Donnerstag, 27. Dezember 2018

Barrel Aged Thoughts 2018 - Ein Rückblick

Liebe Rum Gemeinde,

das Jahr 2018 neigt sich dem Ende entgegen und hinterlässt uns glücklicherweise auch einige Rum-Abfüllungen, über die es sich glaube ich durchaus lohnt, noch einmal zu sprechen. Um eines dabei aber vorweg zu nehmen: anders als 2017 war 2018 aus meiner Sicht nicht das Jahr der absoluten und unbedingten Highlights. Keiner der Rums dieses Jahr wäre aus meiner Sicht z.B. ein echter Kandidat für eine Top 10 Liste des gesamten Jahrzehnts, während sich dort 2017 schon mindestens zwei Rums fanden, die für mich ganz sicher in einer solchen Rangliste vertreten wären. Was nun aber vielleicht für den einen oder anderen nach Enttäuschung klingt, ist in Wahrheit einfach eine (leider nur semi-elegant gelungene) Überleitung dahin, dass das Jahr 2018 für mich zwar nicht unbedingt eines ist, welches zu großen und lauten Rankings einlädt, wohl aber ein überaus spannendes Jahr gewesen ist, mit vielen Premieren, einem Messebesuch in Köln, neuen Wegen, weiter beschrittenen Wegen und vielen vielleicht nicht überragenden, aber sehr soliden Rums - und natürlich einem gigantischen Sommer mit unzähligen Mai Tais! Ein Rückblick.




Prolog:

Meine Reise durch 2018 beginnen möchte ich im Epilog von 2017, als ich meine Hoffnungen und Erwartungen auf das nun demnächst hinter uns liegende Jahr wagte. Mein Fokus lag dabei auf New Yarmouth, St. Lucia Distillers, der South Pacific Distillery und auch auf Sancti Spiritus als ewiger Geheimfavorit. Kurz und schmerzlos kann man denke ich konstatieren, dass sich da, bis auf New Yarmouth, leider nicht viel getan hat. Das ist zwar einerseits schade, ganz persönlich hatte ich gerade bei St. Lucia wirklich stark gehofft, aber auf der anderen Seite bin ich doch sehr erfreut darüber, dass New Yarmouth keine Eintagsfliege geblieben ist, sondern sich innerhalb eines Jahres einen festen Platz innerhalb der Szene gesichert hat. Und das vollkommen zurecht, wie ich finde!


Cologne Spirits: 

Im März stand dann die Cologne Spirits in Köln an, und damit die erste Premiere in diesem Jahr, auf die ich gerne eingehen möchte. Marcus Stock und Christoph Schreiber organisierten mit großem Erfolg eine weitere große Rum- und Spirituosenmesse in Deutschland neben dem German Rum Fest in Berlin, die in 2019 auch seine Fortsetzung erfahren wird. Neben erstklassigen, interessanten und spannenden Ausstellern zu aktuellen Abfüllungen konnte mich vor allem der Raritäten-Stand von Rene van Hoven begeistern, an dem auch Bottlings aus längst vergangenen Tagen probiert werden konnten. Viele davon sogar zu mehr als fairen Kursen - ich sag' nur Albion 1986 *hust* :-) Vielen Dank dafür noch einmal, Rene und ich hoffe, dass man dich dort 2019 auch wieder findet! 
Darüber hinaus bot die Messe aber auch den Rahmen und die Möglichkeit für einige von uns Bloggern und anderen Rum-Nerds, sich in privater Runde zusammenzufinden und vieles zu probieren und sich auszutauschen. So entstand ein unvergesslicher Abend bei Marius von SCR, bei dem ich während der drei Tage in Köln auch unterkommen konnte. Vielen Dank noch einmal für alles!



Mein Bericht zur Cologne Spirits: Messebericht


BAT on facebook:

Nur einen Monat später, im April, folgte dann für mich ganz persönlich ein Sprung über den eigenen Schatten, indem ich eine Facebook-Präsenz für BAT einrichtete. Ja, hab ich wirklich gemacht. Ich, der immer dagegen war. Aber wie war das? Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit? Die Erkenntnis, dass ich mich nicht jedem ungeliebten Wandel auch immer verschließen kann, war an dieser Stelle größer, als meine persönliche Abneigung, die deshalb ja keineswegs vollständig gewichen ist. Und ohne jeden Zweifel hat diese Entscheidung BAT genutzt, größer gemacht und vor allen Dingen auch internationaler gemacht. Zwar schreibe ich auch weiterhin auf Deutsch, da das die einzige Sprache ist, in der ich mich meinen eigenen Ansprüchen gegenüber gerecht ausdrücken kann, aber die Reichweite hat dennoch stark zugenommen. Somit kann ich inzwischen, nach acht Monaten, sagen, dass das der absolut richtige Schritt war.

