Liebe Rum Gemeinde,
heute ist mal wieder so ein Tag, an dem ich an einer dieser Reviews sitze, bei denen ich vor lauter freudiger Erwartung schon gar nicht mehr weiß, wo genau ich eigentlich anfangen soll. Eine Vorfreude, die schon seit Monaten darauf wartet, sich endlich Bahn brechen zu dürfen und nun ist es endlich so weit: Rockley-Festtagsstimmung auf Barrel Aged Thoughts!
Der so genannte "Rockley Style" ist ein Rum Stil, der mich schon sehr, sehr lange auf meiner Reise durch die flüssige Kulinarik der Karibik begleitet. Seit einem kalten, ungemütlichen Abend im November 2011, um genau zu sein. In meiner Review zu den beiden 1986er Duncan Taylor und Silver Seal vom letzten Jahr habe ich diese Geschichte um meinen ersten Besuch bei Herrn Andreas Schwarz in Preetz ausführlicher dargelegt. Wer da Zeit und Lust hat, kann sich dieser Lektüre gern noch einmal annehmen. Das würde ich allerdings auch davon ganz abgesehen jedem empfehlen noch einmal zu tun, denn die beiden dort begutachteten Rums sind auch für meinen heutigen Rum die Benchmark, die es zu schlagen gilt.
Zum Rockley-Style:
Zuvor allerdings möchte ich noch ein paar Einwürfe zu "Rockley" selbst machen, bzw. eben zum "Rockley"-Style. Denn die Geschichte darum gehört zu den geheimnisvollsten, die die moderne Rumszene zu bieten hat (zumindest, wenn wir das ganze einmal auf die Geheimnisse positiver Konnotation reduzieren). Um diese in ihrer Gesamtheit darzulegen müsste ich nun vermutlich zu weit ausholen und plane das an anderer Stelle auch noch zu tun, daher schaue ich, dass ich heute erst einmal nur die wesentlichsten Punkte herausstelle.
Zunächst einmal muss ich mit der Annahme aufräumen, es könne sich bei dem Rum um Rum aus einer Rockley Destillerie handeln. Es gab zwar früher eine Rockley Destillerie auf Barbados, aber diese existiert schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Was hingegen noch existiert, ist deren mutmaßliche alte Pot Still, die Rockley Still, die auf einigen Flaschenlabeln auch immer mal wieder angegeben wurde. Diese steht heute bei der West Indies Rum Distillery (W.I.R.D.) auf Barbados - wurde tatsächlich aber seit wiederum vielen Jahrzehnten auch schon nicht mehr genutzt, und zwar auch schon weit vor 1986 nicht mehr. Auch sie scheidet als Urheber für diesen Rum aus. Was also erstmal klingt wie eine dieser Stories aus Guyana, wo oft heute noch mit uralten Brennblasen längst vergangene Stile noch produziert werden, entpuppt sich hier als Trugschluss. Die Frage an dieser Stelle lautet also: wie kam der Name Rockley zum 1986er Batch der W.I.R.D.? Ist es wie bei einigen anderen Guyana Rums z.B., wo heute ebenfalls keine Brennblase mehr existiert und der gesamte Stil durch vollkommen anderes Material hergestellt wird? Oder handelt es sich bei der Namensgebung um reine Willkür, immerhin taucht der Name Rockley erst seit Mitte-Ende der 1990er Jahre überhaupt im Zusammenhang mit Rum der W.I.R.D. auf. Das kann leider noch immer niemand hinreichend beantworten. Zwar wird, was auf die zweite Möglichkeit der modernen Namensfindung zielt, immer wieder John Barrett als Urheber dieses Mythos genannt, aber inwieweit das stimmt, darf doch bezweifelt werden, immerhin stammt die älteste mir bekannte 1986er Abfüllung die den Namen Rockley auf dem Label trägt nicht von Bristol, sondern von Velier. Sie wurde bereits 1997 abgefüllt (sollte laut Label sogar aus der Rockley Distillery stammen) und damit ein Jahr bevor John Barrett unter dem Bristol Logo seinen ersten 1986er abfüllte.
Und zu guter Letzt ist es möglicherweise noch wichtig zu erwähnen, dass der 1986er Rum aus der W.I.R.D. unter noch weiteren Namen auf dem Label bei diversen IB erschien. Zum Teil wurde die Destillerie auch unter den Namen West Indies Rum Refinery (W.I.R.R.) oder Blackrock Distillery geführt. Solltet ihr also Bajan Rums aus 1986 finden, die einen dieser Namen tragen: nein, das ist nichts anderes, das ist das gleiche Batch! ;-)
Verkostung des RA Barbados Rum 34 YO W.I.R.D. "Rockley Style" 1986:
Preis: die unverbindliche Preisempfehlung des Rockley liegt bei 329,90€ / 0,5 Liter.
Alter: von Dezember 1986 bis Januar 2021 durfte der Rum insgesamt ziemlich genau 34 Jahre im Fass reifen.
Lagerung: Continental Aging - der Rum lagerte während der gesamten Zeit seiner Reifung in Europa.
Fassnummer: die interne Fassnummer lautet #210. Dieses Fass ergab nur noch 162 Flaschen a 0,5 Liter.
Angel's Share: etwa 58% des Fassinhaltes gingen an die Engel.
Alkoholstärke: der Rum kommt in Fassstärke daher und weist einen Alkoholgehalt von 53,7 % vol. auf.
