Liebe Rum Gemeinde,
ich bin frisch zurück aus Köln, wo ich zusammen mit vielen Rumfreunden und Gleichgesinnten die Cologne Spirits besucht habe, und möchte euch direkt eines der Highlights vorstellen, welches dort, allerdings im privaten Rahmen bei einem Tasting in der Hotellobby, auf den Tisch und ins Glas kam. Ein herzlicher Dank geht dabei an dieser Stelle direkt an den Sascha, der das Sample dabei gehabt hat!
Und wie das so ist, wenn man nicht alleine und daheim in Ruhe verkostet, sondern in Gesellschaft und unterwegs, wird die Verkostung heute natürlich etwas kürzer ausfallen als gewohnt. Das nur vorab, nicht, dass sich jemand wundert. Dennoch denke ich, dass ich einen aussagekräftigen Einblick in die Spirituose erhaschen konnte, gerade im Vergleich zum neuen, von DDL abgefüllten Skeldon aus 2000, der daneben stand, und möchte euch meine Eindrücke dementsprechend natürlich auch nicht vorenthalten.
Kurz zu Skeldon noch vorab: was die ehemalige Destillerie betrifft und den Werdegang des Stils nach der Schließung, so möchte ich wie gewohnt auf den Demerara Artikel von Marco verweisen. In meinem Review zum El Dorado Skeldon habe ich einige Infos daraus übernommen und was die Velier-Abfüllung im Speziellen betrifft, so muss man da glaube ich nicht mehr große Worte verlieren. Die beiden Abfüllungen aus 1973 und 1978 sind heute absolute Legenden und sie dürften als die wohl teuersten Demeraras von Velier gelten, etwa 5000,- Euro werden aufgerufen für eine Flasche. Und auch wenn sich Fragen danach inwieweit diese Preise inhaltlich gerechtfertigt sind natürlich per se erübrigen, so weckt das dennoch Erwartungen von außen. Nicht weniger als einen absoluten Überstoff erwartet man, wenn es Menschen gibt, die bereit sind derart viel Geld für nur eine einzige Flasche Rum auf den Tisch zu legen. Ob die Abfüllung aus 1973 dem gerecht werden kann? Wohl kaum, denn wie soll das auch gehen. Ich halte das eigentlich für unmöglich. Ob der Rum mich zumindest begeistern und nachvollziehen lassen kann, warum gerade dieser Stil preislich so steil gegangen ist? Ich bin gespannt!
Verkostung des Velier 32 YO Skeldon 1973:
Preis: der Ausgabepreis lag einmal bei geschätzten ca. 120,- Euro. Der heutige Wert einer Flasche liegt bei ca. 5000,- Euro.
Alter: von August 1973 bis April 2005 reifte der Rum in Eichenfässern. Das Alter des Rums beträgt also biblische 32 Jahre.
Lagerung: der Rum reifte von 1973 bis 2005 in Guyana unter tropischem Klima.
Fassnummern: es gab vier Fässer, deren Fassnummern aber unbekannt sind. Die Abfüllung ergab 544 Flaschen.
Angel's Share: unbekannt. Er wird aber, gemessen daran, wie hoch er z.B. beim UF30E ausgefallen ist, bei über 95% gelegen haben.
Alkoholstärke: Full Proof - der Skeldon mit einer Fassstärke von 60,5% vol. daher.
Destillationsverfahren: der Rum wurde vermutlich mit der Metal Coffey Still von Blairs gebrannt, somit handelt es sich um einen Column Still Rum.
Mark: SWR
Farbe: tiefes, dunkles braun, beinahe ins schwarze gehend. Ich habe glaube ich nur selten einen solch tief dunklen Rum im Glas gehabt. Der Skeldon 2000 daneben wirkte, im Vergleich, hell.
Viskosität: fette, satte Schlieren laufen in weiten Bögen an der Glaswand herunter. Der Skeldon hat hier fast schon etwas sirupartiges, was durch die Farbe natürlich nochmal in seiner Wirkung verstärkt wird.
Nase: selbst in der Nase ist meine erste Assoziation "dunkel", auch wenn das als Beschreibung eines Geruches natürlich merkwürdig anmutet und sicher durch die Augen beeinflusst wird. Tatsächlich empfinde ich die Nase aber als überaus tief, komplex und reichhaltig, geradezu opulent. Den doch recht hohen Alkoholgehalt nehme ich, selbst nach kurzer Zeit des Atmens schon, kaum noch wahr. Man möchte das Glas eigentlich kaum absetzen, mir gefällt das einfach sehr, sehr gut. Ich habe im Bouquet Eindrücke von Kaffee und Espresso, einer riesigen Ladung an Trockenfrüchten, von Pflaume, Tabak und Leder. Dazu etwas karamellisierten Rohrzucker. Wahnsinns Nase! Ganz groß! Im Vergleich dazu wirkt der El Dorado aus 2000 geradezu belanglos. Die wesentlich kürzere Reifung im Fass ist überdeutlich.
