Sonntag, 28. Februar 2021

The Rum Cask Guyana Rum 12 YO Port Mourant 2008 (Ex-Hampden Cask)

Liebe Rum Gemeinde,

mit ein paar Puzzleteilen hatte uns Jens Owczarek seit ein paar Tagen vor Release bereits darauf vorbereitet, dass eine neue Abfüllung erscheinen wird und am vergangenen Mittwoch war es dann auch schon soweit. The Rum Cask veröffentlichten eine 12 Jahre alte PM-Abfüllung, die für etwas über einem Jahr in einem Hampden <>H 2001 Fass reifen durfte. 



Und tatsächlich gibt es viel mehr dazu dann auch eigentlich kaum zu sagen im Vorfeld des Tastings, denn der Rum spricht meines Erachtens in weiten Teilen einfach für sich selbst am besten. Kurz aus dem Nähkästchen hinter den Kulissen geplaudert kann ich aber verraten, dass ursprünglich weder Jens Owczarek noch ich selbst wirklich davon ausgingen, dass ich den Rum am Ende auf dem Blog bringen würde, denn die reinen Randdaten sprachen erstmal nicht für mein Beuteschema. Junger PM?! Dann auch noch nach 2000 gebrannt?! Geh mir weg!! Allerdings hat mich zumindest das Hampden Finish neugierig genug gemacht ihn zu probieren und wenn man dann schon eine kleine Probe in seiner TRC-Bestellung findet... Kurz: am Ende ist das Ding dann doch irgendwie auf BAT gelandet und dieses mal sogar erst nach Release ;-) 



Aus Gründen der Transparenz sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass ich ein Mini-Sample zur Verkostung dieses Rums gratis erhielt. Auf meinen Geschmack und die Bewertung hat dies selbstverständlich aber keinen Einfluss. Wie bei allen meinen bisherigen Reviews, ist auch bei diesem kein Geld geflossen. 


Verkostung des The Rum Cask Guyana Rum 12 YO Port Mourant 2008 (Ex-Hampden Cask):

Preis: der Ausgabepreis für eine Flasche a 0,5 Liter betrug 54,90 Euro.

Alter: der Rum reifte von 2008 bis Anfang 2021 im Fass und ist somit junge 12 Jahre alt. 

Lagerung: die Reifung erfolgte mutmaßlich komplett in Europa. Es wurde dazu ein Teil eines PM-Fasses in ein Ex-Hampden <>H 2001 Cask gegeben, in dem er dann 13 Monate separat reifen durfte. 

Fassnummer: keine Angabe. Es wurden 111 Flaschen abgefüllt. 

Angel's Share: keine Angabe. 

Alkoholstärke: der Rum kommt noch mit 60,3% vol. daher, das entspricht der Fassstärke!

Destillationsverfahren: der Rum entstammt der Double Wooden Pot Still der geschlossenen Port Mourant Distillery. Über Uitvlugt kam sie im Jahr 2000 zur Diamond Distillery, bei der dieser Rum auch gebrannt wurde. 

Mark: PM (Port Mourant)

Farbe: sehr helles, blasses Stroh.  

Viskosität: viele kleine Tröpfchen bilden sich oben an der Glaswand und laufen dann eher zügig, parallel und in engen Abständen zueinander am Glas herab. Das sehr junge Alter zeigt sich hier sehr deutlich. 

Nase:
 in der Nase bedarf es wahrlich etwas Geduld! Während ich zu Beginn und auch mal mindestens noch ca. eine halbe Stunde doch noch etwas skeptisch drein schaue und mich ein wenig Frage ob das gerade wirklich deren (TRC') Ernst ist mir sowas vorzusetzen, wird es dann besser😉. Zu Beginn gehen die Assoziationen arg in Richtung eines Obstschnapses und ich empfinde das ganze als nicht wirklich gelungen. Dann aber, nach ca. 30 bis 45 Minuten geht es in eine ausbalanciertere Richtung und Gedanken an einen jungen Monymusk kommen auf. Und für alle, die sich auch an dieser Stelle jetzt noch fragen, wie sehr das Finish in den Rum hinein gewirkt hat: es ist überall - und doch auch nirgends! Nein, dieser Rum ist kein Port Mourant mehr mit vielleicht ein paar Hampden Nuancen, das hier ist eher wie ein Blend. Und was sich bei einem Blend zwischen Hampden und Port Mourant durchsetzen würde, das kann sich ja jeder vorstellen. Doch wer nun denkt, dass man diesen Rum blind mit einem Hampden verwechseln könnte, der irrt eben neuerlich. Denn tatsächlich ist aus dieser vollkommen verrückten Kombination weder ein PM mit Hampden-Finish, noch ein Hampden mit PM-Assoziationen geworden, sondern etwas drittes, vollkommen neues und anderes. Was ich hier habe, das erinnert mich eher an einen kontinental gereiften Vale Royal Wedderburn von Long Pond, wie Bristol sie vor einigen Jahren mal gebottled hat! Doch während es den Bristols (2011 war wesentlich besser als 2010!) damals an Tiefgang fehlte, kann der TRC an der Stelle punkten. Auch der Alkohol ist super eingebunden! Nach ca. 1,5 Stunden habe ich eine richtig harmonische, smoothe, geil-fruchtige Wedderburn-Jamaica Nase mit gegrillter Ananas und leichter Rauchnote, die Spaß macht! Wer jetzt immer noch einen PM sucht, dem muss ich ein letztes Mal sagen, dass er ihn, zumindest in der Nase, wohl heute nicht mehr finden wird. Das macht aber gar nichts, denn das was ich stattdessen vorfinde gefällt mir. Klar, das ist kein Rum im Spitzenfeld, muss und möchte er auch gar nicht sein, aber ich wage bereits jetzt die These, dass das Finish deutlich mehr aus diesem Rum gemacht hat, als ohne Finish anhand der reinen Eckdaten drin gewesen wäre, denn für gewöhnlich reizen mich derart junge PMs die im neuen Jahrtausend destilliert wurden mal so überhaupt nicht. 

