Sonntag, 3. Januar 2021

Interview mit Caroni-Buch Autor Steffen Mayer (Stefano Caroni)



Liebe Rum Gemeinde,

ich habe hier auf BAT und auch an anderer Stelle ja bereits mehrfach angeschnitten, dass es da draußen jemanden gibt, der seit geraumer Zeit an einem Buch über eine Lost Distillery arbeitet, die viele von uns vermutlich als ihre Lieblings-Brennerei angeben würden: die Caroni Destillerie auf Trinidad! Nun ist die Zeit gekommen, euch den Mann näher vorzustellen, dessen Buch-Projekt ich nun bereits seit zwei Jahren mit Begeisterung begleite. Herzlich Willkommen, Steffen Mayer!


Zum Autor:

Der gebürtige Hohenloher und Rum-Liebhaber Steffen Mayer, den viele sicher auch unter seinem Facebook Pseudonym "Stefano Caroni" kennen, arbeitet in seiner neuen Heimat im schönen Allgäu bereits seit geraumer Zeit und mit großer Akribie an einem viersprachigen (DE/ENG/FRA/IT) Fachbuch zum Thema Caroni Rum! Durch zahlreiche, erfolgreich absolvierte Triathlons in der Vergangenheit ist ihm eine starke Ausdauer und ein langer Atem gegeben, die es jeweils ebenso benötigt um ein solches Buchprojekt zu stemmen. Einst ein wahrer Workaholic, setzt Steffen heute stattdessen ganz bewusst auf Entschleunigung und darauf, vor allem seiner Leidenschaft für das Thema Caroni zu folgen und darin sein enormes Energielevel umzusetzen. Darüber lernte ich Steffen schließlich vor ziemlich genau zwei Jahren kennen und ich erinnere mich noch gut an unsere erste Begegnung in einem Restaurant in Hamburg im Rahmen der Hansespirit 2019, bei der mir Steffen große Teile seiner bisherigen Recherchen vorlegte und diese mich sehr zu beeindrucken vermochten. Anschließend trafen wir uns auch noch weitere Male, u.a. in Berlin und bei mir zuhause im Rahmen einer Interview Reise von Steffen zu Thomas Krüger von Krüger's Whiskygalerie. Doch lassen wir ihn am besten selbst ein wenig zu seinem Buch erzählen!


Das Interview:


Steffen, wann bist du das allererste Mal mit Rum im Allgemeinen und mit Caroni im Besonderen in Kontakt gekommen und wie kam es dann zur Buch Idee?

Steffen: Hallo Flo, das erste Mal, dass ich mit Rum in Kontakt kam, war im Jahr 2013, als ich zwischen zwei Terminen Zeit hatte und in Göttingen bummeln war. Ich wollte mir eigentlich einen Whisky kaufen, doch ein besonderer Spirituosen Händler empfahl mir, einen Rum zu probieren. In seinen Augen, so sagte er es damals, sei es die meist unterschätzte Spirituose überhaupt. Er verkaufte mir daraufhin einen Plantation XO 20th Anniversary in der alten Version mit der bauchigen Flasche. 
Geöffnet habe ich die Flasche aber erst im Jahr 2015 in unserer neuen Wohnung in Oberstaufen und war begeistert. Die Flasche war schnell leer und ich wollte daraufhin eine neue kaufen. Ich musste etwas suchen, da sich das Flaschendesign geändert hatte. Da ich lieber im stationären Handel kaufe, ging ich zu einem Händler in unserer Region. Dieser verlangte beinahe das Doppelte für die Flasche als im Internet, das verärgerte mich sehr und ich beschloss die Flasche doch im Internet zu kaufen. Meine „schwäbischen Gene“ sorgten dann dafür, dass ich noch eine weitere Flasche dazu bestellte, damit der Versand kostenlos war. Ich beschäftigte mich etwas mit den Bewertungen und entschied mich für eine Flasche Bristol Caroni 1996. Diese öffnete ich dann wieder erst ein Jahr später, als mein Schwager, ein Whiskysammler, meinte: „Steffen mach mal was Gutes auf“. Da der Caroni Rum die einzige Flasche war, die nicht offen war, öffnete ich diese. Mein Schwager war sofort begeistert und meinte: „ein Hammer Stoff – was kostet denn so ein Rum“? Ich sagte zu ihm, es wären so um die 60,00 Euro gewesen, aber er solle kurz warten, ich würde es googlen. Zu meinem Erstaunen kostete die Flasche weit über 100,00 Euro - ich fragte mich, warum die auf einmal so teuer war und begann zu recherchieren. Im Netz gab es viele widersprüchliche Aussagen. Trotzdem erkannte ich das Potential und legte mir einige Flaschen zu. Im Jahr 2017 habe ich weitere Flaschen bei Jens Gehlert von Limited-Whisky.de bestellt und sie persönlich bei ihm abgeholt. Wir unterhielten uns über Caroni Rum und ich sagte zu ihm: „Ich glaube ich schreibe ein Buch darüber, denn im Netz stehen so viele Sachen die gar nicht stimmen“. Jens war früher Verleger und bekräftigte mich sehr in dieser Idee.


Egon, Stefan, Flo und Steffen (v.l.n.r.) beim 9th GRF 2019 in Berlin
Picture by Johnny Drejer


Jetzt sitzt du ja bereits seit über zwei Jahren am Buch - in Vollzeit! Als wir uns Anfang 2019 kennenlernten, rechnetest du damit im Herbst 2019 zum 9. German Rum Fest fertig zu sein. Nun schreiben wir das Jahr 2021 und du sitzt noch immer am Buch. Kannst du uns den Umfang deines Buches grob skizzieren?

Steffen: Das liegt daran, dass mein erster Gedanke für das Buch eine Art „Collectors Guide“ für Caroni Rum war, mit vielen Bildern der ganzen Abfüllungen. Die Geschichte von Caroni sollte eine untergeordnete Rolle spielen. Doch egal wohin ich kam, wurde ich genau nach dieser gefragt. Deshalb begann ich damit mir aktuelle Literatur über Rum zu besorgen und musste feststellen, dass diese sehr oberflächlich war. Ich knüpfte über das Internet viele Kontakte im Bereich Rum und beschäftigte mich mit alter Literatur über die Herstellung von Rum. Das Ganze machte ich 24/7, da ich Ende 2016 meinen Job gekündigt hatte. Es wurde zu meiner Passion ein Buch zu schreiben, das auf Fakten basierend erläutert, was zum Untergang der Caroni Destillerie geführt hat. Aber noch viel wichtiger war mir, für jeden verständlich zu erläutern, was Caroni so einzigartig macht. Dafür muss man verstehen wie Rum hergestellt wird und was bei Caroni anders gemacht wurde. Die letzten 2 Jahre habe ich mich nahezu nur mit diesem Thema auseinander gesetzt. In der Zwischenzeit weiß ich, für ein gutes Buch braucht man Zeit - und keinen Zeitdruck. Der Leser wird mehr Informationen über Caroni erhalten, als er sich erhofft hat. Alles über die Fermentation, bis hin zu der Frage welche Hefe bei Caroni verwendet wurde. Welchen Einflüssen der Rum unterlegen hat und mit welchen Destillationsmethoden er hergestellt wurde. Welche Marks es bei Caroni außer LTR und HTR gab und wie diese hergestellt wurden. Ob es Flaschen mit falschen Marks gibt oder anderen fehlerhaften Angaben? Was ist mit den über 18.000 Fässern passiert…





Das klingt überaus beeindruckend und vor allem vielversprechend! Nachdem du dich dementsprechend mit Caroni und seinen Geheimnissen derart intensiv auseinander gesetzt hast... wird es dir also tatsächlich möglich sein zu erklären, warum um alles in der Welt der Rum von Caroni so schmeckt wie er eben schmeckt und warum es kaum etwas vergleichbares dazu gibt?

Steffen: Diese Frage beantworte ich ganz klar mit JA!



Das ist eine Ansage! Dürfen wir dementsprechend auch davon ausgehen, dass vieles bisheriges Wissen durch dich in deinem Buch widerlegt werden wird und wenn ja, möchtest du ein paar grobe Einblicke darin geben welche Bereiche das betreffen wird?

Steffen: Ob vieles Wissen in meinem Buch widerlegt wird, das glaube ich eher nicht. Aber ich bin davon überzeugt, dass sich die Sichtweise vieler Rumliebhaber verändern wird. Zum heutigen Zeitpunkt muss ich feststellen, dass der Fermentation relativ wenig Beachtung geschenkt wird und in der Szene ein regelrechter Destillationsfetisch herrscht. Wenn die Destillation der Höhepunkt ist, wie kann es dann sein, dass zum Beispiel ein Hampden OWH und ein Hampden DOK ein so unterschiedliches Geschmacksprofil haben? In diesem Punkt möchte mir, glaube ich, kaum jemand widersprechen, dass dies rein mit der Fermentation zusammen hängt. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen und behaupten, dass die Fermentation mindestens 80% Einfluss auf das Endprodukt hat. Ist die Fermentation schlecht, kann der beste Destillateur, mit dem besten Equipment, keinen guten Rum mehr herstellen. Diese Aussage hält natürlich nur dann Stand, wenn der Rum zum Schluss nicht mit einer Multi-Column auf 97,0% vol. gebrannt wird. Ich wünsche mir, dass wir weg von einem Destillationsfetisch hin zu einem Fermentationsfetisch kommen. Leider sieht ein Bild von einer Pot Still besser auf einem Flaschenlabel aus, als ein Bild von einem blubbernden Fermenter …hahaha.



Ja, das klingt plausibel. Du wirst bei deinem Projekt u.a. auch von Luca Gargano unterstützt, der in der neueren Geschichte von Caroni ja nicht nur eine bedeutende, sondern vielleicht sogar die zentralste Rolle überhaupt einnimmt. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Luca? 

Steffen:
Luca habe ich schon ein paarmal getroffen. Doch für ein Interview habe ich mir sehr lange Zeit gelassen. Denn um die richtigen Fragen stellen zu können, muss man tief in der Materie drin sein. Mir war klar, dass man sich mit Luca Gargano nie auf Augenhöhe unterhalten kann, da er sein Leben lang in diesem Bereich tätig war. Doch im September 2020 war ich mir sicher für Luca gewappnet zu sein und besuchte ihn in Genua. Was ich dort erleben durfte war für einen Caroni Enthusiasten wie mich unglaublich. Luca nahm sich für mich 4 Tage Zeit, er ließ viele Leute warten, um mit mir über das Thema Caroni zu philosophieren. Es war mir stellenweise peinlich, wenn ich merkte es wartet ein Geschäftstermin schon eine Stunde auf ihn und Luca darauf beharrte unser Gespräch erst zu Ende zu führen. Ich werde den ersten Tag nie vergessen, als er mir einen blauen Ordner aushändigte und meinte: „Hier ist der gesamte Schriftverkehr mit Rudy Moore, das kannst du alles abfotografieren. Aber als erstes gebe ich dir mal alle Rechnungen von den Caroni Fässern die ich gekauft habe.“ Ich war fassungslos, denn Transparenz ist sonst nicht gerade die Stärke dieser Branche. Luca erzählte mir Geschichten, da habe ich dreimal gefragt: „Darf ich wirklich darüber schreiben?“ und er meinte nur: „Klar, das ist die Wahrheit und über die kann man immer schreiben.“ Ich kann mich vor Lucas Offenheit nur verneigen.

Luca Gargano mit Steffen Mayer in Genua 2020


Erhältst du auch Unterstützung weiterer unabhängiger Abfüller, die viele Caroni abgefüllt haben, wie z.B. John Barrett aus England, der ja ebenfalls in größerem Stil bei den Auktionen damals zugeschlagen hat?

Steffen: John Barrett hat Fässer mit Caroni Rum erworben, aber nicht bei der Auktion im Jahr 2008. Ihn habe ich bereits 2018 angeschrieben. Dies war zu einem Zeitpunkt als ich noch bei weitem nicht dieses Fachwissen und Detailwissen zu Caroni hatte wie heute. Auf jeden Fall hat er damals das Interview unter einem fadenscheinigen Argument abgelehnt. Ich habe über verschiedene Personen aus seinem Umfeld versucht an Informationen von ihm zu kommen, stellenweise auch ohne dass er wusste, dass die Frage von mir kam – meistens kam keine Antwort oder er hat es als Fragen von Fanatikern abgetan. Insgesamt behaupte ich, dass John Barrett ein sehr introvertierter Mensch ist, der nicht gerne Fragen zu seinen Abfüllungen beantwortet. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass ich ihn im nächsten Jahr besuchen werde. 



Das ist schade, aber dann hoffe ich für dich und für uns Leser, dass es dir an der Stelle noch gelingen wird, einen Zugang zu finden. Für dein Buch war 2020 aber auch noch eine Reise nach Trinidad geplant, die sich auf Grund der weltweiten Pandemie bislang aber noch nicht ergeben hat. Was versprichst du dir von deinem Besuch dort?

Steffen:
Covid-19 ist schrecklich. Für mein Buch war es Fluch und Segen zugleich. Meine Reise nach Trinidad im April 2020 wurde storniert. Das war ein echter Schock für mich, denn für Trinidad besteht seit diesem Zeitpunkt bis heute ein Einreiseverbot. Doch ich habe schnell festgestellt, dass die Leute dort auch isoliert waren und Interviews mit mir als willkommene Abwechslung angesehen haben. Personen die nie reden wollten, waren auf einmal bereit ein Interview zu geben. Dies führte dazu, dass das Jahr 2020 mein produktivstes war. Trotzdem ist es mir wichtig nach Trinidad zu reisen, denn einen Autoren der selber nie vor Ort war über was er schreibt, würde ich persönlich nicht ernst nehmen. Des Weiteren weiß ich sehr genau, welche Unterlagen noch vor Ort zu bekommen sind, die die letzten Lücken schließen. Es gibt auch in Trinidad Sammler von Rum, die noch viele alte Abfüllungen vom lokalen Markt haben, die ich noch fotografieren muss. Doch nicht nur Trinidad ist für mich wichtig, sondern auch viele Länder in Europa. Denn ich möchte mit allen unabhängigen Abfüllern die Caroni Rum abgefüllt haben ein persönliches Interview führen. Viele Etiketten haben nur unzureichende Informationen und ich empfinde es auch als äußerst interessant dem Leser mehr über den jeweiligen Abfüller zu erzählen. Auch hinter ihnen stecken oft interessante Geschichte. Ich möchte behaupten, dass jeder unabhängige Abfüller der etwas auf sich hält einen Caroni Rum abgefüllt hat und daher hat das Buch den Zusatznutzen eine kleine Enzyklopädie der unabhängigen Rumabfüller zu werden. Dazu sind noch über 80 Interviews nötig und die Pandemie kann mich hierbei noch ganz schön ausbremsen. Trotzdem ist es mein Ziel, Ende 2021 dieses Projekt abzuschließen!



Darauf freue ich mich und freuen wir uns alle sehr! Vielen Dank für deine Zeit und die überaus spannenden Einblicke in deine großartige Arbeit!






Bild 1: Steffen Mayer in seiner Heimat im Allgäu

Bild 2: Steffen Mayer 

Bild 3: Egon, Stefan, Flo und Steffen in Berlin beim bis dato letzten GRF 2019 - Picture by Johnny Drejer

Bild 4: Samples von Originalabfüllungen die ich mit Steffen zusammen in diesem Jahr verkosten werde.

Bild 5: Original Sample von Rum Distillers of Trinidad & Tobago aus dem Jahr 2005 bei Velier in Genua, von einer der begehrtesten Velier Abfüllungen überhaupt.

Bild 6: Steffen Mayer mit Luca Gargano bei Velier in Genua im September 2020

Bild 7: Dieses Bild entstand im Dezember 2004 durch Fredi Marcarini, der 2020 leider verstorben ist, und wurde von Luca Gargano zur Verfügung gestellt. Es zeigt wie einige der letzten Abfüllungen vom Caroni Stallion Puncheon für den lokalen Markt abgefüllt wurden.

Bild 8: Ein altes Caroni Dark Jewel Flaschenlabel

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