Destillationsverfahren: die offizielle Angabe lautet, dass der Rum im Pot Still Verfahren destilliert wurde. Über die genaue Verfahrensweise herrscht aber große Unklarheit, verschiedene Theorien dazu kursieren (s.o.).
Mark: BBR (former BRS and WIRR) "Rockley Style"
Farbe: kräftiges, goldenes Stroh.
Viskosität: der Rum verläuft langsam und zähflüssig in eher weiten, regelmäßigen und parallelen Schieren an der Glaswand hinab.
Nase: Breathtaking! Absolutely breathtaking! Ca. eine Stunde habe ich das ganze jetzt atmen lassen und kann nur positiv geschockt vor meinem Glas sitzen: denn in diesem finde ich Rockley-Essenz vor! Der Rum hat, verglichen mit dem Duncan Taylor, deutlich an Kraft, Intensität und auch an Reife gewonnen. Trotz dessen, dass beide einen sehr ähnlichen Alkoholgehalt aufweisen, beim Duncan Taylor sind es 52,7, beim RA noch 53,7% vol., kommt der RA deutlich stärker daher, wenn gleich ich größten Wert drauf lege, dass das an dieser Stelle ausschließlich positiv ausgelegt wird (der Alkohol ist hier wirklich fantastisch eingebunden!). Oder mit anderen Worten: die Verdünnung des Duncan Taylor anno 2012 ist deutlich wahrzunehmen, genau wie schon beim Crosstasting gegen den Silver Seal im Sommer! Im Bouquet dominieren beim RA natürlich der Waldhonig in toller Kombination mit einer ordentlichen Portion Rauch, viel Vanille und tatsächlich auch deutlicher Mango. Hier hat der Dominik in seinem Promo-Video also mal voll ins Schwarze getroffen. Chapeau! Über all dem liegt dann auch immer wieder so eine richtig schöne, schwere Süße, etwas, was dem Duncan Taylor imho so ein wenig fehlte, so dass man wirklich schon beinahe das Gefühl bekommt, an einem Glas Honig zu sitzen, in dem ein wenig Anis und andere Gewürze schwimmen, Schiefer, sowie auch etwas an Tanninen. Letztere fallen hier allerdings wesentlich gemäßigter aus als beim Silver Seal, so dass der RA noch einmal mehr klassischer Rockley Style ist, als es der Italiener aus 2020 ist. Das Fass scheint mir hier, in der Nase zumindest, auf den Punkt gereift zu sein! Je länger die Gläser nebeneinander stehen, desto deutlicher manifestiert sich dieser Eindruck. Der Duncan Taylor fällt gegen den RA gar richtig gehend ab, das ist total krass!
Abgang: das Finale ist dann letztlich auch genauso grandios wie der gesamte Rum bisher! Es verbleiben merkliche Süße und Honig, sogar etwas Mango und einige Tannine am Gaumen. Die Süße schlägt dann um ins trockene und sogar leicht bittere. Aber für 34 Jahre ist das noch fast jugendlich! Dem Silver Seal ist sein enormes Alter da schon deutlicher anzumerken. Ganz großes Kino!
-------------------------------------------------------------------------------------------------
Doch kommen wir endlich zum Rum: der König ist tot, es lebe der König! Das erste Mal seit 2012 führt mich definitiv kein Weg daran vorbei einen neuen König des Rockley-Styles auszurufen und es freut mich natürlich sehr, dass diese Ehre ausgerechnet einem RA zuteil wird und damit einem der sympatischsten Bottler-Label, das derzeit am Markt agiert! Einfach nur Extra-Klasse, was dieser Rum bietet und ich kann und möchte mich an dieser Stelle dann im Grunde auch einfach nur noch bei dir, Dominik, und deinem Team dafür bedanken, dass ihr das möglich gemacht und dieses in jeder Hinsicht außergewöhnliche Fass nach Deutschland gebracht habt! Dieser Rockley macht schlicht und ergreifend alles richtig und vereint sämtliche positiven Eigenschaften der bisherigen Referenzen. Der 18 YO Rendsburger hatte ein richtig geiles Profil, kam in Fassstärke daher, war aber alles andere als entspannt! Der Duncan Taylor hatte eine tolle Balance, hatte mehr als die damals üblichen 46% vol., aber es fehlte ihm minimal an Süße und letzten Endes hat ihm die Verdünnung auch nicht gut getan. Der Silver Seal wiederum kam zwar ohne Verdünnung aus und hatte ein recht komplettes Profil, aber die Tannine haben da auch schon ganz schön reingeschlagen. Ihm fehlte so ein wenig das Rockley der alten Tage. Der RA hingegen zieht überall das beste raus und gönnt sich keines der kleinen Makel der anderen Rums, so dass da am Ende natürlich eine Wertung herauskommt, die -zurecht- sehr nahe an der Topwertung ist:
-97/100-
Darüber hinaus musste ich nach dem heutigen Crosstasting auch das Verhältnis zwischen dem Duncan Taylor und dem Silver Seal noch einmal korrigieren und neu bewerten und habe mich dazu entschlossen, den Duncan Taylor leicht abzuwerten, auf dann 93 Punkte. Der Silver Seal verbleibt bei sehr starken 95 Punkten.
PS: Nutzer der Rum Tasting Notes App finden diese Abfüllung auch hier:
Bis demnächst
Flo
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen