Sonntag, 26. April 2020

Mai Tai mit RA Jamaica Rum 21 YO Hampden 1998

Liebe Rum Gemeinde,

oder vielleicht sollte ich sagen: "Liebe immer stärker gewachsene Rum Gemeinde"? Ja, wir Rum Connaisseure werden immer mehr, das ist in der abgelaufenen Woche einmal mehr sehr deutlich geworden, vor allem hier bei uns in Deutschland, wo es um den neuen RA Jamaica Rum 21 YO Hampden 1998, den ich letzte Woche auf BAT besprochen hatte, ein regelrechtes Hauen und Stechen gab. Heute möchte ich diesem Rum noch einmal widmen, denn ich habe mit ihm einmal DEN Klassiker schlechthin für einen Jamaicaner gemixt, Trader Vic's Mai Tai!


Doch zunächst möchte ich nochmal auf die vergangene Woche zurück blicken. Ja, viele von euch sind leer ausgegangen. Und zum allerersten Mal hatte ich (abseits der großen Velier-Releases) das Gefühl, dass sogar mehr von euch leer ausgegangen sind als erfolgreich waren. Das ist neu, zumindest in Deutschland, das kannten wir bisher in dieser Form im Single Cask Rum Bereich kaum. Ja, klar, auch bei TRC (oder letzten Monat beim REV) gab es schon solche Runs, bei denen es am Ende auch einige enttäuschte Gesichter gab. Seit ca. 2017 kann man sagen, dass es auf die Spitzen-Single Cask-Bottlings von vor allem Hampden mehr Bestellwünsche als Flaschen gibt.  Aber das Verhältnis von Angebot und Nachfrage scheint sich da in letzter Zeit noch einmal sehr deutlich zu Ungunsten des Angebots verschoben zu haben. Das hat sich am Ende des Tages auch in diversen Unmuts-Bekundungen niedergeschlagen, die vereinzelt auch über das Ziel hinaus schossen. Das finde ich frech und unangemessen, denn wer sich in der Rum Szene einigermaßen sicher bewegt, dem sind die Umstände um die Problematik wohlbekannt und der würde auch nicht auf die Idee kommen, dass hier z.B. Shops ihre potenziellen Kunden betrogen haben oder ähnliches. Es ist nun mal einfach schwer und auch mit einer gehörigen Portion Glück verbunden, an diese Bottlings inzwischen heranzukommen.



Aber: es gab sie natürlich auch, die glücklichen, die eine Flasche erhalten haben! Und in erster Linie für jene möchte ich im Folgenden meinen  Lieblingsdrink darreichen, als Standard-Rezept-Idee quasi. Doch auch wer leer ausgegangen ist, dem sei gesagt: der Mai Tai funktioniert auch immer noch mit anderen guten Hampden, von denen die meisten Leser doch zumindest einen auch schon zuhause stehen haben sollten, oder? ;-) Achso, und wenn nicht, einfach mal ein wenig den Markt sondieren. Es ist ja nicht so, als gäbe es keinen Hampden auf der Welt. Die Jagd auf Klopapier war vor wenigen Wochen noch deutlich komplexer. Also: ich bin sicher, das bekommt ihr hin! 8-) Doch nun zum Drink...


Das Rezept meiner Wahl (frei nach Trader Vic):

  • 5,5 cl RA Jamaica Rum 21 YO Hampden 1998
  • 1,5 cl Ferrand Dry Curacao 
  • 1,0 cl Meneau Orgeat
  • 0,5 cl J.M. Cane Syrup
  • 3,5 cl Limettensaft (frisch gepresst!)


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Mai Tai mit RA Jamaica Rum 21 YO Hampden 1998:

In der Farbe unterscheidet sich der Mai Tai kaum bis gar nicht von anderen Mai Tais mit kontinental gereiftem Hampden Rum. Einzig, er ist eventuell minimal dunkler, da der Hampden durch das Kurz-Finish im Demerara Cask etwas Farbe gewonnen hat und der Zuckersirup von J.M., den ich verwendet habe, ein dunklerer ist als bisher immer, aber wenn, dann sind das Nuancen.

Geschmacklich hingegen ist mir das alles doch sehr wohl vertraut. Ich habe den Anteil an Rum ausnahmsweise minimal um 0,5 cl reduziert, um nicht ganz so erschlagen zu werden, wie das manchmal der Fall ist bei verwendetem Rum über 65% vol., aber der Mai Tai ist trotz dessen genau so, wie ich einen Mai Tai mit gut gereiftem Hampden HLCF in Fassstärke erwarte: hoch aromatisch, intensiv, potent, komplex, fruchtig, sommerlich und später, mit etwas Schmelzwasser, dann auch ungemein süffig. Geil! Insbesondere die nach hinten heraus immer wieder sehr schön durchkommenden Noten vom Fass des Hampdens machen das hier wirklich zu einem Erlebnis großer Klasse, das bei jüngeren Hampden manchmal fehlt! Zugegeben: mich hat noch kaum ein Hampden im Mai Tai wirklich mal enttäuscht, aber ich bin dennoch jedes Mal wieder sehr begeistert festzustellen, wenn ein Rum in diesem meinem Lieblingsdrink so hervorragend funktioniert.


