Rums nicht minder als solche, die in den Tropen lagen. Es sind eben zwei vollkommen verschiedene Wege, die zu unterschiedlichen (meines Erachtens jeweils sehr guten) Ergebnissen führen. Nun möchte ich der gleich folgenden Verkostung natürlich nicht allzu sehr vorgreifen, aber ich denke im Fall von Monymusk durchaus, dass wir hier heute ein vielleicht doch auch besseres Ergebnis sehen, nicht nur ein anderes, als bei jenen Rums, die Monymusk bei kontinentaler Reife abliefert. Aber dazu gleich mehr.

Der zweite äußerst wichtige Punkt, und ich glaube, dass auch das eine Premiere ist, ist das Mark. Ich habe Rums aller bisherigen Monymusk Batches im Glas gehabt, aber keines davon ähnelte dem, was ich gleich probieren werde. Dementsprechend gehe ich davon aus, dass der Unterschied nicht ausschließlich in der Art der Reife liegt. Das Mark des heutigen Monymusk lautet EMB, was, laut Unterlagen von National Rums of Jamaica, bei Monymusk für Rums mit einem Estergehalt von 240 - 250 gr/hlpa verwendet wird. Velier gibt auf dem Backlabel ein Spektrum von 125 - 280 gr/hlpa an, was den offiziellen Angaben deutlich widerspricht. Eine eindeutige Aussage dazu was da nun genau stimmt kann ich da schwerlich mit Sicherheit treffen, aber für sehr viel wahrscheinlicher halte ich es natürlich, dass die offiziellen Zahlen stimmen werden. Wie dem aber auch immer sei, eines ist klar: der Rum hat einen deutlich höheren Estergehalt als die bisherigen Monymusk, die Europa in all den Jahrzehnten erreichten und das bedeutet natürlich, dass hier neue Facetten der Destillerie zum Vorschein kommen.


Über Bog Estate:

In den Unterlagen von NRJ erfahren wir aber auch noch ein weiteres spannendes und wichtiges Detail. Das Mark EMB bezeichnet nämlich nicht einfach nur eine Ester-Range, sondern es steht darüber hinaus auch noch für Bog Estate, eine im Jahr 1948 geschlossene Destillerie auf Jamaica, die früher in Clarendon, im Süden der Insel, stand. Eine weitere Lost Distillery also, die hier wieder ans Licht kommt! Nach einem Brand vor einigen Jahren scheinen vom ehemaligen Anwesen leider nur noch Ruinen übrig zu sein, aber hier erhält man dennoch ein paar Eindrücke. Was die Geschichte von Bog Estate angeht bin ich, um ehrlich zu sein, noch ein wenig irritiert. Anders als bei anderen historischen Brennereien auf Jamaica sind die Angaben die ich gefunden habe, unter anderem zu ehemaligen Vorbesitzern und zur Gründung der Destillerie, extrem widersprüchlich, weswegen ich hier mit Infos leider noch geizen muss. Festzustehen scheint nur, dass der Stil von damals bewahrt wurde, ähnlich wie wir es bei Vale RoyalCambridge oder Tilston schon im Fall von Long Pond gesehen haben, und heute eben bei Monymusk gebrannt wird. Es handelt sich dabei, laut NRJ, um einen Medium Pot Still Rum, der im Wedderburn Style daher kommt. Und wie sich dieser Stil letztendlich im Glas macht, das sehen wir jetzt!


Verkostung des HabitationVelier Jamaica Rum 9 YO Monymusk 2010:

Preis: die Preise für eine Flasche unterschieden sich zum Teil. Meist wurden zwischen 90,- und 110,- Euro aufgerufen.  

Alter: von 2010 bis 2019 reifte der Monymusk insgesamt 9 Jahre in Fässern. 

Lagerung: die Fässer lagerten bei Monymusk, wurden also komplett tropisch gereift. 

Fassnummern: unbekannt, ebenso wie die genaue Anzahl an Fässern oder Flaschen.  

Angel's Share: >64% sind in 9 Jahren Reifung verdunstet. 

Alkoholstärke: 62% vol. - High Proof.

Destillationsverfahren: der Rum entstammt einer Single Retort Pot Still von Monymusk.

Mark: EMB, das Mark des alten Bog Estate. 

Farbe: tiefes, kräftiges gold-braun, ins Mahagoni gehend. 