Gaumen: am Gaumen verkehrt sich der positive Eindruck aus der Nase dann leider etwas in eine weniger schöne Richtung. Ich habe anfangs eine kurze aber nicht störende Schärfe, eine leichte, natürliche Süße, die dann umschlägt in die geballte Portion Holz, Tannine und Bitterkeit. Trockenfrüchte und frisch geschnittenes Holz nehme ich noch wahr. Der Rum ist unwahrscheinlich vollmundig und wird mit zunehmender Verweildauer im Mund sehr cremig. Jetzt hingegen kommt das große Aber, denn er ist auch ganz eindeutig schon deutlich über seinen Zenit. Der Skeldon 2000 daneben hingegen wirkt, als wäre er genau dort eben noch nicht angelangt. Somit fehlt dem einen Rum für mich ein klein wenig, während der andere schon zu viel hat.
Abgang: im Abgang habe ich frisch geschnittenes Holz, Trockenfrüchte und Tannine satt. Der Rum verweilt mittellang am Gaumen.
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Fazit: eine wahnsinns Geschichte, einer der großen Rums unserer Zeit und ein toller Moment, einen solchen Rum einmal vor mir im Glas stehen zu haben. In der Nase holt mich der Velier Skeldon 1973 tatsächlich auch komplett ab, das gefällt mir richtig gut, was sich da abspielt! Ich mag ja so schwere, sehr lange gereifte Rums richtig gerne, wenn der grundsätzliche Stil stimmt und die Fässer keinen Mist gebaut haben. Die Nase versprach dann auch einen genau solchen Rum, für mich war das auf einer Stufe mit den alten Albions, allerdings kann das Niveau dann am Gaumen für meinen Geschmack nicht gehalten werden, nicht einmal ansatzweise. Da ziehen die Albions dann einfach davon, gefallen mir um Klassen besser! Das ist zwar alles nicht schlecht, was der Skeldon am Gaumen anbietet, aber eben auch nicht wirklich gut und vor allem schon klar über den Zenit. Es wird für mich daher ganz deutlich, dass der mit ein paar Jahren weniger Reife vermutlich noch sehr viel besser gekommen wäre, denn der grundsätzliche Stil spricht mich schon an. Ich war deshalb zwar auch nicht ganz so abgetan wie einige andere in der Runde, die den Skeldon ebenfalls verkostet hatten (ja, es gab noch deutlich enttäuschtere Stimmen!), aber woher ausgerechnet hier die Bereitschaft rührt, fünf (!) Riesen auf den Tisch zu legen war am Ende auch mir ein Rätsel! Allerdings, das muss ich ihm lassen, hat mich der Rum durchaus neugierig auf den Skeldon 1978 gemacht, der ja nochmal fünf Jahre jünger ist. Das könnten genau die fünf Jahre sein, die dieser hier meines Erachtens mindestens zu viel in den Fässern hatte. Das wäre also sicher spannend einmal zu sehen, wie sich das ausgewirkt hat, denn der El Dorado war mir persönlich da noch ein wenig zu jung, auch wenn sich das bei 18 Jahren tropischer Reifung natürlich etwas merkwürdig liest. Die wirklich hervorragende Nase schafft es, den 1973er ganz knapp über die 84 Punkte-Grenze zu bringen. Hätte er am Gaumen ähnlich eingeschlagen, wäre ich aber sicher noch 10 Punkte weiter oben gewesen. So aber sind es für mich knapp 85 Punkte.
-85/100-
Ein paar abschließende Worte zum Ausgang noch: auch wenn der Rum am Ende vielleicht nicht die ganz große Offenbarung war, so war es dennoch eine Freude und ein echtes Erlebnis, den alten Skeldon überhaupt mal probiert haben zu können. Ein herzliches Dankeschön für diese tolle und seltene Gelegenheit geht an dieser Stelle also natürlich noch einmal an Sascha! Vielen lieben Dank, dass du uns das in dieser Runde ermöglicht hast!
Bis demnächst,
Flo
PS: nach einer erneuten Verkostung im April 2021 bestätigten sich zwar meine im März 2019 gesammelten sensorischen Eindrücke im Wesentlichen, allerdings interpretiere ich diese heute deutlich anders als vor knapp zwei Jahren. Deshalb würde ich dem Rum inzwischen deutlich mehr Punkte geben:
PS: nach einer erneuten Verkostung im April 2021 bestätigten sich zwar meine im März 2019 gesammelten sensorischen Eindrücke im Wesentlichen, allerdings interpretiere ich diese heute deutlich anders als vor knapp zwei Jahren. Deshalb würde ich dem Rum inzwischen deutlich mehr Punkte geben:
-94/100-
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