Fazit: das ist schon ziemlich gediegen! Ein 21 Jahre alter Hampden in einem Mai Tai... aber ein Drink kann eben niemals besser sein als die schlechteste seiner Zutaten! Hätte Trader Vic 1944 schon einen Hampden im Portfolio gehabt, würde den J. Wray & Nephew 17 YO heute sicher kein Mensch noch kennen. Mit einem Ur-Mai Tai, da bin ich sicher, hat das hier insofern also nicht viel zu tun, aber es ist die Variante, die sich in den letzten 10 Jahren innerhalb der Rum-Nerd-Szene durchgesetzt hat. Zurecht! Der Drink ist und bleibt einfach meine persönliche Rum-Cocktail-Benchmark. Gehe ich in eine Bar, schaue ich mir nur den Mai Tai an und weiß danach ziemlich sicher wie es weitergeht.
Kritik gibt es nur insofern, als dass ich den Drink mit noch höheren Marks (<>H, HGML, C<>H) nochmal besser finde, aber das ist vielen eben auch schon zu extrem und so bin ich mir ziemlich sicher, dass dieser Mai Tai schon auch derjenige ist, der das, was man vielleicht als den "Nerd-Mainstream" bezeichnen könnte, am ehesten abholt. Nun muss man den Rum quasi nur noch zum Mixen zur Verfügung haben... Wenn das der Fall ist, habt keine Scheu das mal auszuprobieren! Der Rum gewinnt durch den Drink meines Erachtens nochmal dazu und solange das gegeben ist, kann es sich schlicht niemals wirklich um Verschwendung handeln, die mir bei derlei Rezepturen leider auch schon mehr als einmal vorgehalten wurde. Aber dem trete ich mit einem deutlichen "Mai Tai roa ae!" energisch entgegen! ;-) In diesem Sinne...

Bis demnächst!
Flo


Sonntag, 19. April 2020

RA Jamaica Rum 21 YO Hampden 1998

Liebe Rum Gemeinde,

Oops, they did it again! Gerade erst hat uns Rum Artesanal im März mit neuen, zum Teil sogar herausragenden neuen Bottlings überrascht, da kommt jetzt schon der nächste Streich aus Bad Bevensen! Und auch dieses Mal dürften wieder einige Augen leuchten... es geht nach Jamaica!



Mit einem klasse Jamaica New Yarmouth aus 2009 und natürlich dem herausragenden Demerara Enmore/Versailles REV aus 1994 gelangen dem deutschen unabhängigen Abfüller Rum Artesanal im letzten Monat März zwei absolute Coups. Beide Rums waren extrem schnell vergriffen, was im Hinblick auf die enorme Qualität nur allzu verständlich war. Nun haben sie nochmal nachgelegt und schieben jetzt Mitte/Ende April noch einen Rum aus der Hampden-Distillery hinterher, die aktuell wohl eine der beliebtesten Destillerien unter Liebhabern authentischen Rums ist.
Und apropos authentischer Rum. Bereits letzte Woche hatte ich hier auf die neue deutsche Facebook-Gruppe "German Rum Association" hingewiesen und möchte die Gelegenheit heute erneut nutzen, euch dazu einzuladen dort beizutreten. Hier entsteht gerade das erste Mal überhaupt im deutschsprachigen Facebook eine Plattform, die sich rein dem Rum widmet und die alles an Spirituosen was den Namen Rum zu unrecht trägt klar und deutlich ausschließt. Es geht dort nur um Rum. Nicht um DP, Z.., D/B, etc.!

Doch zurück zur heutigen Abfüllung!




















Der heute vorgestellte Jamaica Rum 21 YO Hampden 1998 ist ein HLCF, also ein Light Continental Flavoured Rum, was RA erfreulicherweise auch auf ihrem Backlabel angeben. Rums aus diesem Jahrgang wurden bereits von The Rum Cask, aber auch von Rum Nation oder Kill Devil schon abgefüllt und erfreuten sich stets großer Beliebtheit. Denn das Mark HLCF (Estergehalt ca. 500 - 700 gr/hlpa) bringt auf der einen Seite bereits genug Funk mit, um quasi jedem zu demonstrieren, was Hampden ist und was Hampden kann, und auf der anderen Seite ist es noch Smooth genug, um nicht nur von Hardcore-Nerds und Ester-Fetischisten genossen werden zu können. Das kommt, verständlicher Weise, extrem gut an! Nun wären RA ja aber nicht RA, wenn sie nicht auch zu diesem Rum nicht wenigstens eine kleine Geschichte zu erzählen hätten. Und in diesem Fall ist das tatsächlich ziemlich witzig, denn der Rum hatte sozusagen ein "Mini-Finish", nämlich im Fass des im März abgefüllten REV, da man das Hampden-Fass für ein anderes Projekt zeitnah benötigte und das REV-Fass gerade "frei" war. So brachte der Hampden auch noch zwei Wochen in jenem Fass zu, der zuvor den Rum enthielt, der eben noch alle elektrisiert hatte. Ob man davon was merkt? Abwarten, es klingt alles doch eher nach einer Anekdote, aber wer weiß ;-) Abgefüllt wurden insgesamt 276 Flaschen des Fasses #45 aus dem Stock von Rum Artesanal und bei 65,9% vol. kommt der Rum natürlich in Fassstärke zu euch!