Viskosität: es bilden sich nur vereinzelt Tropfen am Glasrand, eine Schlierenbildung findet unregelmäßig und in eher weiten Abständen statt. Nicht sehr fotogen. ;-) 

Nase: eine schöne, deutliche und kräftige Ester-Nase empfängt mich schon nach kurzer Zeit des Atmens im Glencairn Glas. Wow, das gefällt mir richtig gut! Voll und reichhaltig kommt das alles daher, man möchte mit der Nase immer wieder zum Glas. Alkoholische Schärfe ist nahezu gar nicht präsent. Was rieche erinnert mich dann auch erstmal so gar nicht an Monymusk, wie ich es kenne. Ob das an der tropischen Reife liegt oder daran, dass hier möglicherweise ein Mark gebottlet wurde, was es bei anderen UA bisher noch nicht gegeben hat? Ich vermute beides, denn so kenne ich die Destillerie bisher einfach nicht. Gefällt mir sehr, sehr gut! Im Bouquet finde ich die typischen Lösungsmittel und Lacke der Ester, dazu Anklänge von Tabak, Anis, Leder und Holz. Überhaupt steht der Rum sehr auf der trockenen und gereiften Seite. Für 9 Jahre, und selbst für tropische Verhältnisse, ist das hier ein dickes Ausrufezeichen! Eine natürliche Süße schwingt nur ganz dezent mit und fruchtige Komponenten finde ich nahezu gar nicht und wenn, dann sehr undefiniert. Mich erinnert das ganze mehr an einen gereiften Long Pond als an Monymusk! Sehr geil!

Gaumen: der Rum legt sich in der Mundhöhle sofort weich und cremig auf die Zunge. Dann brennt er kurz etwas, aber nicht wild, und ist dann einfach lecker! ... aber auch schon ganz schön bitter! Das wäre wohl meine erste Kurzbeschreibung. Ich bin schon angetan, ihr merkt das sicher bereits. Monymusk kommt am Gaumen jetzt etwas mehr durch, leichte Buttersäure ist wahrzunehmen, aber auch hier ist das ganz weit weg von den Monymusk, die wir bisher so gesehen haben. Das ist alles viel näher an Long Pond dran. Hier fühle ich mich wiederum leicht an den TECA erinnert, allerdings in erheblich moderaterer Form. Wenn ich hier von einer Erinnerung spreche, dann ziele ich da keinesfalls auf eine direkte Vergleichbarkeit. Holz spielt auch am Gaumen eine große Rolle, der Rum hat klare Bitterkeit an Bord, und man merkt ihm seine enorme Reife deutlich an. Niemals würde ich blind wohl auf einen neun Jahre alten Rum tippen. Auch die Farbe demonstriert ja etwas ganz anderes. Wahnsinn! Einzig: der Rum ist wirklich sehr trocken, sehr auf der würzig-bitteren Seite, ganz viel Anis ist auch dabei, so dass für tropische Früchte fast keinerlei Raum bleibt. Da fehlt ihm so ein wenig die letzte Dimension, die ihn für mich dann nahe in die Richtung von Perfektion rücken würde. 

Abgang: viel Holz, dadurch bitter, aber noch nicht unangenehm, und Anis-Anklänge fahren mit. Das macht Spaß. Der Nachklang hält mittellang an. 

-------------------------------------------------------------------------------------------------

Fazit: Velier vermag uns auch im Jahr 2019 weiter zu entertainen und zu überraschen und bringt mit Rums wie diesem etwas bisher so nicht da gewesenes. Vielen Dank dafür! Ich für mich ganz persönlich sehe hier großes Potenzial, die Popularität Monymusks deutlich zu erhöhen, denn der Rum ist für mich ein echtes Brett und das zu einem, für heutige Verhältnisse, durchaus auch sehr fairen Preis. Denn zum einen sind gute Rums unter und um 100,- Euro herum leider selten geworden, zum anderen aber wirkt der Rum über weite Strecken deutlich älter. Und: er steht einem Long Pond z.B. wirklich in kaum etwas mehr nach, meiner Meinung nach! Ein Bottling, das deshalb tatsächlich wie Wasser auf die Mühlen aller Verfechter von Tropical Aging wirkt, das kann man nicht anders sagen. Und ich kann selbst auch nur hoffen, dass in Zukunft noch weitere solcher Rums uns Connaisseure erreichen, denn es zeigt sich hier deutlich, dass Monymusk sehr viel mehr kann, als das was wir bislang zu sehen bekamen. Allen, die Monymusk auf Grundlage genau dieser bisherigen Erfahrungen vielleicht schon abgehakt haben empfehle ich darum mit Nachdruck, bei dieser Abfüllung doch nochmal genauer hinzuschauen. Es lohnt sich wirklich, der kann ganz viel! Ich kaufe inzwischen wirklich selten von einer Abfüllung noch ganze Flaschen, setze fast ausschließlich auf Samples, aber von diesem habe ich mir ein Groß-Sample gegönnt!

-90/100-


Bis demnächst,
Flo