Gaumen: am Gaumen überrascht mich der Rum dann zunächst neuerlich und zwar, weil er für sein jugendliches Alter und die Stärke von immerhin 60,3% vol. wirklich sau entspannt zu trinken ist und auch größere Schlucke problemlos drin sind. Gleichzeitig knistert der Tropfen aber auch noch genug auf der Zunge, um nicht als kantenlos durchzugehen. Das ist stark! Aber es kommt noch besser. Denn um ehrlich zu sein hatte ich ein wenig befürchtet, dass das Finish zwar aus der Nase gut was herausgeholt hat, das ganze am Gaumen aber sehr instabil daherkommen und in sich zusammen fallen würde. Oder, deutlicher gesagt: noch bis hier hin ging ich tatsächlich davon aus, dass aus diesen Notes am Ende sicher kein Review werden würde, aber nichts da! Denn spielt der Rum auch definitiv nicht in der obersten Liga mit, nach wie vor nicht, aber er liefert mir Argumente über ihn zu sprechen! Am Gaumen tendiert der Rum nämlich zwar zunächst wieder zu Vale Royal, kippt dann aber doch auch zu Hampden und entscheidet sich, anders als noch in der Nase, letztlich allerdings auch deutliche Charakteristika von Port Mourant (Bleistift / Anspitzer-Spähne, Anis) zu zeigen. Hier finden beide Stile letztlich wirklich zusammen und erneut würde ich blind sehr viel eher auf einen Blend tippen als nur auf ein Finish. Das gefällt mir sehr gut, zumal der Rum auch richtig schön cremig wird. Aber auch hier, wie schon in der Nase, gilt das immer so ein wenig unter Vorbehalt und darauf verweisend, dass wir uns hier zwar auf qualitativ hohem Niveau, aber ganz eindeutig nicht im Spitzenbereich befinden. 

Abgang: im Finish habe ich dann zunächst eher etwas Anis vom PM. Die nächsten Eindrücke gehören dann aber klar dem Hampden und seinen estrigen-fruchtigen Tönen, bevor es wieder richtig PM geht. Ganz zuletzt ist aber Hampden Banane da, die wiederum nochmal von Bleistiften abgelöst wird. Ganz stark, da passiert richtig was, ein tolles Finish! 

-------------------------------------------------------------------------------------------------

Fazit:
 ein Rum, auf den die Welt ganz sicher nicht gewartet hat. Aber ich glaube, genau das gefällt mir daran! Denn dieser Rum bricht die Regeln, er bricht aus dem bestehenden System der in gewissem Maße erwartbaren Rums aus. Denn seien wir mal ehrlich: zumindest im High End Bereich dreht sich das Broker-Karussell seit vielen Jahren im Kreis und hält kaum echte Überraschungen bereit. Klar, es gibt häufigere und seltenere Batches, solche, die wir ein paar mal im Jahr sehen und dann wieder jene, die wir nur alle Jubeljahre mal zu Gesicht bekommen. Aber sie befinden sich letzten Endes alle auf dem Karussell und wir wissen das und stellen uns ein Stück weit darauf ein, dass wir sie dann und wann in die Flasche bekommen. Die tropisch gereiften Stocks, die Main im Vorfeld des vergangenen Jahres erwerben konnte, bilden da eine willkommene Ausnahme, sie waren nicht erwartbar... und eben unser heutiger Rum! Ihn wähnten wir nicht auf dem Karussell und er befindet sich auch jetzt nicht (mehr) darauf. The Rum Cask haben damit etwas eigenes geschaffen und das finde ich super, zumal ich nicht damit gerechnet hatte, dass das so gut funktioniert. Sicher, dabei ist kein Über-Rum herausgekommen, um Gottes Willen, aber das kann, muss und sollte man bei einem Rum dieser Preisklasse auch niemals erwarten! Wenn ich aber für knapp über 50,- Euro mal was anderes sehe als sonst und die Qualität dabei immer noch sehr hoch liegt, dann gibt es nicht viele Argumente die dagegen sprechen bei sowas auch einfach mal zuzuschlagen. Gleichzeitig muss sich aber auch niemand wirklich ärgern, wenn er diesen Rum verpasst hat. Es gab nur etwas zu gewinnen, aber nichts zu verlieren. Und das wiederum macht ihn eigentlich zu einer ziemlich perfekten Abfüllung, finde ich.

-82/100-


Bis demnächst
Flo

Sonntag, 14. Februar 2021

Gardel Distillery: The Lost (but still unsung) Rhum

Liebe Rum Gemeinde,

heute möchte ich mich nach längerer Zeit einmal wieder meiner heimlichen Liebe der letzten Jahre widmen, die meines Erachtens noch viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte: Gardel! Doch bevor ich euch in den nächsten Wochen noch einige der besten Rums dieser verschwundenen und bisher wenig beachteten Destillerie vorstelle, u.a. kommen diese von Cadenhead, Silver Seal und Moon Import, habe ich heute zunächst noch etwas Theorie für euch!