Im Sinne der Transparenz sei erwähnt, dass ich Ende März ein kostenloses Sample dieses Rums von Dominik (RA) zur Verkostung erhielt, sowie eine Flasche des Rums für ansprechende Bebilderung. Vielen lieben Dank dafür!



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Verkostung des RA Jamaica Rum 21 YO Hampden 1998:

Preis: für 0,5 Liter Hampden 1998 müssen ca. 90,- Euro auf den Tisch gelegt werden. Das darf man durchaus preiswert nennen!

Alter: der Rum lag von Dezember 1998 bis April 2020 im Fass und ist somit 21 Jahre alt. 

Lagerung: da Hampden vor der Schließung 2003 keinen Rum selbst reifen ließ, lagerte der Rum die gesamten 21 Jahre über in kontinentalem Klima. 

Fassnummer: Cask #45 ergab insgesamt 276 Flaschen. 

Angel's Share: ca. 20% gingen an glückliche Engel.

Alkoholstärke: mit potenten 65,9% vol. kommt der Rum daher - Fassstärke!

Destillationsverfahren: der Rum stammt aus einer Double Retort Pot Still.

Mark: HLCF (Hampden Light Continental Flavoured)

Farbe: der Rum kommt in einem satten, dunklen, goldenen Stroh daher. 

Viskosität: an der Glaswand bilden sich eher enge, parallel aber unregelmäßig verlaufende Schlieren, die recht zügig am Glas hinab fließen. 

Nase: zu Beginn empfängt der Rum meine Nase noch sehr verwoben und konzentriert. Der Alkohol sticht doch erstmal ordentlich und es braucht einige Zeit, bis das Bouquet des Rums wirklich durchkommt und ich meine Nase auch ein wenig näher zum und schließlich auch ins Glas halten kann. Nach ca. 45 Minuten macht er langsam auf und gibt Preis, was man von einem gereiften HLCF Hampden seines Alters und seines Estergehalts an dieser Stelle erwartet. Dann strömen die Ester aber nur so auf einen ein. Sehr, sehr kräftig und intensiv kommen die Klebstoff- und Lösungsmittel-Assoziationen und sie bringen einiges an Fruchtigkeit und Säure mit, wobei sich letztere zur Freude sicherlich vieler sehr in Grenzen hält. Gebackene Banane, gegrillte Ananas, Zitrusfrüchte, das ganze aber durchaus auch schon ergänzt mit sehr schönen gereiften Noten vom Fass, wie Vanille oder Toffee, die erkennen lassen, dass dieser Rum kein ganz junger mehr ist. Die Jugendlichkeit, die die TRC Bottlings z.B. immer noch ausgestrahlt haben, scheint vorüber zu sein. Dadurch vermittelt der Hampden bereits zu diesem Zeitpunkt eine Ausgeglichenheit, die vielen sehr, sehr gut gefallen dürfte! Die Nase, das kann man nicht anders sagen, macht wahnsinnig Spaß! 

Gaumen: der erste Schluck und direkt ist klar, dass ich hier einen der besseren Hampden vor mir habe. Toller erster Eindruck! Der Rum kommt dezent adstringierend, so dass es einem leicht die Schleimhäute zusammenzieht. Grundsätzlich gut eingebunden ist auch der Alkohol, allerdings zeigt er sich durchaus präsent, was aber bei fast 66% vol. nicht verwunderlich ist. Es braucht daher eine kleine Weile, bis die Zunge ihn gebändigt hat. Größere Schlücke machen aber aus Spaß tatsächlich schnell Ernst, da wird der Hampden dann garstig ;-). Geschmacklich würde ich sagen, dass der Rum schon sehr typisch Hampden HLCF ist. Wer da schon mal was kontinental gereiftes in dieser Richtung hatte, wird das hier wiedererkennen. Heißt: zunächst habe ich natürlich die Ester, die sich am Gaumen fruchtig auswirken und mir einen ganzen Obstkorb bringen, in dem Banenen, gegrillte Ananas und Zitrusfrüchte dominieren. Damit einher geht eine schöne, natürliche Süße, die wiederum übergeht in Assoziationen zu mediterranen Antipasti. Dahinter wird der Rum dann trockener. Nun kommen erdige Anklänge von Humus und Haselnuss hervor, dazu Anis und leichte Tannine. Gerade im Vergleich zu jüngeren 1998ern weist der Rum eine deutliche Fassreife auf, ohne deshalb allerdings rundgelutscht zu sein. Gefällt mir sehr gut bis hier hin!

Abgang: sehr nussiger Abgang, als wollte er uns alle nochmal daran erinnern, dass der Jahrgang 1998 inzwischen erwachsen geworden ist. Auch die Ester geben dann ihre Abschiedsvorstellung, der Rum ist dementsprechend äußerst langanhaltend. Spitze! Achso, und: erinnert ihr euch noch an den Gag mit dem REV-"Finish"? Das spielte für die Verkostung letztlich wirklich keine Rolle - bis jetzt! Denn ganz peripher ist nun Pflaume wahrzunehmen, da kommt tatsächlich das REV-"Finish" etwas heraus! Großartig, weil weder aufdringlich noch unpassend! Herrlicher Twist!

