Liebe Rum Gemeinde,
heute kommt nicht weniger als eine absolute Legende auf den Tisch, nicht wenige würden wohl sogar sagen die Legende: der Skeldon 1978 von Velier, ein 27 Jahre alter Demerara Rum! Auf die Besprechung genau dieses Tropfens habe ich mich dementsprechend auch schon lange gefreut!
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© E.H. |
Ich glaube, um es direkt frei heraus zu sagen, dass wir uns heute ganz viel drum herum reden sparen können. Wenn die Begriffe Skeldon und Velier in einem Atemzug fallen, dann weiß mutmaßlich jeder den ich zur unmittelbaren Zielgruppe dieses kleinen Blogs zählen würde, worum es geht. Erklärungen unnötig. Legenden-Zeit! Schon im Review zum Skeldon 2000 und zum Skeldon 1973 habe ich einige Worte über diese ehemalige Destillerie verloren, deren Stil allerdings bis heute erhalten werden konnte. Inwieweit dieser noch jenem originalen Skeldon-Style aus den aktiven Tagen der Destillerie entspricht kann heute freilich niemand mehr mit absoluter Gewissheit sagen, schließlich war bei Skeldon (gegründet zwischen 1802 und 1834) bereits im Jahr 1960 schon Schicht im Schacht. Beurteilen können wir lediglich noch das Erbe Skeldons, welches mich bisher, ihr werdet es in den Reviews nachlesen können, nicht restlos überzeugen konnte. Da es über den heute vorgestellten Rum hinaus keinerlei länger gereiften Stoff im Skeldon Style gibt, ist das dementsprechend sogar schon so etwas wie die letzte Chance für Skeldon, doch noch bei mir zu punkten ;-)
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Verkostung des Velier 27 YO Skeldon 1978:
Preis: der Ausgabepreis lag damals bei geschätzten ca. 120,- Euro. Der heutige Wert einer Flasche liegt bei ca. 6.000,- Euro und mehr.
Alter: das offizielle Alter beträgt 27 Jahre, nachdem der Rum von April 1978 bis April 2005 in Eichenfässern lag.
Lagerung: die Fässer lagen von 1978 bis 2005 in Guyana unter der tropischen Sonne.
Fassnummern: keine Angaben, allerdings waren es insgesamt drei Fässer, die zusammen 688 Flaschen ergaben.
Angel's Share: unbekannt. Er wird aber, gemessen daran, wie hoch er z.B. beim UF30E ausgefallen ist, bei über 90% gelegen haben.
Alkoholstärke: Full Proof - der Skeldon 1978 kommt mit starken 60,4% vol. daher.
Destillationsverfahren: der Rum wurde vermutlich mit der Metal Coffey Still von Blairs gebrannt, somit handelt es sich um einen Column Still Rum.
Mark: SWR
Farbe: eine unfassbare, schon fast unwirkliche Farbe für einen Rum! Ganz, ganz dunkel, vom braune ins rötliche gehend. Das ganze mutet ein wenig wie Cola, Sirup oder Balsamico Essig an, vor allem, wenn man den Rum ein wenig im Glas schwenkt. Ich erinnere mich nur an einen Rum den ich je im Glas hatte, der das noch getoppt hat, aber diese Erinnerung ist keine positive, daher sei sie blitzschnell wieder vergessen.
Viskosität: parallele, unregelmäßige Schlieren laufen von der Glaswand hinab, ins Glas zurück.
Nase: BOAH! Ja, das geht sehr nahe an Perfektion! Oder ist diese hier bereits erreicht oder gar übertroffen? Insgesamt ist das keine Premiere, ich habe den Rum schon das dritte und vierte Mal im Glas, aber es ist im Rahmen der Verkostung für den Blog das erste Mal, dass ich ihn wirklich mal in Ruhe und nur für mich trinke, statt in Gesellschaft. Bei letzterem liegt der Fokus naturgemäß nicht rein auf dem Destillat, was ja auch gut und richtig so ist. Und heute, ich kann das nicht anders formulieren, haut er mich in der Nase gerade sprichwörtlich um! So etwas intensives, reichhaltiges und komplexes sieht man wahrlich nicht alle Tage! Zunächst ist da natürlich auch noch etwas Alkohol, der, wenn man die Nase bis ins Glas führt, auch noch leicht sticht, aber das geht schnell vorüber nach kurzer Zeit des Atmens. Nach schon 30 Minuten ca. ist der Rum voll da! Im Bouquet macht sich zunächst einmal eine herrliche Klebstoffnase bemerkbar, kombiniert mit einer sehr schweren, sirupartige Süße, die wie über dem ganzen Rum im Glas zu schweben scheint. Dazu gesellen sich dunkele Assoziationen zu Kaffee, Espresso und Melasse, aber auch Trockenfrüchten, Tabak, Nelke, dezent Anis, Leder und etwas, was ich medizinisch empfinde. Stets mit dabei ist natürlich die geballte Ladung Tannine vom Fass, die allerdings wirklich top eingebunden sind! Ich empfinde die Nase, trotz der enorm langen Reifezeit, nicht als verholzt. Immer und immer wieder führe ich das Glas zur Nase und kann mich an diesem sagenhaften Bouquet einfach nicht satt riechen. Immer wieder entdeckt man neue Facetten dieses schönen Tropfens. Das ist schon, wie der gesamte Rum bis hier hin, sehr außergewöhnlich und die Erwartungen an den Gaumen sind gerade ins grenzenlose geschossen.
