Sonntag, 30. Juni 2013

Rum Nation Jamaica Rum SL II 26 YO (1977 - 2003)

Liebe Rum Gemeinde,

heute wende ich mich das erste Mal der Rum Nation-Reihe zu, für welche sich das italienische Traditionsunternehmen Rossi & Rossi verantwortlich zeigt. Lange habe ich diese Serie gemieden. Nicht, weil ich den Rums keine Qualität zugetraut hätte, sondern weil sie schlicht und ergreifend sehr teuer sind und vielfach auch schwer zu bekommen. Das machte andere Rum Serien stets interessanter, aber nun sind auch die sog. "Supreme Lords" dran!



















Beginnen werde ich heute mit dem Rum Nation Jamaica Rum Supreme Lord II, welcher von 1977 bis 2003 lange 26 Jahre im Fass reifte. Wo der Rum gelagert wurde, weiß ich nicht, allerdings werden die Rum Nation Rums alle in Großbritannien abgefüllt, was den Verdacht nahelegt, dass die Rums dort auch eine Weile oder vielleicht sogar die ganze Zeit über lagen.
Wie viele andere Rum Nation auch, wurde der Supreme Lord II mit 45% vol. abgefüllt, also verdünnt. Mit mehr Volumenprozenten ist m.W.n. noch kein anderer Rum Nation abgefüllt worden, lediglich mit 40 oder 43% vol. werden hin und wieder auch einige Rums auf den Markt gebracht.
Die Rum Nation sind Small Batch, sowie Single Domain Abfüllungen. Das heißt, dass die Rums aus wenigen Fässern eines Batches eines Jahrgangs einer Destillerie geblendet werden. Dadurch sind die Abfüllungen weniger limitiert als andere und ca. 1500 Flaschen stark. Im Falle der Jamaica Rums von Rum Nation, stammen alle Abfüllungen aus der Destillerie Long Pond. Bei den Jamaica- und Demerara-Abfüllungen kommen die Rums in sehr edlen, großen, hübschen Holzkisten daher, welche wirklich Eindruck machen!
Weitere Informationen zu Rum Nation lieferte Marco bereits im April.

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Verkostung des Rum Nation Jamaica Rum 26 YO (1977 - 2003) Supreme Lord II:



Preis: der damalige Preis ist mir nicht bekannt, er wird bei ca. 150 Euro gelegen haben, dem Preis, den Rum Nation heute für vergleichbar alte Abfüllungen verlangt. Whisky Antique in Italien hatte den Rum bis vor kurzem noch für 133 und später für 146 Euro gelistet, allerdings waren das Restbestände. Regulär ist der Rum schon seit Jahren ausverkauft!

Alter: der Rum ist 26 Jahre alt und lagerte von 1977 bis 2003 an mir unbekanntem Ort im Holzfass.

Alkoholstärke: der Rum wurde auf einen nicht unüblichen Alkoholgehalt von 45% vol. verdünnt. 

Destillationsverfahren: der Rum stammt aus Long Pond, was für eine Pot Still spricht. Eine Column Still wäre allerdings auch möglich, das wird beim Tasting zu ermitteln sein.

Farbe: ein sattes, dunkles Gold, an hellen Bernstein erinnernd.

Viskosität: an der Glaswand bleiben winzige Perlen zurück, die dann als weite, gleichmäßig und langsam verlaufende Schlieren die Glaswand herunterfließen. Wir scheinen es hier also mit einem recht öligen Rum zu tun zu haben. 

Nase: mmmmhmmm, Long Pond! Blind könnte ich bereits hier erkennen, was ich im Glas habe, ein absolut Still-typischer Rum. Ich bin sofort begeistert. Gegrillte Ananas, minimale alkoholische Schärfe, eine grasige, vegetale Note, feine Orange, klares Wedderburn-Profil. Etwas irritierend: eine leichte Süße, die ich so nicht unbedingt von Long Pond kenne.

Gaumen: leicht wässrig zu Beginn, dann kurz die alkoholische Note, die aber nicht störend wirkt. Der Eindruck aus der Nase setzt sich fort, eindeutig Long Pond! Nussig, strohig, eine leichte Eichenholznote, etwas Anis, Weihnachtsgebäck, wenig Frucht. Trocken werdend, allerdings habe ich auch am Gaumen zunächst eine ungewohnte, fast likörartige, Süße, die mich etwas an den Plantation Jamaica Single Cask 1983 erinnert. Sehr komplex!

Abgang: sehr trocken werdend und langanhaltend. Anis und Walnuss. 

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Fazit: ein typischer Long Pond, der dennoch nicht schmeckt wie alle anderen! Das Jahr 1977 ist einer der frühesten, mir bekannten Long Pond Jahrgänge, aus denen Rums unabhängiger Abfüller resultierten und dieser Rum ist der erste dieses Jahres, den ich aus Long Pond probieren konnte (die anderen waren aus Monymusk, welches einen herausragenden Jahrgang 1976/1977 hat!). Das erhöhte meine Spannung selbstverständlich ungemein, sehr neugierig war ich doch, was mich erwarten würde. 
Im Glas hatte ich dann einen Rum, der zwar typisch war für seine Still, der sich aber dennoch angenehm von mir bereits Bekanntem abhob. Da werde ich mich nach weiteren Rums dieses Jahres umsehen!
Besonders erwähnenswert ist der Reifegrad im Zusammenhang mit seinem Alter. Blind könnte man den Rum auch auf ca. 20 Jahre schätzen, für 26 Jahre ist der Rum wirklich sehr jung geblieben. Wenn man im Vergleich den 30 jährigen Isla del Ron aus 1982 sieht, dann wird das noch deutlicher. Dieser hat im Vergleich schon deutlich mehr Holz abbekommen. Dennoch fehlt es dem Supreme Lord II nicht an Reife, er hat alles, was ein großer Rum braucht. Er ist gereift, ohne dabei wirklich alt zu werden. Der Rum ist ein Beispiel herausragenden Agings!
Eingangs sagte ich, mir seien die Supreme Lords lange Zeit zu teuer gewesen. Ob der heutige Rum seinen Preis wert ist, spielt hier leider keine große Rolle, da man ihn seit langem nicht mehr kaufen kann. Um 150 Euro wird er wohl gekostet haben, das ist eine Menge Geld! Aber wäre er das wert? Jein. Ich habe nicht viel am Supreme Lord II auszusetzen, allerdings hätte der Alkoholgehalt etwas weniger drastisch gesenkt werden können, mir ist er minimal zu dünn. 50-55% vol. hätten ihm sicher noch besser gestanden. Das sieht man an einer ganzen Menge Abfüllungen, die in letzter Zeit auf den Markt kamen, bei denen man sich an diesem Alkoholgehalt orientiert hat. Diese liegen preislich auf einem ähnlichen Level, worin dann letztlich auch das einzige Defizit des Rum Nation liegt. Ansonsten ist das eine Top Abfüllung, die ich garnicht kleiner reden mag, als sie ist. Cum laude! 

Bis demnächst und einen schönen Juli,
Flo

Sonntag, 16. Juni 2013

Cadenhead's Green Label Jamaica Rum 15 YO

Liebe Rum Gemeinde,

heute gibt's einen Rum aus der anonymen Abteilung von Cadenhead's. Gemeint ist natürlich die Green Label Serie, bei der klassischer Weise nur das Herkunftsland und das Alter des Rums angegeben ist. Destillerie, Destillations- und Abfülljahr, Destillationsverfahren? All dazu erfährt man auf den Labeln dieser Serie leider nie etwas. Mit was für einem Rum wir es heute zu tun haben, erfahren wir also erst bei der Verkostung.

Aus eben jenen Gründen kann ich zu den Rand-Daten dieses Rums vor der Verkostung kaum etwas sagen. Fest steht nur, dass der heutige Rum aus Jamaica stammt, 15 Jahre alt ist und schon seit langer Zeit nicht mehr auf dem Markt verfügbar ist. Man findet zu ihm nämlich so gut wie garnichts!
Aber etwas wissen wir doch: bis 2001 hat Cadenhead auf alle seine Rums ganz unten das genaue Abfülldatum gedruckt, auch bei den Green Label Rums! Diese Abfüllung hat kein gestempeltes Datum, stammt also aus dem Jahr 2002 oder später. Da man aber, wie gesagt, nicht viel zu dem Rum findet, wird das Jahr auch nicht weit von 2002 wegliegen. Rechnet man nun von dort ca. 15 Jahre zurück, dann kommt man grob bei den Jahren 1986/1987/1988 raus. Bezieht man nun das Wissen um die Fässer mit ein, die Cadenhead in den letzten Jahren gehabt hat, so kommen für den Rum eigentlich nur noch zwei Batches in Frage: das 1986er IRW Batch und das 1987er CRV Batch. Diese beiden Batches unterscheiden sich stilistisch stark voneinander, so dass ich geschmacklich sicher feststellen werde, woher genau dieser Rum nun stammt.

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Verkostung des Cadenhead Green Label Jamaica Rum 15 YO:

Preis: der Rum kostete um die 45 Euronen. 

Alter: Destillationsjahr und Abfülljahr sind nicht angegeben, nur das Alter von 15 Jahren. 

Alkoholstärke: der Rum kommt mit den Green Label-typischen 46% vol. daher. 

Destillationsverfahren: sollte meine Vermutung von oben stimmen, so würde der Rum auf jeden Fall aus einer Column Still stammen. Nach dem Tasting wissen wir sicher mehr.

Farbe: volles, goldenes Stroh.

Viskosität: lange, dünne, unregelmäßige Schlieren laufen weder besonders langsam, noch besonders schnell die Glaswand hinunter. Es bleiben einige Tropfen und ein satter Film des Rums am Glas zurück. Dieses, sich mir bietende Bild passt durchaus zum Alter des Rums und weist auf einen Rum mit mittlerer bis hoher Öligkeit hin.

Nase: ohne auch nur eine Sekunde überlegen zu müssen, ist das Rätsel um die Herkunft des Rums gelöst. Ohne jeden Zweifel stammt der Rum aus dem IRW-Batch von Cadenhead, das ist eindeutig ein Wedderburner! Ananas, Ester, frisch geschlagenes Holz, Gras, etwas sehr vegetales und eine Spur Rauch zeichnen den Rum in der Nase aus. Absolut typisch Long Pond 1986, auch wenn der Rum, zumindest wenn die Angaben von Cadenhead stimmen, aus einer Column Still kommt. Ohne das Wissen um dieses Batch würde ich hier allerdings auf eine Pot Still tippen. Sehr kräftig! Gefällt mir ausgesprochen gut.

Gaumen: etwas dünn im ersten Moment, die Verdünnung lässt herzlich grüßen. Dahinter allerdings ein sehr würziger, für das Alter geradezu trockener und ballancierter Jamaicaner, der seine Herkunft nicht verleugnet. Bemerkenswert: er schafft es aber nicht, die Kraft aus der Nase auch an den Gaumen zu transportieren, so dass er sich hier letztlich doch als Rum aus einer Column Still enttarnt, während ich in der Nase noch Zweifel hatte. Die typische Wedderburn-Ester-Note aus Ananas, Bananen und etwas grasigem liegt im Mund, ist aber nur kurz mundfüllend, der Rum zieht sich recht schnell wieder zurück. 

Abgang: was dann bleibt, ist ein trockener, würzig-pfeffriger Nachgeschmack, der für eine halbe Stunde ca. im Mund verweilt und sich dann langsam verzieht. 