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Fazit: Leider Geil! Letztlich, und im Hinblick auf schon so viele Hampden, die ich hier vorgestellt habe, kann ich sagen, dass man hier in erster Linie zunächst einmal das bekommt, was man sich erhofft und wohl auch erwartet hat, wenn einem die 1998er Hampden gefallen. Soll heißen: nein, die ganz großen Überraschungen bleiben für's erste aus, und eine Ester-Party wie bei 1990 oder 2001 ist das natürlich auch nicht, aber man bekommt, was man vom HLCF-Jahrgang 1998 erwartet. Unaufgeregte Weltklasse, noch dazu im für Hampden besten Alter mit 21 Jahren. Das ist für die allermeisten schon mehr als genug, bekommt man einen Top-Hampden ja nun auch nicht gerade alle Tage, und bis zum Abgang wäre es das mit meinem Fazit dann im großen und ganzen wohl auch schon gewesen, aber dann kam eben jener Abgang und hat das alles nochmal auf links gedreht. Plötzlich war da nämlich doch eben jenes REV-Finish, welches man über die Verkostung schon beinahe wieder vergessen hatte, weil es weder sonderlich ernst gemeint noch wahrnehmbar schien. Aber der REV hat es in den Hampden geschafft. Nicht sehr prominent, aber als Sidekick und damit in einer Weise, die vermutlich die einzige ist, in der das überhaupt funktionieren konnte, denn normalerweise eignen sich Hampden Rums für ein Finish meines Erachtens gar nicht. Hier kommt das aber nicht störend, sondern eher wie ein genialer Twist. Connaisseure, die den REV nicht kennen, nehmen vielleicht noch nicht einmal wahr, dass da noch was anderes mit drin steckt. Wie ein Ton-Schnipsel in einem Musikstück, das so geschickt in den Track eingewebt wurde, dass man fast ein Kenner sein muss, um die Hommage zu herauszuhören. So muss man sich das hier vorstellen. Mir gefällt das richtig gut und es hat den Rum in meiner Gesamtwertung sicher nochmal 2 Punkte nach oben gebracht und damit in Bereiche, die ich normalerweise nur an Hampdens mit noch höherem Estergehalt vergebe. Aber die haben kein REV-Finish. 8-)


-93/100-

Bis demnächst,
Flo

Sonntag, 12. April 2020

Velier 100° Heavy Trinidad Rum 23 YO Caroni 1994

- Rehabilitierung eines Rums!


Liebe Rum Gemeinde,

ich wünsche euch zunächst einmal allen ein Frohes Osterfest am heutigen Oster-Sonntag! Passend dazu habe ich für euch heute auch eine Art Oster-Ei, denn beschäftige ich mich auf BAT zum ersten Mal mit einer Abfüllung zum zweiten Mal, also mit einem Rum, den ich hier schon einmal für euch besprochen hatte und nun eben noch einmal auf den Tisch bringe. Warum ich das mache? Weil es mir bereits seit langem ein großes Anliegen ist, den Velier 100° Heavy Trinidad Rum 23 YO Caroni 1994 quasi zu rehabilitieren, nachdem er bei seiner Erst-Besprechung -zu unrecht- nicht gut weg kam!


Angedeutet hatte ich dieses bereits auf Facebook in einer neuen, dort geschaffenen Gruppe, der German Rum Association, womit mir an dieser Stelle ein kurzer Hinweis in eigener Sache gestattet sei. Die German Rum Association hat es sich zur Aufgabe gemacht, authentischen, also ungesüßten und auch sonst unbehandelten Rum im deutschsprachigen Raum auf Facebook zu vertreten, da es eine solche Gruppe dort bisher nie gegeben hat. Sie stellt somit eine hervorragende Ergänzung zum bisherigen Angebot an Gruppen mit auf Rum basierenden Spirit Drinks dar (leider vermitteln diese damit aber den Eindruck, dass es sich bei jenen Spirituosen tatsächlich um Rum handeln würde) und sieht sich dementsprechend auch nicht als Konkurrenz bereits bestehender Gruppen. Viele der erfahrensten Rum Connaisseure Deutschlands, aber auch aus dem Ausland, tummeln sich bereits in der GRA und tauschen sich rege aus, ohne, dass ständig Liebhaber von Spirit Drinks (die Marken sind bekannt und werden hier an dieser Stelle nicht beworben) mit ihren immer gleichen Bildern dazwischenhauen. Wer meinen Blog regelmäßig verfolgt, aber auch wer gerade erst neu dabei ist, aber wissen möchte was Rum wirklich ist und keine Lust hat, sich da von der Industrie blenden zu lassen, dürfte in unserer Gruppe gut aufgehoben sein und ist Herzlich Willkommen!

Hier noch einmal der Link zur Gruppe: German Rum Association auf Facebook

Doch nun zurück zum heutigen Rum.