Source: lantenne.com

Rund um den Globus bekommen Connaisseure inzwischen leuchtende Augen, wenn von Old Demerara RumHampden, Long Pond oder Caroni die Rede ist. Längst sind Abfüllungen aus diesen (teils auch bereits seit langem geschlossenen) Destillerien keine Geheimtipps unter Nerds mehr, sondern extrem gesucht und daher auch preislich leider durch die Decke gegangen. Bei Caroni ist dafür, neben der Tatsache, dass Luca Gargano sich in besonderer Weise dafür eingesetzt hat der Welt zu zeigen, welch großartiger Stoff dort produziert wurde, in nicht unerheblichem Maße dessen Status als Lost Distillery verantwortlich, nachdem die Brennerei anfangs des Jahrtausendes geschlossen wurde und somit kein Rum mehr nachproduziert werden kann. So weit, so nachvollziehbar. Doch heute möchte ich euch mit Gardel auf Guadeloupe eine weitaus weniger bekannte Destillerie vorstellen, die durchaus beweist, dass eine Schließung allein noch lange nicht automatisch auch mit Jahrzehnte darüber hinaus reichendem Ruhm einher gehen muss. Einer Destillerie, die beweist, welch eine Sonderstellung Caroni in diesem Punkt in der Rum Welt also tatsächlich innehat, eine Sonderstellung, die eben ganz eng mit dem Namen Luca Gargano verknüpft ist, der wie kein zweiter das Talent besitzt, Menschen für Rum zu begeistern. Gardel beweist viel mehr, dass eine Schließung im Rum Bereich im Normalfall dann doch eher dazu führt, dass eine Destillerie und ihr Rum ganz unromantisch und ohne großen Ruhm einfach mit der Zeit vergessen werden und von den Landkarten dieser Welt verschwinden. Unzählige Destillerien hat dieses Schicksal bereits ereilt. 

Ich entdeckte Gardel für mich dann auch, wie zum Beweis, eher durch großen Zufall und ein schon im Jahr 2002 abgefülltes The Secret Treasures Bottling im vergangenen Frühjahr 2019. Nun könnte man meinen, dass da möglicherweise ein Stil einfach nur an mir vorbeigegangen ist, nicht an der Allgemeinheit, aber ich erlebe seither und wann immer ich Menschen von Gardel vorschwärme, dann doch immer wieder die gleichen fragenden Gesichter. Kaum jemand mit dem ich bisher sprach hatte schon einmal von Gardel gehört. Nur wenige konnten mit dem Namen zumindest etwas anfangen, hatten ihn immerhin schon einmal irgendwo gehört. Noch weniger hatten schon mal einen Gardel im Glas. Allerdings waren sämtliche meiner Rum Freunde, denen ich dann einmal einen Gardel eingeschenkt habe, im Anschluss restlos geflasht! Trotzdem ist Gardel alles andere als populär oder gar Trend und das wiederum heißt auch, dass zu Gardel ungleich weniger Informationen zu finden sind, als zu den meisten anderen und wesentlich gefragteren Destillerien. Auch bei den Zugriffszahlen meiner Reviews zu Gardel Rums war das deutlich zu merken, dass sie deutlich unter denen von bekannteren Rums lagen. Das Interesse an Gardel war bisher also, sagen wir mal, um es positiv zu formulieren, ausbaufähig. Dennoch wage ich den Versuch, euch Gardel heute einmal etwas näher zu bringen und den Schleier, der die ehemalige Brennerei umgibt, zumindest ein wenig zu lüften. Denn um eines direkt vorweg zu nehmen: im Gegensatz zu vielem anderen eher unbekannterem was uns die Rum Welt da draußen noch bietet, was zwar sicher nicht schlecht, für mich aber weit weg ist vom absoluten High End Niveau, gehört Gardel, zumindest in seiner Spitze, für ohne Zweifel zu den fünf besten und interessantesten Destillerien die ich insgesamt kenne! Sie steht für mich zweifelsohne in einer Reihe mit Caroni, Hampden oder den alten Demerara Rums (zugegeben, als ganzes gesehen)! 


1. Standort:

Gardel war eine Destillerie in der gleichnamigen Siedlung Gardel, die zur Gemeinde Le Moule gehört, gelegen im Osten der zu Guadeloupe gehörenden Insel Grand Terre und nur unweit der letzten noch Rum produzierenden Destillerie auf der Insel, nämlich Damoiseau. Guadeloupe ist seit dem 19. März 1946 französisches Übersee-Departement und somit heute Teil der EU. Gardel als solches existiert, anders als z.B. Caroni, allerdings nach wie vor und ist einer der größten Produzent von Zuckerrohr der gesamten Karibik. Die Zucker-Fabrik ist also, im Gegensatz zur Destillerie, noch aktiv, lediglich die Brennapparate wurden vor vielen Jahren demontiert. 

Source: researchgate.net


Auf einer Karte Guadeloupes, auf der sämtliche noch aktiven Destillerien des französischen Übersee-Departements verzeichnet sind, fehlt Gardel folgerichtig bereits. Die Nähe zu Damoiseau ist hingegen gut zu erkennen:

Source: rumporter.com



2. Geschichte und allgmeine Informationen:

Viel ist es leider tatsächlich nicht, was wir wissen. As gesichert gilt aber, dass Gardel im Jahr 1870 vom sog. "Zuckerbaron", dem Générale Sucrière, gegründet wurde und seither und noch bis heute Zucker produziert. Von 1870 bis 1992, insgesamt also 122 Jahre lang, wurde dort auch Rum gebrannt, allerdings wurde laut Bristol Spirits in jenem Jahr deren Column Still demontiert und damit das Kapitel Rum bei Gardel für immer geschlossen. Ob es zu einem früheren Zeitpunkt überhaupt noch andere Stills dort gegeben hat ist vollkommen unklar, aber laut Bristol endet die Geschichte des Rums von Gardel auf jeden Fall ultimativ in 1992. Die tschechische Seite "Peter's Rum Labels" zitiert Bristol Spirits dazu wie folgt aus der Zeit um 2003:

"Sadly, although the Gardel estate still produces sugar, its column or patent still, made it's last drop of rhum in 1992 - and this is it [ie. Classic Rum of Bristol Spirits Limited]. In that year, after 122 years of continuous production, the still was demolished."

Leider funktioniert der Link, der auf der Seite als Quelle angegeben wird inzwischen nicht mehr, allerdings halte ich das Zitat für vertrauenswürdig, da an dieser Stelle seit vielen, vielen Jahren mit viel Akribie Informationen gesammelt werden und ich mich auch daran erinnere, dass die Seite vor ca. 10 Jahren noch aufrufbar war, als ich mich in meiner Anfangszeit viel durch dieses schon damals sehr umfangreiche Archiv klickte. Nicht zuletzt auf Grund dieser Information aber dürfte 1992 wohl der letzte Jahrgang der Destillerie gewesen sein. Vereinzelt gibt es zwar unabhängige Abfüllungen aus 1998 die laut Label aus Gardel stammen, allerdings müssen es sich dabei, folgt man der obigen Auffassung, definitiv um Labelfehler halten und diese Rums jeweils von Damoiseau/ Bellevue kommen. Das liegt auch insofern nahe, als dass 1998 für Damoiseau/ Bellevue ein unglaublich starker Jahrgang mit hohem Output war. Dennoch sind geschmackliche Ähnlichkeiten und Parallelen von Gardel und Damoiseau teilweise nicht von der Hand zu weisen (man probiere z.B. die 1991er Originalabfüllung von Damoiseau), weswegen ich vereinzelte Hinweise, dass man bei Damoiseau teilweise noch heute mit Melasse der Zuckerproduktion bei Gardel arbeitet, als sehr stichhaltig empfinde. 

Gegründet wurde die Zuckerfabrik und Brennerei Gardel, wie eingangs erwähnt, im Jahr 1870 in Grande-Terre's Moule vom „Générale Sucrière“, dem „Zuckerbaron“. Es ist heute eine der größten Zuckerraffinerien der Welt und die einzige aktive auf Guadeloupe. Gardel besitzt eine 934 Hektar große Zuckerrohrplantage und arbeitet mit mehr als 2.500 Zuckerrohrbauern auf Guadeloupe zusammen. Mit seinen fünf modernen dampfbetriebenen Mühlen verarbeitet Gardel das gesamte Zuckerrohr der Hauptinsel (jährlich: 600.000 Tonnen), um verschiedene Sorten Zucker (60.000 Tonnen), Melasse (25.000 Tonnen), Biomasse / Bagasse (180.000 Tonnen), Ethanol und einst auch R(h)um zu produzieren. Aus welchen Gründen auch immer, das kann ich leider nicht nachvollziehen, wurde die Column Still Gardels 1992 demontiert. Seitdem gilt Gardel als Lost Distillery. 


3. Destillation und Stil:

Gardel produzierte seine Rums, zumindest jene die noch bekannt sind, im Column Still Verfahren und auf der Basis von Melasse. Auf diversen Labeln wird zwar von Rhum Agricole gesprochen, also von Rhum auf der Basis von frisch gepresstem Zuckerrohrsaft, doch die Sensorik spricht da eine doch sehr eindeutige Sprache zugunsten von Melasse. Zu den Brennapparaten selbst, der Fermentation oder gar verschiedenen Marks lässt sich im Netz zu meinem Bedauern überhaupt nichts herausfinden und ich kam auch mit diversen Anfragen im französischsprachigen Raum leider nicht weiter. Nirgends sind die Informationen zu Gardel spärlicher als in diesem Punkt. 


Einige Flaschen Gardel aus einer 2020er FT



4. Bekannte Jahrgänge:

Im Gegensatz zu Hampden, Long Pond oder Caroni gibt es aus der Gardel Distillery nur äußerst wenig bekannte Jahrgänge, von denen sogar einer noch unbestätigt ist, nämlich das Vintage 1973, und einer, der Jahrgang 1998, ein fälschlich als Gardel gelabelter Jahrgang von Bellevue/Damoisseau ist. Im Jahr 2021 erschien nochmal ein gänzlich neuer Jahrgang, als Spirit of Rum mit Dirk Becker einen Gardel aus 1983 in die Flasche brachten. Dieser reifte unglaubliche 38 Jahre im Fass, davon 17 unter der tropischen Sonne Guadeloupes. Diese Info ist überaus spannend, denn vieles spricht dafür, dass unter diesem Gesichtspunkt sämtlich Rums von Gardel im Jahr 2000 nach Europa kamen. Das ergäbe auch Sinn, da kein Gardel Bottling für die Zeit vor 2000 bekannt ist.