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Fazit: ein schöner, ein guter, ein runder, aber kein hervorragender, kein sehr guter Rum. Dafür war er mir am Gaumen dann doch zu unspektakulär, da konnte er nicht ganz das halten, was die Nase versprochen hat und mich nicht voll überzeugen. Der Abgang gefiel mir dagegen wieder gut. Das Preis-Leistungsverhältnis, 45 Euro habe ich für die Flasche bezahlt, stimmt aber trotz der kleinen Schwächen absolut, da kann und darf man nicht meckern, zumal es heute im Jahr 2013 verdammt schwer ist, an diese Art Rum heranzukommen. Meist muss man dafür sehr tief in die Tasche greifen, wenn man denn, wie gesagt, überhaupt was findet, auch der heute getestete Rum beispielsweise ist schon lange ausverkauft. Leider ist mir kein Jahrgang aus Long Pond nach 1986 bekannt, der diese spezielle Art Rum hervorgebracht hätte.
Angenehmer Nebeneffekt: der Preis macht es möglich, den Rum auch mal in einem Drink zu verwenden, was ich auch gleich tun werde, nämlich in einem Mai Tai. Da sein älterer Bruder in Fassstärke in dem Drink fulminant abgeschnitten hat mit 10 Punkten, werde ich diesem Rum hier auch eine Chance geben. Ich bin gespannt!

Mai Tai mit Cadenhead's Green Label Jamaica Rum 15 YO
Mai Tai mit Cadenhead's Green Label Jamaica Rum 15 YO:

Ein sehr heller, milchiger Mai Tai steht vor mir, heller noch, als der verwendete Rum. Geschmacklich befindet sich der Drink auf der fruchtigen Seite, der Rum kommt dezenter durch als mancher seiner Kollegen, aber nicht zu dezent, wie ich finde. Vor allem im Nachgeschmack kann mich dieser Mai Tai voll überzeugen!
Die übrigen Zutaten glänzen wie immer, setzen den Rum in Szene, dominieren allerdings einen Hauch zu sehr. Beim nächsten Mal werde ich daher 0,5 cl Rum mehr verwenden. Ich wählte dieses Mal ein Verhältnis von 6 cl Cadenhead Rum, 1,5 cl Curacao, 1 cl Orgeat, 0,5 cl Zuckersirup und 3 cl Limettensaft.
Wie schlägt sich der Green Label 15 YO gegen seinen 18 Jahre alten Bruder in Fassstärke? Er reicht an diesen leider nicht komplett heran, da fehlt ihm dann doch ein wenig die Power, aber er geht in die gleiche Richtung. Den werde ich wieder mixen!

Zum Schluss bleibt mir zu sagen: haltet die Augen offen, wenn ihr den Rum mal findet zu ähnlichem Preis, dann schlagt zu und nehmt ihn mit ;)

Bis demnächst,
Flo

Freitag, 7. Juni 2013

Cadenhead's Green Label Jamaican Rum 30 Years Old (1974 - 2013), 51,8% vol.

Liebe Rum Gemeinde,

heute gibt's eine kleine schottische Kuriosität, einen Rum in sehr hohem Alter, der noch älter ist, als er auf dem Label zugeben darf und so zunächst für Verwirrung sorgte.

Cadenhead's Green Label Jamaica Rum 30 YO
Wie kommt's? Der heute verkostete Rum, der Cadenhead's Green Label Jamaica Rum 30 YO, wurde 1974 destilliert, 2013 in Fassstärke abgefüllt und müsste somit ein 39 YO Rum sein. Oder doch nicht? 
Der Rum schlummerte von 1974 an für die nächsten 9 Jahre, bis 1983, zunächst im Fass. Soweit ist das nicht ungewöhnlich. Dann wurde jenes Fass aber von einem Kunden gekauft und die Flaschen wurden abgefüllt. Nachdem die Flaschen aber anscheinend nie abgeholt wurden, entschied sich Cadenhead nach einigen Monaten, den Rum wieder ins Fass zu geben, wobei hier das Ex-Fass wieder verwendet wurde. Nach schottischem Recht musste, was das offizielle Alter betrifft, allerdings wieder bei Null Jahren angefangen werden zu rechnen.
So meinen die 30 Jahre, die auf der Flasche angegeben werden, die Zeitspanne zwischen der Wiederbefüllung 1983 und dem zweiten Abfüllen 2013, das Jahr 1974 als Zeitpunkt der Destillation ist aber gleichermaßen richtig. Somit lag der Rum, mit kurzer Unterbrechung, tatsächlich insgesamt 39 (!) Jahre lang im Holzfass und ergab am Ende noch gerade einmal 162 Flaschen. Ein wirklich hohes Alter und eine sehr geringe Auflage für einen Rum. Umso gespannter bin ich, was uns der Rum nun inhaltlich zu sagen hat. 
Quelle: http://www.lospiritodeitempi.it/?p=4071


Der Abfüller:
Zum schottischen Abfüller Cadenhead wurde in diversen Artikeln bereits viel geschrieben, weshalb ich an dieser Stelle nur noch einmal auf das Jahr 1842 verweisen möchte, das Gründungsjahr der Firma. Somit ist Cadenhead der älteste unabhängige Abfüller Schottlands. Spezialisiert hat sich Cadenhead auf den Handel mit Whisky und die Lagerung von Demerara Rum.

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Verkostung des Cadenhead Green Label Jamaica Rum 30 YO:

Preis: die Flasche ist bei Cadenhead's derzeit für 115 Euro zu bekommen. 

Alter: der Rum wurde 1974 destilliert, 1983 abgefüllt, wieder ins Fass gegeben und 2013 erneut abgefüllt. Somit ist er nach schottischem Recht 30 YO, faktisch lag er aber ca. 39 Jahre im Fass.

Alkoholstärke: der Rum wurde in Fassstärke abgefüllt. Sie lag bei 51,8% vol.

Destillationsverfahren: hierzu macht Cadenhead keine Angaben auf dem Label, aber das Jahr 1974 deutet darauf hin, dass der Rum aus Long Pond stammt, welches meist mit Pot Stills destilliert, jedoch auch mind. eine Column Still besitzt. Eventuell erfahren wir bei der Verkostung ja mehr.

Farbe: tiefes, dunkles, braunes Bernstein.

Viskosität: zunächst langsame, regelmäßige, eng verlaufende Schlieren am Glasrand und vereinzelte, zurückbleibende Tropfen, die dann in weiten Abständen ebenfalls langsam an der Glaswand herunterlaufen, lassen auf einen eher öligen, lange gelagerten Rum schließen.

Nase: die Nase erinnert mich zunächst stark an sehr alte Demerara Rums und wird von Holz, Rosinen, dunklem Karamell und einer schweren Süße dominiert, die hier über dem gesamten Rum liegen und es anderen Aromen, wie denen von Anis oder Kaffee, schwer machen, sich hier zu zeigen. 39 Jahre im Fass? Die Nase gibt mir wirklich keinen Grund daran zu zweifeln. Gefällt mir so zunächst gut! Alkoholische Noten erscheinen, trotz der über 50% vol., nur sehr dezent im Hintergrund. Ich erkenne hier sofort eine Verwandtschaft zum Cadenhead's Green Label Jamaica Rum 25 YO, welcher ebenfalls 1974 destilliert, aber bereits im Jahr 2000 gebottled wurde. Dementsprechend dürfte es sich bei unserem heutigen Rum um einen CRV aus der Column Still Long Ponds handeln, einer Gattung Rum mit, für jamaicanische Verhältnisse, sehr wenig Estern. Man findet sie auf dem Markt auch relativ selten.

Gaumen: der erste Schluck bestätigt kurz meinen Eindruck eines Demerara Rums aus der Nase, fällt aber nicht ansatzweise so schön aus. Vor allem Holz ist am Gaumen präsent, um nicht zu sagen, ich kaue auf einem Stück Holz herum. War ich von der Nase noch recht angetan, so macht sich an dieser Stelle echte Ernüchterung breit. Dieser Rum macht keinen Spaß, denn mehr ist hier wirklich nicht! Dass die alkoholische Schärfe vorhanden, aber nicht störend ist, ist hier leider nur mehr eine Randnotiz, die unter den gegebenen Umständen keine wirkliche Rolle mehr spielt.

Abgang: sehr holzig, trocken und vor allem: kurz. Nicht einmal eine Minute verweilt der Rum im Mundraum, nicht ansatzweise so lang also, wie man das normal von Jamaicanern gewohnt ist. Das Wort "Bitter" darf hier zudem doppeldeutig verstanden werden, wirklich schade!