facebook.com/mybarrelagedthoughts/


Hampden DOK:

Noch im gleichen Monat stand dann bereits das nächste Highlight 2018 und eine weitere Premiere an, nämlich der Release des Letters of Marque Hampden DOK 8 YO Jamaica Rum in voller Fassstärke! Wir als Blogger von SCR, RUMBOOM und BAT hatten uns mit Sascha zusammengetan und bei der Main Rum Company auf der Insel einen Hampden DOK aufgespürt. Diesen holten wir dann mit der Hilfe des unabhängigen Abfüllers The Rum Cask ins Land, die letztlich dann auch das Bottling übernahmen. Der LoM war zwar nicht der erste DOK am Markt, das war meines Wissens nach der Kintra aus dem gleichen Jahrgang, aber er war der erste, der in voller Fassstärke abgefüllt wurde und der auf dem Label auch als DOK ausgewiesen war. Der gesamte Prozess zog sich über ein dreiviertel Jahr hin und wir bekamen in der langen Zeit, in der immer wieder einiges an Geduld gefragt war, viele Einblicke in die Arbeit eines UA (IB) und ich möchte auch diesen Moment nicht ungenutzt lassen und Jens und dem gesamten Team bei TRC sehr herzlich für die Zusammenarbeit danken! 
Geschmacklich war der DOK meines Erachtens ein guter Rum, den ich auch pur nach wie vor gerne trinke, aber in Konkurrenz zu lange gereiften Hampden aus den 1990ern und frühen 2000ern steht er für mich noch nicht. Da besteht bislang schon nochmal ein Qualitätssprung in meinen Augen, aber das ist bei gerade einmal acht Jahren Reife auch nicht verwunderlich. Es ging hier darum, diese Extremität einmal erlebt zu haben und zu sehen, wo Hampden sein eigenes Maximum hat und in dieser Hinsicht war der DOK sehr aufschlussreich, denn anders als ich erwartet hatte, bot auch der DOK ein Ester-Level, welches ich noch als angenehm zu trinken empfinde. Wo der Rum dann mit 15 bis 20 Jahren steht, da bin ich schon sehr gespannt!
Ein Gewinn war der DOK auf jeden Fall aber auch für den Mai Tai und fast wirkte es schon ein wenig so, als ob man ihn extra für diesen extrem trockenen Sommer und damit für die bitter benötigten kühlen Drinks bestellt hätte.



Review zum Letter of Marque 8 YO Hampden DOK 2009
➜ Review zum Mai Tai mit Letter of Marque 8 YO DOK 2009


Caroni:

Die erste Jahreshälfte und auch die Jahresmitte waren bei mir aber auch geprägt von Tropfen, die schon vor 2018 erschienen sind und die vermutlich im Jahr 2000 das letzte Mal destilliert wurden: die Rede ist natürlich von Caroni! Ich habe mir damit zunächst viel Zeit gelassen, um erst einmal einen breiteren Überblick über Caroni insgesamt zu bekommen und dann damit begonnen viele dieser Rums, vor allem von Velier, hier zu verkosten und vorzustellen, da sich Caroni bei mir in 2018 definitiv als eine neue Liebe, zwischen Jamaica und dem so genannten "Rockley"-Style von Barbados verfestigt und etabliert hat. Schade, dass es die Preisentwicklung einem immer schwerer macht, an noch weitere Flaschen zu gelangen. Nichts desto weniger bin ich aber natürlich weiterhin motiviert, so viele Abfüllungen wie möglich noch zu probieren, bevor man letztlich wohl nie wieder dran kommen wird.

Hier eine Auswahl an Caroni-Reviews aus diesem Jahr:


Neuheiten und Premieren:

Natürlich wurden in 2018, und insbesondere in der zweiten Jahreshälfte, auch einige Neuheiten veröffentlicht, von denen einige auch durchaus Aufsehen erregen konnten. Von Hunter Laing (Kill Devil) beispielsweise wurden für The Whisky Barrel je zwei Rums aus Hampden der Jahrgänge 2007 und aus 2001 veröffentlicht, wobei insbesondere der Jahrgang 2007 für Konfusion sorgte, da Hampden zu dieser Zeit geschlossen war. Es kam dann heraus, dass es durch National Rums of Jamaica (NRJ) zu dieser Zeit eine Art Probe-Destillationsdurchlauf gegeben haben soll, aus dem dann diese Rums resultiert seien. Beide Rums schmeckten hervorragend und hatten einen sehr hohen Estergehalt. Eine unerwartete Entdeckung in 2018!