Rückblick:

Wir schreiben das Jahr 2017. In jenem Frühsommer, ziemlich genau drei Jahre ist das jetzt immerhin schon her, kamen eben dieser 23 Jahre alte Caroni aus 1994 und ein 21 Jahre alter Caroni aus 1996 im Doppelpack auf den Markt. Zu diesem Zeitpunkt ist es gerade einmal ein paar Monate her, dass es mit den Preisen für die Velier Caroni (vor allem der Kirsch Caroni schien diesen Status zementiert zu haben) endgültig und unwiderruflich in Richtung Mond ging und so waren, neben den vielen Caroni-Liebhabern, dementsprechend auch die Spekulanten auf den Plan gerufen. Und trotz dessen, dass sich bei dieser Abfüllung (und auch beim 21 YO) die Ausgabepreise erstmals an denen des Secondary Market orientierten (290,- Euro wurden aufgerufen), war die Abfüllung bei LMDW  innerhalb von nur wenigen Minuten vergriffen und viele gingen davon aus, dass damit auch der gesamte Stock bereits ausverkauft war. Eine kapitale Fehleinschätzung, wie sich herausstellen sollte, denn 3.200 Flaschen sind eben doch schon eine ganze Menge und der Rum tauchte in der Folge in ganz Europa in vielen Shops noch auf. Das, und aber auch die Tatsache, dass der Rum damals eher negative Kritiken erhielt, führte dazu, dass, aus Sicht der Spekulanten, statt schnellem Wertzuwachs für diese Abfüllung plötzlich der totale Kurs-Verlust stand, an dessen negativer Spitze der Marktwert des Rums sogar noch unter dessen Ausgabepreis rutschte und lange Zeit bei ca. 250,- Euro stagnierte. Diese Geschichte, das negative Image als Caroni mit dem man weder eine gute Investition gelandet, noch einen tollen Rum zum trinken bekommen zu haben schien, haftet dem gelben 23er bis heute an.




















Nun habe, wie schon erwähnt, auch ich den Rum damals nicht sonderlich gut bewertet. Mir war er seinerzeit zu holzig, zu bitter, zu extrem. Meine Verkostung im Sommer 2017 basierte allerdings auf einem Sample, das aus einer frisch geöffneten Flasche stammte. Als ich den Rum einige Monate später erneut probierte, stellte ich fest, dass der Luft-Kontakt hier einiges bewirkt und den Rum positiv verändert hat. Dieser Eindruck bestätigte sich schließlich auch bei späteren Verkostungen immer wieder, weshalb ich mich schließlich genötigt sah meine Eindrücke zu korrigieren, was ich dann auch in den Reviews zum 18 YO Hangar 1994 und zum 23 YO Orange 1994 getan habe. Gerade im Vergleich zum letzteren zeigte sich in verschiedenen Verkostungen, dass nahezu keine Unterschiede bei den Abfüllungen bestehen. Wer Orange liebt, wird auch Gelb lieben! Allerdings finden immer noch viele Leser, wenn sie nach dem Rum suchen, das alte Review und nehmen an, dieser Rum käme bei mir noch immer nicht sonderlich gut weg. Daher möchte ich den Rum heute in einem eigenen Artikel neu besprechen und ihm auf diese Weise die Ehre zuteil werden lassen, die er aus meiner Sicht verdient! 



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Verkostung des Velier 100° Heavy Trinidad Rum 23 YO Caroni 1994:

Preis: für 290,- Euro bekam man im Sommer 2017 eine Flasche dieses Rums zum Ausgabepreis. Heute liegt er leicht über diesem Preis, bei ca. 350,- Euro. 

Alter: der Rum lag von 1994 bis 2017 im Fass, ist also 23 Jahre alt.

Lagerung: von 1994 bis 2008 reifte der Caroni bei der Destillerie auf Trinidad und ab 2008 bei DDL in Guyana. Somit zählt er zum sog. Guyana Stock und ist, wie alle Caroni von Velier, zu 100% tropisch gereift.

Fassnummern: unbekannt. Bekannt ist lediglich, dass 3.200 Flaschen abgefüllt wurden. Dementsprechend dürften ca. zehn bis fünfzehn Fässer in dieses Bottling geflossen sein.

Angel's Share: >85% gingen an die Engel.

Alkoholstärke: 100° Imperial Proof - der Rum kommt mit 57,18% vol. daher!

Destillationsverfahren: unklar.

Mark: HTR - Heavy Trinidad Rum

Farbe: dunkles Mahagoni.

Viskosität: der Rum bildet weite regelmäßige und parallelen Schlieren an der Glaswand. An dem für die Fotos verwendeten Glencairn ist das allerdings schwer einzufangen. Im Ballonglas sieht man es besser, aber es soll ja nicht immer nur das gleiche Glas zu sehen sein. ;-)

Nase: großes Kino! Eine wirklich außergewöhnlich schwere und stark gereifte Spirituose springt mich schon direkt aus dem Glas heraus an! Klar, da ist zunächst einmal auch etwas Alkohol, der sich aber rasch verflüchtigt und wirklich sehr gut eingebunden ist, und ich habe auch die für Caroni so typischen Klebstoff- und Lösungsmittelnoten zu beginn dabei, aber direkt dahinter rollen dann auch schon die Tannine mit ganz schwerem Geschütz an. Was mich vielleicht zu Beginn meiner Leidenschaft noch leicht überforderte und eher zu gefälligeren Caroni tendieren ließ, holt mich hier inzwischen total ab jetzt. Und obwohl die dreckigen Komponenten, die wir an Caroni alle so sehr lieben hier schon extrem in den Hintergrund gedrängt werden sind sie noch da und lassen den Rum, aus meiner Sicht, daher auch nicht überreift wirken. Selbst fruchtige Parts von Mangos und Papayas finde ich beim peripheren Nosing noch problemlos. Dazwischen aber natürlich immer wieder geballte Tannine, in einer Weise, wie ich da immer mehr total drauf abfahre. Dazu kommt das alles mit einer Intensität daher, die selbst für Caroni-Verhältnisse schon durchaus bemerkenswert ist. Richtig komplex, intensiv und kräftig strömt immer wieder das volle gereifte Caroni-Bouquet durch meine Nase. Ein Traum, für den ich hier leider nicht annähernd genug Worte finde, um ihn hinreichend zu beschreiben! Immer wieder findet die Nase kleine Eindrücke, die so zuvor nicht da gewesen zu sein schienen. Ein Rum, der es verdient, dass man sich viele Stunden mit ihm auseinander setzt. Und wenn man das tut und ihn wirklich lange und über Stunden stehen lässt, kommen auch noch fleischige Komponenten dazu, wobei mir das weniger gut gefällt. Aber es demonstriert sehr eindrucksvoll, wie sehr sich der Rum im Glas eben entwickelt. 