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Fazit: Schade! "Bottled for Woodworms" wäre eine Unterschrift, die sich beispielsweise auf dem Label finden könnte. Für alle anderen wird es in meinen Augen schwierig, mit diesem Rum warm zu werden. Wer auf sehr alte Rums steht, der könnte allerdings dennoch zufrieden sein. Die Nase gefiel mir recht gut, weswegen ich mich auch dazu entschlossen habe, ihn auch hier auf Barrel Aged Thoughts vorzustellen, Gaumen und Abgang waren aber leider enttäuschend und auch das soll anderen Genießern bei der Kaufentscheidung behilflich sein.
Ich möchte den Rum nicht komplett zerreden, aber ich habe in diesem Alter insgesamt gesehen einfach schon viel bessere Tropfen verkostet. Und auch wenn der Preis, gemessen an den Rahmenbedingungen, wirklich exzellent ist, so fällt es mir unterm Strich doch sehr, sehr schwer, nein, eigentlich ist es mir unmöglich, zu behaupten, dass er die 115 Euro inhaltlich wert ist. Mir zumindest wäre er das Geld nicht wert, da er mich am Gaumen und im Abgang wirklich sehr enttäuscht hat und mir der CRV-Stil einmal mehr nicht zusagt.
Für Spekulanten oder Sammler hingegen bietet der Preis durchaus eine aussichtsreiche Perspektive in puncto Wertsteigerung, denn Rums aus 1974 kommen nicht so arg oft auf den Markt und das Alter ist einfach gigantisch für eine Spirituose. Ich kenne auch nicht viele Rums, die älter sind. Noch dazu war die Auflage dieses Rums mit 162 Flaschen nicht sehr hoch. Die Aufmachung ist wertig und der Name Cadenhead gehört zu den renommiertesten im Bereich der unabhängigen Abfüller. Hier könnte was gehen.
Ich schenke mir nun noch ein Glas Isla del Ron Jamaica 1982 - 2012 Cask Strength ein und wünsche euch noch ein schönes Wochenende!

Bis demnächst,
Flo

Sonntag, 2. Juni 2013

Marie Galante - Velier Rhum Vieux Bielle 7 vs. 9 Ans

Einen wunderschönen guten Tag,

Velier MG 2003 7 Ans
heute begeben wir uns auf eine winzige karibische Insel: Marie Galante. Sie gehört zu Guadeloupe und ist damit ein französisches Überseedepartement. Sie ist nahezu kreisrund, mit einem Durchmesser von gerade einmal 15 Kilomentern und hat eine Population von unter 15.000 Einwohnern. Umso erstaunlicher, dass es heute immernoch 3 aktive Destillerien gibt: Domaine de Bellevue, Poisson und Bielle. Domaine de Bellevue ist nicht zu verwechseln mit der Bellevue Destillierie auf Guadeloupe, welche Produzent der bekannten Marke Damoiseau ist. Poisson stellt die Marke Pére Labat her, deren weißer Rhum Agricole mit 59% Kultstatus hat. Heute werden jedoch 2 gereifte Qualitäten, der im Herzen der Insel gelegenen Destillerie Bielle, verkostet, welche vom unabhängigen italienischen Abfüller Velier angeboten werden. Merkmal der Rhums aus Marie Galante ist, dass sie aus frischen Zuckerrohrsaft hergestellt und auf 59% destilliert werden. Die Destillation betreffend unterscheiden sie sich damit von Rhums aus Martinique, welche deutlich höherprozentig destilliert werden. Eine weitere Besonderheit für Rhum Agricole ist es, dass bei Bielle nicht nur in Column-Stills sondern auch in kupfernen Pot-Stills Rhum hergestellt wird. Der Rhum Bielle Premium 59% z.B. wird im ersten Durchgang in einer 2-Säulen-Anlage und im zweiten Durchgang in einer Pot-Still gebrannt.