Gardel Vintage

Bottlings

Style

Still Type

Comments

1973

Compagnie Des Indes „KAIMAN“ - 46% vol. (Part)

?

Pot- & Column Still

Not confirmed by the bottler

1977

Silver Seal 32 YO Gardel – 50,8% vol.

Rhum Agricole

?

but certainly molasses based

1982

Cadenhead Cask Strength 18 YO Gardel – 57,2% vol.

Rhum Agricole

Column Still

but certainly molasses based

Cadenhead Cask Strength 20 YO Gardel – 57,8% vol.

Rhum Agricole

Column Still

but certainly molasses based

Moon Import 18 YO Gardel – 46% vol.

Rhum Agricole

Pot Still

but certainly molasses based & Column Still

1983

Spirit of Rum 38 YO Gardel – 46,6% vol.

?

Column Still

certainly molasses based

1989

The Secret Treasures 13 YO Gardel – 42% vol.

?

?

certainly molasses based

The Secret Treasures 14 YO Gardel – 42% vol.

?

?

certainly molasses based

1992

Bristol Classic Rum 10 YO Gardel – 46% vol.

?

Column Still

certainly molasses based

Douglas Laing „Caribbean Reserve“ 9 YO Gardel – 46% vol.

?

?

certainly molasses based

Moon Import 11 YO Gardel – 46% vol.

Rhum Agricole

Pot Still

but certainly molasses based & Column Still

The Secret Treasures 11 YO Gardel – 42% vol.

?

?

certainly molasses based

1998

Alchemist 10 YO Gardel – 46% vol.

?

?

Most certainly Bellevue/Damoisseau and molasses based

Port Royal 10 YO Gardel – 46% vol.

?

?

Most certainly Bellevue/Damoisseau and molasses based

Renegade 11 YO Gardel – 46% vol.

?

?

Most certainly Bellevue/Damoisseau and molasses based


4.1. Sämtliche, mir bekannten Abfüllungen die definitiv aus Gardel stammen:

- Bristol Spirits Guadeloupe Rum 10 YO Gardel 1992 - 46% vol. (Ex-French Cask)
- Cadenhead Cask Strength Guadeloupe Rum 18 YO Gardel 1982 - 57,2% vol.
- Cadenhead Cask Strength Guadeloupe Rum 20 YO Gardel 1982 - 57,8% vol.
- Caribbean Reserve Guadeloupe Rum 9 YO Gardel 1992 - 46% vol.
- Moon Import Guadeloupe Rum 18 YO Gardel 1982 - 46% vol.
- Moon Import Guadeloupe Rum 9 YO Gardel 1992 - 46% vol.
- Silver Seal Guadeloupe Rum 32 YO Gardel 1977 - 50,8% vol.
- Spirit of Rum Guadeloupe Rum 38 YO Gardel 1983 - 46,6% vol.
- The Secret Treasures Guadeloupe Rum 13 YO Gardel 1989 - 42% vol.
- The Secret Treasures Guadeloupe Rum 14 YO Gardel 1989 - 42% vol.
- The Secret Treasures Guadeloupe Rum 11 YO Gardel 1992 - 42% vol.


5. Rums aus Gardel, die ich bereits im Glas hatte:

- Bristol Spirits Guadeloupe Rum 10 YO Gardel 1992 - 46% vol. (Ex-French Cask)
- Cadenhead Cask Strength Guadeloupe Rum 18 YO Gardel 1982 - 57,2% vol.
- Cadenhead Cask Strength Guadeloupe Rum 20 YO Gardel 1982 - 57,8% vol.
- Caribbean Reserve Guadeloupe Rum 9 YO Gardel 1992 - 46% vol.
- Moon Import Guadeloupe Rum 18 YO Gardel 1982 - 46% vol.
- Silver Seal Guadeloupe Rum 32 YO Gardel 1977 - 50,8% vol.
- Spirit of Rum Guadeloupe Rum 38 YO Gardel 1983 - 46,6% vol.
- The Secret Treasures Guadeloupe Rum 13 YO Gardel 1989 - 42% vol.
- The Secret Treasures Guadeloupe Rum 14 YO Gardel 1989 - 42% vol.
- The Secret Treasures Guadeloupe Rum 11 YO Gardel 1992 - 42% vol.


Meine aktuellen Top 5 Rums aus Gardel: 

- Cadenhead Guadeloupe Rum 18 YO Gardel 1982 - 57,2% vol.
- Cadenhead Guadeloupe Rum 20 YO Gardel 1982 - 57,8% vol.
- Silver Seal Guadeloupe Rum 32 YO Gardel 1977 - 50,8% vol.
- Moon Import Guadeloupe Rum 18 YO Gardel 1982 - 46% vol.
- Spirit of Rum Guadeloupe Rum 38 YO Gardel 1983 - 46,6% vol.




Quellenverweise:

- https://www.erudit.org/en/journals/bshg/2015-n171-bshg02057/1032943ar/


Sonntag, 7. Februar 2021

Nobilis Jamaica Rum 27 YO Hampden 1993

Liebe Rum Gemeinde,

nach all der Aufregung um den neuen König von Barbados, den 34 jährigen RA im Rockley-Style aus dem legendären Jahrgang 1986, der am Markt nur äußerst schwer zu finden war, geht es heute auch schon direkt zum nächsten Bottling bei welchem es kaum ein Drankommen gab. Denn von ihm wurden kaum mehr Flaschen abgefüllt als es beim Rockley der Fall war: die Rede ist vom Nobilis Jamaica Rum 27 YO Hampden 1993! 