Gaumen: am Gaumen macht sich die geringfügige Verdünnung dieses Rums nahezu gar nicht bemerkbar. Zwar bilde ich mir ein, dass ein paar Tropfen Wasser zumindest minimal wahrnehmbar sind, aber in irgendeiner Weise relevant für das Trinkvergnügen ist das nicht. Da ist nichts verwässert, das passt alles. Der Alkohol ist gut ins Destillat eingebunden, wenn gleich man bei größeren Schlücken schon etwas aufpassen muss. Der erste Eindruck am Gaumen ist dann sehr typisch Caroni, wenn auch "in a darker way". Der Rum kommt erstmal sehr adstringierend und ist wirklich mundfüllend. Ich habe gleich diese schöne, intensive aber natürliche Süße, die ich vor allem den Caronis aus dem Guyana Stock zuschreibe und dazu dreckige als auch fruchtige Anklänge, die sich mit den Tanninen ausgezeichnet verstehen. Letztere sind dann auch direkt das Stichwort, denn sie bestimmen hier schon sehr wesentlich den Gesamteindruck. Aus meiner Sicht ist das nicht negativ, ich mag das bitter-herbe von Schokolade mit extrem hohem Kakao-Anteil, dass sie hier mit hineinbringen sehr gern, aber das muss man eben auch mögen, um mit diesem Rum konform gehen zu können. Daneben spielt auch Anis groß auf, wie so oft bei lange und intensiv gereiften Spirituosen und die Guyana Süße kommt immer noch sehr lange immer wieder durch, bis das ganze dann doch immer trockener und auch bitterer wird und dann noch stärker an eben jene Schokolade erinnnert. Großartig! Sicherlich nicht leicht zugänglich, aber großartig!

Abgang: der Abgang ist schon sehr dark, das kann man nicht anders sagen. Hier regieren die Tannine nach gut dünken und wenn überhaupt, dann zeigt der Rum an dieser Stelle vielleicht eine einzige kurze Schwäche, aber im Prinzip auch nur dann, wenn man auf diese extreme Reife ohnehin nicht so steht. Ansonsten ist das hier genau der Abgang, den man von diesem Rum erwarten konnte, durfte und musste, und den er verdient hat. Ewig langer Nachhall, trockener und bitterer werdend. Lindt 95% Schoki. Brilliant!

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Fazit: ich muss mich in aller Form entschuldigen! Was diesen Rum betrifft, so war mein erster Eindruck damals eine Fehleinschätzung, wie sie mir nicht häufig passiert. Mir fällt so spontan auf jeden Fall kein anderer Rum ein, bei dem sich meine Meinung so fundamental geändert hat. Allerdings fällt mir auf Anhieb auch kein anderer Rum ein, der sich in der geöffneten Flasche über Monate so positiv verändert hat. Das ist schon höchst bemerkenswert! Ebenso beachtlich ist es aus meiner Sicht aber auch, wie wenig diesem Rum tatsächlich noch immer die Beachtung und Wertschätzung entgegen gebracht wird, die er verdient. Dieses war die letzte große (bezahlbare und verfügbare) Abfüllung aus dem fantastischen Vintage 1994 und sie ist sensationell gut! Klar, ich habe mich damals in meiner Einschätzung getäuscht, aber hat denn da außer mir sonst niemand zwischendurch nochmal probiert und gemerkt, was da los ist? Okay, gut, die Abfüllung liegt mit ca. 350,- Euro inzwischen immerhin zumindest wieder etwas über dem damaligen Ausgabepreis, aber wenn man sich mal andere Caroni dieser Qualitätsstufe ansieht und dazu die Randdaten hier nimmt, dann muss man eigentlich zu dem Schluss kommen, dass die Flasche eher noch ein paar hundert Euro darüber liegen müsste. Das sie das nicht tut und das wohl auch in absehbarer Zeit nicht passieren wird ist ein großer Glücksfall für die Connaisseure und damit jene Menschen, die den Rum auch trinken möchten. Dieser Caroni ist im Hinblick auf das PLV für mich derjenige, den es aktuell im Grunde zu kaufen gilt. Nirgendwo bekommt man mehr und besseren Caroni für sein Geld ohne sich gleichzeitig sorgen zu müssen, dass wenn man die Flasche öffnet, gleich ein halbes Vermögen dabei flöten geht. Unbeschwerter Genuss, abseits jeder Spekulation: bei diesem Rum geht das noch!

-96/100-

Bis demnächst und noch ein Frohes Osterfest weiterhin,
Flo


Sonntag, 5. April 2020

Velier FP Heavy Trinidad Rum 17 YO Caroni 1994

Liebe Rum Gemeinde,

heute möchte ich im Grunde nahtlos dort weitermachen, wo ich vor genau zwei Wochen aufgehört habe. Nach dem 17 jährigen Velier Caroni 1994 High Proof kommt nun also auch der dazu gehörige Full Proof ins Glas!



Und weil ich mich in der Introduction letzte Woche hauptsächlich mit dem ikonischen Label des Caroni auseinander gesetzt habe, möchte ich mich heute ergänzend dazu der historischen Einordnung dieses Rums widmen. Diese habe ich beim letzten Mal noch bewusst heraus gelassen, da ich sonst heute nicht mehr viel zu erzählen gehabt hätte ;-) Zum Label des Full Proof sei allerdings noch kurz angemerkt, dass auch dieses den Trinidadian mit dem Strohhut zeigt, der schon auf dem Label vom High Proof abgebildet war, allerdings von hinten und an der Zuckerrohr-Ernte arbeitend. Doch nun direkt zum historischen Kontext.




















Beide Rums, also sowohl der High- als auch der Full Proof erschienen im Jahr 2011 mit jeweils 17 Jahren tropischer Reife im Fass. Damit waren die beiden sowohl die bis dahin jüngsten von Velier abgefüllten Caroni überhaupt, als auch 1994 der bis zu diesem Zeitpunkt jüngste je gebottlete Caroni-Jahrgang innerhalb der Range von Velier. Damals gab es vom italienischen Abfüller weder Caronis aus 1996, 1998 oder 2000. Damit schließt sich heute gewissermaßen auch ein Kreis, denn es ist ausgerechnet der Jahrgang 1994, der heute der älteste ist, von dem Velier noch Fässer besitzt, wenn auch mit sechs Stück an der Zahl (ein siebtes lief leider aus) nur sehr wenige. Keine Premiere war hingegen die Doppelreifung bis 2008 auf Trinidad und danach, ab 2008, bei DDL in Guyana. Aus dem so genannten Guyana Stock waren nämlich genau ein Jahr zuvor, im Jahr 2010, auch schon zwei 1992er Caroni mit 18 Jahren abgefüllt worden, die viele auf Grund ihrer Label vermutlich nur als "Cow" kennen. Fairerweise muss man allerdings berücksichtigen, dass dieser Besonderheit damals kaum Beachtung geschenkt wurde. Aus Gründen die heute wohl kaum noch jemand nachvollziehen kann, wurde nämlich den Caroni im Allgemeinen damals noch kaum größere Bedeutung beigemessen. Nicht zuletzt deshalb erklärt sich, dass die Caroni zum damaligen Zeitpunkt noch für Preise zu beziehen waren, von denen man heute nur noch träumen kann. Ob allerdings die heutigen Kurse zurecht gezahlt werden, werden wir uns u.a. in der folgenden Verkostung ansehen. Denn ob es der eine oder andere Caroni-Kritiker wahrhaben möchte oder nicht: die Grundlage für die heutigen und zum Teil exorbitanten Kurse für die Velier Caroni ist deren Geschmack. Das heißt nicht, dass sie von allen auch zum trinken gekauft werden, natürlich sind sie leider auch zu Spekulationsobjekten geworden, aber würde uns ihr Inhalt nicht immer wieder vollkommen von den Socken hauen, wären die Verhältnisse wie wir sie heute haben nicht darstellbar.


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Verkostung des Velier 17 YO FP Caroni 1994:

Preis: der Ausgabepreis wird 2011 noch bei vielleicht 80,- Euro ca. gelegen haben. Inzwischen kostet eine Flasche deutlich über 1000,- Euro. 

Alter: von 1994 bis 2011 reifte der Rum 17 Jahre lang im Eichenfass.

Lagerung: die Reifung fand von 1994 bis 2008 auf Trinidad und von 2008 bis 2011 bei DDL in Guyana statt. Somit ist der Rum zu 100% tropisch gereift.

Fassnummern: unbekannt. Das Backlabel verrät aber, dass sieben Fässer verwendet wurden, die insgesamt 2293 Flaschen ergaben. Somit ist diese Abfüllung wesentlich limitierter gewesen als der High Proof.  

Angel's Share: ohne Angaben. Anhand anderer Abfüllungen muss aber von mindestens 70% und mehr ausgegangen werden. 

Alkoholstärke: Full Proof - der Rum kommt mit starken 62,3% vol. daher!

Destillationsverfahren: unklar.

Mark: HTR - Heavy Trinidad Rum

Farbe: dunkles Mahagoni.

Viskosität: weite, gleichmäßige und parallele Schlieren laufen langsam und träge an der Glaswand herab, zurück ins Glas.

Nase: in der Nase präsentiert sich der Rum erstmal wesentlich verhaltener als sein kleiner Bruder, der High Proof. Zwar findet man das Caroni-typische Profil auch hier direkt mehr als deutlich vor, aber das alles kommt bei voller Stärke doch wesentlich verwobener und konzentrierter daher als in verdünntem Zustand und auch der Alkohol feuert und sticht zu Beginn ganz ordentlich. Dann aber, nach etwa einer Stunde des Atmens im Glas, wandelt sich das merklich. Der Alkohol wirkt jetzt plötzlich perfekt eingebunden und der Rum macht richtig schön auf! Wow! Nun habe ich auch hier alles, was ich beim High Proof schon so richtig, richtig gut fand! Tief, voll, komplex und reichhaltig zeigt sich der Full Proof. Auch hier treten nun die dreckigen Assoziationen zu Schrottplatz, Lösungsmitteln, Holzlack, Öl, Teer, verbranntem Gummi auf, gepaart mit fruchtigen Mango und Papaya, aber auch reifen Tanninen, die hier auch schon ein wenig deutlicher ausfallen als beim High Proof. Nach hinten heraus habe ich ganz viel Anis und auch etwas Menthol. Letzteres wird stärker, je länger der Rum im Glas verweilt. Gerade zum Ende hin, auch eine wirklich schöne Nase!

Gaumen: in einem Wort? Perfektion! Ich muss lange überlegen, wann mich das letzte Mal ein Rum am Gaumen so sehr abgeholt und sogar seine Nase noch getoppt hat (anders herum kommt das dagegen häufiger vor)! Der Rum ist tatsächlich ALLES, was man sich von einem Caroni nur vorstellen und wünschen kann! Vom Start weg geht es hier wirklich brachial, im positivsten Sinne, zur Sache. Der Rum ist unglaublich stark, wirklich sehr, sehr kräftig, was aber nicht bedeuten soll, dass sich der hohe Alkoholgehalt in irgendeiner Weise negativ bemerkbar machen würde. Im Gegenteil, der Alkohol ist super eingebunden! Bedingt durch den Verzicht auf die Zugabe von Wasser zeigt sich der Full Proof am Gaumen dementsprechend natürlich auch wesentlich konsistenter und damit für mich besser als sein kleiner Bruder der High Proof. Der Rum kommt wahnsinnig mundfüllend daher und zeigt sich auch adstringierend zu Beginn. Große Schlücke sind also durchaus eine kleine Herausforderung, wobei das sehr auf den individuellen Geschmack ankommt. Im Folgenden zeigt sich dann erstmal der volle Caroni-Einschlag und diese geile und für die ab 2008 in Guyana gereiften Caroni so typische natürliche Süße am Gaumen. Und diese zeigt sich hier, wie ich finde, wirklich sehr, sehr deutlich und macht ganz viel Spaß! DAS ist für mich Caroni in Perfektion! Der Rum hat na klar die dreckigen Komponenten, ihr kennt meine Assoziationen dazu, die sind hier alle vorhanden. Es ist noch einiges an Brennerei-Charakter da, was man vor allem bei den späteren und zumeist länger gereiften Caroni immer seltener noch sieht, allerdings sind durchaus auch bereits sehr ausgeprägte Tannine am Start, was mich nahe an den Verdacht bringt, dass wenn es wirklich den einen Zenit bei der Reifung gibt, dass dieser dann in diesem Rum ziemlich gut getroffen worden sein könnte. Ebenfalls nicht unerwähnt lassen möchte ich, wie gut mir der Rum peripher und nach hinten heraus gefällt. Da findet man wirklich immer nochmal was neues und es setzt sich einfach nur ein unglaublich geiler Caroni-Geschmack im Mund fest. Irre gut!

Abgang: im Abgang zeigt sich der Rum würzig-warm und dann trockener werdend. Es gibt noch einmal den kompletten Caroni-Einschlag, inklusive einem wirklich langen Nachhall. Großes Kino!

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Fazit: dieser Rum ist ohne jeden Zweifel einer der besten Caroni aller Zeiten, der zugleich zeigt, wie unterschätzt der Jahrgang 1994 bei vielen noch immer ist! Denn wenn nach den Top Jahrgängen von Caroni gefragt wird, dann fallen sofort die Jahrgänge 1992 und 1996 und bei vielen auch das Jahr 2000, aber 1994 steht da immer so ein wenig hinten an, so mein Gefühl. Tatsächlich rangiert dieser Jahrgang für mich aber mindestens gleichauf mit 1992 und 1996 und ich finde ihn mit großem Abstand besser als den Jahrgang 2000! Mit Schuld an der vermeintlichen Stiefmütterlichkeit 1994' ist mit einiger Sicherheit auch der bei vielen noch immer schlecht gelittene 23 YO mit gelbem Label und 100° Proof, der im Allgemeinen Boom der Velier Caroni bis heute noch immer eine kleine Ausnahme darstellt. Doch dazu hier in Kürze nochmal mehr. Zum heute besprochenen 17 YO Full Proof kann ich nur sagen, dass ich ihn zu jenen Caroni zählen muss, die man als Liebhaber dieser Lost Distillery meines Erachtens mindestens einmal in seinem Leben im Glas gehabt haben sollte, so wie jeden Caroni, der die magischen 95 Punkte geknackt hat. In meine ewigen Top 5 habe ich ihn bereits auf Platz 4 stehend eingepflegt, gleichauf mit dem 20 jährigen 1992 Full Proof aus der Hangar Serie. Das allein spricht glaube ich für sich, wo und wie ich diesen Rum auch geschichtlich einordne. Outstanding Stuff!

-97/100-

Bis demnächst,
Flo