Der Abfüller:

9 Ans vs 7 Ans (von links nach rechts)
Velier stammt, wie einige andere (z.B. Samaroli und Rum Nation), aus Italien, genauer Genua, und wurde 1947 von Casimiro Chaix gegründet. Sie vermarkten bzw importieren allerdings nicht nur Whisky und R(h)um sondern auch diverse weitere Spirituosensorten/marken sowie unter anderem Zigarren. 1992 fing man an Einzelfassabfüllungen von Single Malts sowie R(h)um als unabhängiger Abfüller unter eigenem Label anzubieten. 2006 lag ihr Umsatz bereits bei über 19 Mio € und sie vertreiben seit 2008, in Kooperation mit der Distillerie Bielle, die Marke "RhumRhum PMG". Das Augenmerk von Velier scheint allerdings auf Demerara Rum sowie Rums aus der bereits geschlossenen Distillerie Caroni aus Trinidad zu liegen. Hiervon gibt es jeweils sehr viele Abfüllungen, welche fast ausschließlich in Fassstärke angeboten werden: Daumen hoch dafür!


Die Rhums:

Beide heute zu testenden Rhums sind Jahrgangs-Agricole aus 2003. Der Unterschied besteht darin, dass der eine mit einer Faßreife von 7, und der andere 2012 mit 9 Jahren abgefüllt wurde. Insgesamt wurden 2006 von Velier, genauer von Luca und Paolo Gargano, 6000 Liter des 2003er Jahrganges bei Bielle erworben. Für den 9 Ans waren dies nun im übrigen die letzten Fässer dieses Jahrgangs, dh. weitere, ältere Abfüllungen wird es nicht geben. Da der Rhum direkt von Velier vor Ort gekauft wurde, ist davon auszugehen, dass diese Agricole auf Marie Galante reifen durften und damit eine karibische Fasslagerung erfahren haben. Dies wird sich im Geschmack bestätigen.


Preis: In Deutschland führt Manufactum den MG 2003. Gelistet ist im Onlineshop zwar die 7 jährige Variante, geliefert bekommen habe ich zuletzt jedoch den 9 Jahre alten Rhum. Ich gehe davon aus, dass der jüngere Agricole bereits vergriffen ist und bislang keine aktualisierung im Shop vorgenommen wurde. Beide Rhums habe ich zum Preis von 31€ bezogen. Für einen Vintage Agricole ein absolutes Schnäppchen. Ob sich dies allerdings auch bezüglich der Qualität sagen lässt, wird interessant.

Velier MG 2003 9 Ans
Alter: Wie bereits angemerkt, verbachte der eine Rhum 7, und der andere 9 Jahre im Faß. Wo die Fässer gelagert wurden, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, es ist jedoch sehr gut vorstellbar, dass aufgrund der Kooperation mit Bielle eine Lagerung in der Karibik stattfand. 

Alkoholstärke: Beide Abfüllungen kamen mit 49% in die Flasche und versprechen damit eine gute Trinkstärke.

Destillationsverfahren: Hierzu lassen sich leider keine Angaben finden. Da Bielle sowohl Pot- als auch Column-Stills betreibt, kann es wir im Fall ihres Premium 59% eine gemischte Destillation gewesen sein, oder ein reiner Column- bzw Pot-Still Rhum.

Farbe: Beide strahlen in einem satten Gold im Glas., wobei der 9 Ans eine kaum merkbare Nuance dunkler erscheint. 

Viskosität: Ungewöhnlich für Agricole, bilden beide weite Bögen und der Rhum gleitet nur sehr langsam hinunter: Es verspricht ölig zu werden. 