Und wenn es darum geht euch die Umstände um diesen Rum näher zu bringen, dann komme ich nicht umhin festzustellen, dass es auch heute wieder historisch wird und ich ein wenig weiter ausholen muss. Denn dieser Hampden ist mit seinen 27 Jahren tatsächlich der allererste seines Batches überhaupt! Und ich sage deshalb seines Batches, weil nun einige berechtigt einwenden würden, dass es aus Hampden 1993 bisher ja nun schon die eine oder andere Abfüllung gegeben hat. Es waren nicht gerade viele, aber es gab sie und mit dem 21 Jahre alten Samaroli 1993 Full Proof zählt sogar der für einige beste Hampden aller Zeiten dazu. Doch all diese Rums gehörten zu einem anderen Hampden-Batch, einem Batch, dessen Estergehalt bei der Destillation dem des Marks <>H entsprochen hat. Das Batch um das es heute geht und dem der Nobilis entstammt, trägt das Mark C<>H und hat damit einen ungleich höheren Estergehalt! Wer mehr zu Hampden, den Marks und seinen Bedeutungen erfahren möchte, der kann dies in meiner Übersicht zu Hampden gern nachlesen. 

Doch wie um alles in der Welt kann es sein, dass auch heute noch und nach 27 Jahren plötzlich neue Batches auftauchen? Und ja, in der Tat, das kommt äußerst selten vor! Oft sehen wir Batches schon mit  unter zehn Jahren Reife das erste mal am Markt. Teilweise passiert es, dass wir einige Premieren mit 15 Jahren Reife erleben, aber das war dann bisher auch schon äußerst spät. Nun erleben wir das bei 27 Jahren. Das ist auch insofern kurios, als dass wir etwas ähnliches erst vor einigen Wochen hier hatten, nämlich als wir den 23 Jahre alten The Whisky Jury "Mden" 1997 auf dem Tisch hatten. Auch dieses Batch feierte mit diesem Bottling sein Debüt. Moment, werden mir einige nun abermals entgegnen, aber wer sagt denn, dass es sich nicht doch um nur ein einziges 1993er Batch handeln kann, vielleicht wurde sich beim Mark <>H für 1993 ja geirrt? Doch diesen Einwand werde ich mir für das Fazit aufheben. Spoiler: es sind defintiv zwei verschiedene Batches unterschiedlicher Marks ;-)  Indessen, das alles beantwortet bisher nicht die Eingangsfrage, wie so etwas noch passieren kann, wo man doch schon glaubte, alles gesehen zu haben. Eine eindeutige und definitive Antwort wird es darauf allerdings leider nicht geben. Alles was sicher gesagt werden kann ist, dass der Output der Main Rum Company zu 98% einem mal mehr und mal weniger nachvollziehbaren Schema folgt, auf dessen Grundlage Menschen, die das ganze schon seit langem verfolgen in der Regel sehr zuverlässige Aussagen über den Stoff treffen können, der in Flaschen abgefüllt so eintrifft am Markt  und wir uns hier aber im Bereich der 2% befinden. Das empfinde ich zwar einerseits, weil ich wahnsinnig wissbegierig bin, als frustrierend, aber andererseits, gerade weil ich in diesem nerdigen Bereich eigentlich schon alles gesehen habe was es bisher so gab, aber auch als ungemein spannend! Eine der Theorien wie es zu solchen Rums kommen kann zielt so ein wenig in die Richtung, der wir auch die inzwischen doch recht zahlreichen tropisch gereiften Abfüllungen von Main zu verdanken haben: Zukäufe von anderen Brokern. Wenn Main den Stoff bis vor kurzem gar nicht gehabt hätte, dann würde das erklären, warum es da bisher keinen Output, innerhalb kürzester Zeit aber bereits zwei neue Jahrgänge gab. Andere denkbare Möglichkeiten wären, dass die Fässer bewusst lange zurückgehalten oder aber in einer Ecke des gigantischen Lagers "vergessen" wurden. Doch wie man es dreht und wendet, man wird da wohl aktuell keine gesicherten Erkenntnisse bekommen, weswegen mir an dieser Stelle nichts bleibt, als mich einfach um den Stoff zu kümmern und diesen nun endlich zu probieren. Dies werde ich im Crosstasting mit dem bisherigen König aus 1993 tun, dem oben bereits erwähnten Samaroli, sowie meinem König des Marks C<>H und dem König von Hampden insgesamt, dem 26 jährigen The Rum Cask 1990 mit 61,9% vol.!

Aus Gründen der Transparenz sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass ich ein Sample zur Verkostung dieses Rums gratis erhielt. Auf meinen Geschmack und die Bewertung hat dies selbstverständlich aber keinen Einfluss. 

Hampden-Benchmarks unter sich: TRC 1990, Samaroli 1993 FP, Nobilis 1993


Verkostung des Nobilis Jamaica Rum 27 YO Hampden 1993:

Preis: der Ausgabepreis für eine Flasche a 0,7 Liter betrug 2395,- DKK im Shop von Nobilis, also umgerechnet ca. 320,- Euro. 

Alter: der Rum reifte von 1993 bis Ende 2020 im Fass und ist somit 27 Jahre alt. 

Lagerung: die Reifung erfolgte mutmaßlich komplett in Europa. 

Fassnummer: keine Angabe. Das Fass ergab jedoch einen Output von nur 168 Flaschen a 0,7 Liter. 

Angel's Share: keine Angabe. Sollte es sich dabei aber um ein Standard 190 Liter Fass gehandelt haben, läge der Angel's Share bei ca. 38%. 

Alkoholstärke: der Rum kommt noch mit starken 65,8% vol. daher, das entspricht hier der Fassstärke!

Destillationsverfahren: der Rum entstammt einer Double Retort Pot Still. Vermutlich handelte es sich dabei um die John Dore Still, die seit 1960 bei Hampden aktiv ist. Alle anderen heute noch verhandenen Stills sind aus mindestens 1994 oder sogar noch jünger. Nicht ausschließen kann ich allerdings, dass 1993 noch weitere Stills aktiv waren, von denen heute nichts mehr bekannt ist. Aus einer solchen kann der Rum theoretisch natürlich auch kommen. 

Mark: C<>H (Continental Diamond Hampden)

Farbe: kräftiges, goldenes Stroh. 

Viskosität: der Rum verläuft recht zügig und in gleichmäßigen, fetten Schlieren an der Glaswand herab. 

Nase:
 What?! The?! Fuuuuck?! Seit dem 26 Jahre alten TRC 1990 vor vier Jahren hat mich keine Hampden Nase mehr spontan so sehr abgeholt und begeistert wie das bei dieser hier gerade der Fall ist. Mein erster Eindruck? Der hat alles - und zwar jeweils auf dem Zenit! Da sind Ester, da sind Power, Intensität, Komplexität, Fruchtigkeit und Reife und das alles in einem komplett stimmigen Gesamtgebilde. Irre! Der Samaroli im Glas dagegen krepiert förmlich (wer Zweifel daran hatte, ob es aus 1993 wirklich zwei Marks gibt - die sind hiermit ausgeräumt!) und auch meine heilige Kuh, der 26 jährige The Rum Cask 1990 ist dem Nobilis in diesem Moment nicht gewachsen! Puh! Denn der TRC hat 2017 alles bisherige geschlagen und bis heute kam auch nichts anderes nach, was dem wirklich gefährlich hätte werden können. Heute allerdings sieht die Sache anders aus! Das Mark C<>H springt mich, wie immer, wenn ich es im Glas habe, gerade zu an. Dieses Mark hat etwas so spezielles, dass es wirklich eine wahre Freude ist! Nun hat dieser hier noch immer einen Alkoholgehalt von 65,8% vol., der damit so hoch ist wie bei noch keinem anderen C<>H im vergleichbaren Alter. Das ist sehr stark, aber das ganze ist hier auch überragend eingebunden, so dass es dem Rum, bzw. seiner sensorischen Erfassung nur zugute kommt. Das Bouquet gehört dann aber natürlich erstmal den Estern und den Assoziationen, die sie mit sich bringen. Der Säureanteil ist C<>H-typisch sehr hoch! Wer damit Schwierigkeiten hat, der steigt hier aus: - und tschüss! Geil, geil, geil!! Klebstoffe und Lösungsmittel prasseln nur so auf die Rezeptoren ein und fordern diese ungemein. Die Belohnung ist aber eines der krassesten olfaktorischen Erlebnisse, die ich bisher in meinem Leben hatte! Gegrillte Ananas spielen natürlich ebenso eine Rolle wie die restlichen für dieses Mark typischen Assoziationen (Marzipan, Vanille, Humus, Zitrusnoten, mediterrane Einflüsse...). Diese sind insofern nicht das besondere, das spektakuläre ist tatsächlich die Intensität, mit der das hier einschlägt! Davon abgesehen kommt der Rum aber durchaus komplexer daher, als das z.B. beim TRC 1990 der Fall ist. Der Fasseinfluss ist merklich vorhanden, allerdings überhaupt nicht in der Weise, als dass hier eine Dominanz in diese Richtung stattfände. Auch ist der Rum noch weit davon entfernt "rundgelutscht" zu sein. Nach langer Standzeit kommt dann auch noch etwas karamellisierter Zucker zum Vorschein. Was mich beeindruckt ist, dass die Nase die Intensität auch über Stunden gehalten bekommt. Das ist ganz, ganz große Qualität und ich hoffe gerade inständig, dass der Rum diese am Gaumen auch so halten kann.

Gaumen: argh, und da zerschlägt sich dann auch direkt meine Hoffnung, denn am Gaumen kann der Rum das Niveau aus der Nase meines Erachtens leider nicht ganz halten. Das ist zu meinem Bedauern dann doch der erste Eindruck, auch wenn das selbstverständlich (und ich hoffe, das ist jedem klar!) Jammern auf unfassbar hohem Niveau ist! Denn nein, der Nobilis ist auch am Gaumen natürlich nicht schlecht, im Gegenteil, er ist sehr, sehr gut, aber eben nicht ganz so gut wie ich es nach der Nase letztlich gehofft hatte. Schließlich hätte das bedeutet, und na klar hatte ich nach dem bisher gesehenen letztlich auf nicht weniger spekuliert und gehofft, dass ich hier am Ende des Tages wirklich eine neue, unumstrittene Number 1 im Bereich High Ester Hampden gefunden hätte und das wird wohl in der Form heute dann doch nicht passieren. Denn am Gaumen kann er den TRC nicht schlagen, der an der Stelle eben jene Perfectness hat, die ich beim Nobilis wiederum in der Nase gesehen habe. Doch schauen wir, wie knapp es zwischen den beiden am Ende tatsächlich wird! Indessen gehe ich selbstverständlich an dieser Stelle jetzt auch spezifischer auf den Nobilis ein. Dieser brennt im ersten Eindruck am Gaumen unerwartet heftig. Nicht wirklich unangenehm oder zu krass, nein, aber zumindest stärker, als ich erwartet hatte. Unter'm Strich würde ich das aber auch gerade noch so als well integrated durchgehen lassen. Dabei ist der Rum natürlich sehr adstringierend und mundfüllend, aber hier kommt dann auch schon einer der ersten größeren Unterschiede zum TRC zum tragen, denn da konnte letzterer eindeutig mehr! Nach einigen Momenten macht das ganze Ding dann aber merklich auf und gibt sehr schön Gas im Mund! Was mir aber einfach auffällt ist, dass dem ganzen im Vergleich zum TRC etwas die Komplexität abgeht, also gerade das was in der Nase noch so viel besser funktionierte als beim TRC und den Nobilis an der Stelle auszeichnete, und dieses so unendlich geile Mundgefühl vom TRC feht. Der Nobilis wird aber wie der TRC auch immer cremiger und ist schon richtig, richtig lecker! Meine Beschreibung des Gaumens muss sich für jemanden der nicht so sehr im Thema ist wie ein Verriss lesen, doch muss ich abermals darauf hinweisen, dass es hier gerade um einen Direktvergleich der zwei bisher größten Giganten dieser Destillerie geht! Was sich hier vielleicht auf den ersten Blick schlecht liest, funktioniert besser als bei nahezu jeder anderen Hampden Abfüllung! Die mediterranen Assoziationen dominieren mit dem Humus schon fast den Gaumen, noch vor der gegrillten Ananas. Dazu kommt einiges an frisch geschnittenem Geäst und Chorizo. Der Rum zeigt hier eine leichte Tendenz ins bittere, was durchaus ungewöhnlich ist für einen Hampden. Hier zeigt sich die fortgeschrittene Reife des Nobilis dann nämlich letztlich doch sehr deutlich. Man kann nur erahnen, welch ein Monster dieser Rum vielleicht vor einigen wenigen Jahren noch gewesen wäre. Die lange Zeit im Fass hat ihm schon einiges seiner Brachialität geraubt, während der TRC den fortgeschrittenen Grad seiner Reifung dann doch einen Tick besser zu kaschieren vermochte. 

Abgang: gegrillte Ananas, Humus, Macadamia und Toffee verweilen lange am Gaumen, dazu frisch geschnittenes Geäst, das in eine leichte Bitterkeit mündet. Der Abgang ist beinahe unendlich. Hier sind Hampden Rums einfach unerreicht. 

-------------------------------------------------------------------------------------------------

Fazit:
 während ich letzte Woche beim Kampf der Rockley-Giganten noch einen neuen König präsentieren konnte und durfte, bleibt mir diese Freude heute leider verwehrt. Zwar mag ich den grundsätzlichen Gedanken, dass das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen TRC und mir von 2017 für mich auch immer noch das Maß aller Dinge ist, allerdings hätte ich mich nach den vielen Jahren seitdem auch sehr gefreut, wenn da endlich mal ein Hampden drüber gekommen wäre. Nach der Nase lag diese Sensation im wahrsten Sinne des Wortes fast greifbar in der Luft, aber am Gaumen ist der TRC eine unfassbare Macht! Schade! Nichts desto weniger ist der Nobilis ohne Zweifel der zweitbeste Hampden der mir bisher ins Glas gekommen ist und darf daher zur absoluten Spitze der Destillerie zählen. Was für ein Debüt dieses Batches und was für ein Coup durch Nobilis! Denn während ich zunächst nicht so wirklich an ein zweites Batch und das Mark C<>H für 1993 glauben wollte, so bestätigte sich dieses im Tasting ohne jeden Zweifel. Zwischen dem Samaroli und dem Nobilis liegen ganze Ester-Welten! Insofern handelte es sich weder um einen bisherigen Irrtum zum Mark <>H der bisherigen 1993er, noch handelt es sich um eine Fehlinfo in Bezug auf das Mark C<>H zum neuen 1993er, genauso wie sich das auch schon beim 1997er "Mden" bestätigt hat. Main weiß uns also ab und zu noch wirklich zu überraschen bis überrumpeln. Gleichzeitig hätte ich einen solchen Hammer allerdings auch von Nobilis nicht erwartet, denn deren Auftakt, den Guyana 1988, fand ich mal so überhaupt nicht gelungen - milde formuliert! Umso erstaunter war ich, dass der Hampden den enormen Vorschusslorbeeren (die es eben auch beim Guyana und dort absolut zu unrecht!) doch serh gerecht wurde. Ein Wort noch zum Samaroli: dieser ist ein wahnsinnig guter Hampden, der aber in einem Crosstasting mit zwei solchen C<>H-Hochkarätern seine Stärken, vor allem ist das seine Ausgewogenheit, nicht ausspielen kann. Ein direkter Vergleich ergibt daher wenig Sinn, weswegen ich ihn im weiteren Verlauf des Tastings mehr oder weniger aus dem ganzen herausgenommen habe. 

-95/100-


PS: Nutzer der Rum Tasting Notes App finden diese Abfüllung auch hier:

Nobilis Jamaica Rum 27 YO Hampden 1993


Bis demnächst
Flo