➜ Review zum Kill Devil Jamaica Rum 10 YO Hampden 2007


Bereits recht früh in 2018 wurde bekannt, dass auch Velier wieder einiges vorhaben würde in diesem Jahr. Zu Beginn erschienen bereits zwei Caroni aus dem Jahr 2000, jeweils für den US-, bzw. den EU-Markt gedacht und einige Zeit später kam dann auch noch ein Caroni 100th Anniversary Bottling, in einer Flasche, die komplett einer Abfüllung aus den 1940er Jahren nachempfunden war. Es machten aber auch Gerüchte um einen Heavy Type Antigua Rum und um vier Rums aus Long Pond schnell die Runde, sowie um eine so genannte Employee-Serie, mit welcher man ein Tribute für die ehemaligen Arbeiter von Caroni setzen wollte. Diese erschienen dann in der zweiten Jahreshälfte und waren, wie zu erwarten, von großem Interesse begleitet. Mein heimliches Highlight war tatsächlich auch der Antigua, der sehr fair bepreist daher kam und im Grunde für mich all jene Kriterien erfüllte, die ich an einen Rum habe, wenn es mal nicht das ganz große Kino sein soll. Stichwort: Barbeque! Seitdem ist bei mir auch eine barbadische Destillerie komplett aus allen Regalen ausgezogen, deren Namen ich bereits vergessen habe. Sowas kommt vor, war wohl nicht so wichtig. 😄
Für mich als Jamaica-Head in besonderem Maße spannend waren aber natürlich die vier Long Ponds, der Cambridge, der Vale Royal, der TECA und der TECC, deren jeweilige Geschichte ich euch im Zuge der Releases mit großer Freude dargelegt habe. Bis auf den Vale Royal waren das auch alles Stile, die es so bisher nie abgefüllt zu kaufen gab, und die uns Connaisseuren somit erstmals zugänglich gemacht wurden. Mein persönlicher Favorit, zum Zeitpunkt der Reviews wollte ich mich da noch nicht festlegen, ist aber inzwischen der Vale Royal, der darüber hinaus auch das klar beste Preis-Leistungs-Verhältnis aufweist. Ein wirklich starker Rum, den ich sehr empfehlen möchte. Eine Blindverkostung vor kurzem unterstrich allerdings auch meinen Eindruck, dass der Rum tatsächlich sehr lange im Glas braucht, bis er wirklich einschlägt. Er braucht Geduld und ich empfehle daher ebenso sehr, ihm diese zuteil werden zu lassen.
Darüber hinaus veröffentlichte Velier auch noch einige Rums unter dem Label Habitation Velier, wobei hier einige ungelagerte Rums besonders hervor stachen, darunter ein Long Pond STC❤E, ein Hampden <>H und ein Savanna HERR. Alle drei Rums werden im neuen Jahr auch noch ihren Weg auf BAT finden!



➜ Hier die bisherigen Reviews:


Und die anderen unabhängigen Abfüller? Waren die untätig? Selbstverständlich nicht, ganz im Gegenteil! Auch dort sind einige wirklich tolle Rums erschienen, von denen hier auch noch Samples stehen, bei denen ich es aber auch noch nicht geschafft habe, sie auf BAT zu besprechen und vorzustellen. Da wären u.a. von 1423 World Class Spirits noch ein New Yarmouth 2005 und junger Hampden DOK aus 2018 mit Sherryfinish oder von Plantation die beiden Long Ponds ITP und HJC. Auch die Transcontinental Rum Line hat mit 2012 einen bisher noch unbekannten Hampden Jahrgang veröffentlicht. Von Compagnie des Indes stehen hier noch ein Hampden DOK 2009, ein Multi Distillery Blend oder ein New Yarmouth 2005. RA (Rum Artesanal) haben dieses Jahr meines Erachtens einen ebenso tollen Job gemacht, einiges an spannenden Abfüllungen im Portfolio gehabt. Deren Caroni 1998, der Long Pond 2000 und der Clarendon 2007 warten auf nochmalige Verkostung. Und ganz frisch eingetroffen sind da auch noch ein Mount Gay 2000 und ein Monymusk 2004 von Kintra und ein Sample eines Navy Rums aus den 1940er Jahren von Nicolas Kröger.
Außerdem sind da auch noch zwei Proben, die nochmal eine gesonderte Aufmerksamkeit verdienen, nämlich ein ungelagerter DOK mit über 85% vol. und ein ebenfalls ungelagerter Rum aus der reaktivierten Vulcain Still von WIRD mit 60,7% vol., der hoffentlich noch etwas mehr Licht ins Dunkel rund um den so genannten "Rockley"-Style bringen kann! Da ist also auch immer noch genug zu tun im neuen Jahr und ich freue mich sehr darauf!