Nase: Zu Beginn ist eine leichte Klebstoffnote, wie sie auch bei vielen American Whiskeys zu finden ist, wahrnehmbar. Diese verflüchtigt sich allerdings sehr schnell. Beim 7 Ans besteht kein Zweifel was hier im Glas ist: zunächst vegetal, nasses Gras, doch es gesellen sich unmittelbar Noten von der Fasslagerung hinzu und ich bin erstaunt. Ich nehme unter den ganzen Gewürzen die mir entgegenschlagen eindeutig Curry war. Dazu noch etwas Muskat sowie Zimt. Die zweite Welle besteht dann aus Vanille und frischer Eiche.
Der 9 Ans kann seine Verwandschaft zu seinem jüngeren Kollegen nicht verleugnen, dennoch sind deutliche Unterschiede zu erriechen. Zum einen ist er weniger grasig und die Vanille ist wesentlich stärker ausgeprägt und präsentiert sich direkt zum Anfang nebst den Gewürzen: ebenfalls Curry, Muskat und Zimt. Zudem wird die gesamte Nase von einer konzentrierte, schweren Honigsüße getragen, welche ich beim 7 Ans erst nach 10-15 Minuten im Glas in Anklängen finden konnte. (Anmerkung: diese Honigsüße ist allerdings nicht mit der typischen Honig-Vanille-Note eines Barbados Rockley zu vergleichen) Zum Ende ist auch die Eiche präsenter als zuvor. Insgesamt wirkt der ältere Bielle erwachsener und voller, der jüngere entsprechend frischer aber auch komplexer.
Beide Rhums fordern schon beim Nosing, belohnen den Genießer jedoch in eindrucksvoller Weise!
Gaumen: Zunächst habe ich die Gewürze sowie Vanille auf der Zunge und die vegetalen Grasnoten kommen danach mit voller Power. Diese sind hier noch dominierender als in der Nase. Sehr intensiv im Geschmack. Die Grasnoten haben auch zum Ende das Heft in der Hand, in Verbindung mit trockener Eiche; jedoch weit entfernt davon zuviel vom Fass abbekommen zu haben.
Der ältere der 2003er Jahrgangs-Rhums zeigt schon von Beginn an seine Reife: Trocken an der Zungenspitze. Das Curry, unterstützt von der Süße, prägt den Geschmack. Die frische und vegetalen Noten mussten den Gewürzen und der Vanille weichen. Sie sind zwar wahrnehmbar, bleiben allerdings eher im Hintergrund. Hier bestimmen Süße, trockene Eiche,Gewürze sowie eine leichte Nussigkeit gegen Ende. Er erscheint noch intensiver und vor allem öliger als der 7 Ans und hat hier meiner Meinung nach auch sein Maximum an Reifezeit erreicht. Er ist nicht verholzt, aber noch mehr Fassreife hätte ihn zu trocken und von der Eiche dominiert werden lassen.

Abgang: Sehr ausgewogener Abgang beim 7 Ans. Hier packt er alles hinein was erschnuppert und erschmeckt wurde: grasig, Gewürze, vanillig, etwas trocken und süß zugleich. Dazu für einen Agricole sehr intensiv und langanhaltend.
Beim 9 Ans dominiert die trockene Eiche, die Süße und das Curry. Hier zeigt sich, dass er es nicht ganz vermag die Komplexität seines Vorgängers zu erreichen, dafür ist er allerdings auch intensiver. Er ist zwar absolut nicht holzig, es ist jedoch zwingend einen trockenen Abgang zu mögen, sollte man sich an diesen Rhum wagen.

Fazit: Der Preis hält sogar noch mehr als er verspricht. Ich hatte 2 hervorragende Agricole, in einer für meine Begriffe perfekten Trinkstärke: kaum alkoholisch, nicht verwaschen, intensiv und angenehm. Einen Gewinner gibt es, was den Purgenuß angeht, dennoch: der MG 2003 7 Ans. Denn er versteht es alle Eindrücke in einem wunderbaren Gesamtbild in der Nase, an der Zunge und auch am Gaumen im Abgang zu präsentieren: komplex, intensiv, ausgewogen! Der 9 Ans ist, auch wenn nicht so ausbalanciert wie der 7 Ans, ohne Frage ein sehr guter Rhum. Sollte der jüngere Rhum nicht mehr zu bekommen sein, kann ich ohne schlechtes Gewissen eine Kaufempfehlung auch für diesen aussprechen. Zur Destillation: Ich vermute hinter den Destillaten einen Pot-Still Agricole: Die Intensität der Nase und des Geschmacks lassen mich zu diesem Schluß kommen.

Ich wünsche allen einen schönen und hoffentlich auch sonnigen Juni,
Euer Leo