Gaumen: Wundervoll! Der Skeldon 1978 gibt sich am Gaumen wahnsinnig vollmundig, ins cremige gehend, sowie angenehm weich. Der Alkohol ist richtig gut eingebunden, sticht nur zu Beginn ganz kurz und zeigt sich im Folgenden dann quasi unsichtbar. Kleinere Schlücke bieten sich preislich an, geschmacklich allerdings sind auch größere Schlücke kein Problem. Alles startet mit einer schönen Mischung aus einer natürlichen Süße und etwas säuerlichem, was mich an kalten Kaffee und Espresso, sowie Salz-Karamell erinnert, die dann übergeht in etwas holziges und fruchtiges von tropischen Früchten, die ich allerdings nicht separieren konnte. Mango vielleicht? Dann wiederum rauscht eine medizinische Komponente heran, die auch einiges an Bitterkeit mitbringt. Zu viel? In einigen Momenten dachte ich ja, in anderen empfand ich es als angenehm. Insofern tendiere ich zu nein, allerdings bewegt sich das unzweifelhaft an der Grenze des Guten, gerade auch mit Blick auf den Skeldon 1973. Besser wird es mit mehr Reifejahren nach dieser Erfahrung definitiv nicht. Nach hinten heraus kommt dann eine geballte Ladung Anis. Die Performance am Gaumen kann mit jener in der Nase nicht ganz mithalten, was angesichts dieser olfaktorischen Sensation tatsächlich zu erwarten war, aber im Gegensatz zum Skeldon 1973 bricht dieser Rum hier nicht qualitativ ein. Ganz, ganz großes Kino!
Abgang: nach hinten heraus wird das dann schon sehr trocken und bitter mit Anklängen von Anis und Kaffee, zunächst angenehm, aber wenn man ihn zu lange im Mund hatte, dann ist das eher wie Walnüsse, wenn sie bitter werden. Etwas nussiges, bleibt aber in jedem Fall erhalten, was mir sehr gefällt. Insgesamt allerdings nur ein kurzer bis mittlerer Nachhall.
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Fazit: mit einem Wort? Opulent! Nichts, aber auch rein gar nichts an diesem Rum steht auch nur entfernt in dem Verdacht in irgendeiner Weise durchschnittlich zu sein. Wiederum alles an diesem Rum ist außergewöhnlich! Ich kenne viele (wenn auch nicht alle) der alten Demerara Rums von Velier, und nach meiner bisherigen Erfahrung und aber auch nach intensivem Austausch mit Menschen, die bei Demerara Rums noch weitaus mehr im Thema sind als ich und auch seltene Tropfen wie den Diamond 1988 schon im Glas hatten, wage ich die Prognose: besser geht es nicht! Und leider wird es auch vergleichbar gut in Zukunft wohl nicht mehr geben. Das ist zwar einerseits schade, macht aber andererseits die seltenen Momente in der man solch legendären Stoff noch mal probieren kann umso besonderer. Der Preis liegt weit jenseits all dessen, worüber man noch in irgendeiner Weise über ein Preis-Leistungs-Verhältnis sprechen könnte und sollte, schon allein, weil im Falle des heutigen Rums selbst eine Sample-Empfehlung bereits dekadent anmutet. Wer die Möglichkeit hat, der wird das geschmacklich eher nicht bereuen und der Rum ist einer, den man am Ende seiner Reise aus meiner Sicht im Glas gehabt haben sollte, aber ich verstehe auch jeden, der da für sich komplett raus ist. Insofern wünsche ich euch nun noch einen schönen Pfingstmontag, unabhängig davon was ihr im Glas habt und verabschiede mich zum ersten (und vermutlich einzigen) Mal mit der Top-Bewertung!
-100/100-
Bis demnächst,
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