Aufräumarbeiten:

Beim großen Herbstputz bin ich über viele meiner alten Verkostungsnotizen gestolpert, die ich von den probierten Rums damals angefertigt hatte. Da die meisten dieser Rums heute antik und längst vom Markt verschwunden sind, habe ich sie hier online gestellt, um zumindest allen, die diese Rums damals nicht probieren konnten, weil sie erst später zur Szene dazu gestoßen sind, die Möglichkeit zu geben, über diese Rums ein wenig zu erfahren. Dazu habe ich sie auch in den gegenwärtigen Konsens eingeordnet und mir nicht zuletzt auch zu den aufgerufenen Preisen, damals und heute, ein paar Gedanken gemacht.



➜ Hier die einzelnen Sessions:


Noch nicht veröffentlicht habe ich hingegen ein paar Verkostungsnotizen zu einigen alten Cadenhead Cask Strength Abfüllungen, u.a. aus Guyana, Barbados und St. Lucia. Diese folgen im neuen Jahr 2019. 


Epilog:

Das war es also, mein Rum Jahr 2018. Was aber, sind meine Wünsche, Erwartungen und Hoffnungen für 2019? Im Endeffekt ähnlich wie im letzten Jahr! Ich wünsche mir unbedingt, dass von St. Lucia mehr kommt! Das wäre großartig! Weiterhin wünsche ich mir aber auch, ab und zu mal überrascht zu werden, so wie das mit den Long Ponds oder dem Antigua bei Velier passiert ist, die ich letztes Jahr zu dieser Zeit noch überhaupt nicht auf dem Zettel hatte. Ich erwarte, noch einige weitere alte Caroni probieren und hier vorstellen zu können (und weiß gleichzeitig schon jetzt, dass ich da tatsächlich auch schon einiges in der Pipeline habe😎) und ich habe auch die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass wir vielleicht noch das eine oder andere aus den ganz alten Batches noch einmal zu Gesicht bekommen. Ein 1986er WIRD mit dann schon 33 Jahren wäre doch mal was und man wird ja noch träumen dürfen.
Darüber hinaus möchte ich im nächsten Jahr auch mit einigen Langzeit-Projekten noch weiterkommen. Das betrifft insbesondere die Seiten zu Jamaica Rum, zu Hampden, zu Worthy Park, zu Clarendon, zu Trinidad Rum, zu Caroni, zu Barbados Rum und zu WIRD. Die Seiten zu Long Pond und Wray & Nephew hingegen sind nahezu fertig. Immerhin!
Und ansonsten? Marius von SCR hat nun ein Scoring-System für seine Rums auf seinem Blog eingeführt. Ein Gedanke, der auch mich im Sinne einer besseren internationalen Vergleichbarkeit schon mehrfach umgetrieben hat, zumal ein solches System im privaten Rahmen längst nebenher läuft. Ich habe da bekannte vorbehalte, allerdings hat sich meine Ansicht dazu schon auch ein Stück weit verändert. Die Frage ist da also letztlich wohl am ehesten, ob ich auch hier quasi den "facebook-Move" wage, oder nicht. Ich bin da noch nicht final entschlossen, aber am Ende könnte es durchaus so kommen.

Und zu guter Letzt möchte ich mich natürlich auch noch bei euch, also bei all meinen Leserinnen und Lesern bedanken, dafür, dass ihr genau das seid, also Menschen, die auch längere Beiträge wie diesen hier immer wieder, Woche für Woche auf's neue lesen. Denn das ist letztlich auch für mich häufig zusätzliche Motivation mich hinzusetzen und Beiträge zu verfassen. Ihr seid spitze und ihr seid dieses Jahr um einiges mehr geworden und das freut mich sehr! Und damit wünsche ich nun euch, liebe Leser, erst einmal einen guten Rutsch und ein erfolgreiches neues Jahr 2019! Wir sehen uns wieder!

Bis dahin,
Flo

Sonntag, 2. Dezember 2018

More extinct Long Ponds

Liebe Rum Gemeinde,

ja, es geht tatsächlich immer noch weiter mit den alten Notes. Gerade zu Long Pond habe ich damals unheimlich viel probiert, das meiste aber nur im Mai Tai vorgestellt. Und so kommen heute dementsprechend noch weitere fünf Long Pond Rums von damals pur verkostet. Einziges Problem bei einigen der Flaschen war nur, dass ich seinerzeit nicht immer Fotos gemacht habe. Dadurch muss ich zum Teil auf Bilder von Rum Regalen von damals zurückgreifen, auf neuere Bilder oder, wie letzte Woche, auch auf Bilder anderer. Einen herzlichen Dank noch einmal an Sascha! So allerdings erklärt es sich, dass an dieser Stelle nicht jedes Label in der gleichen Weise hoch aufgelöst abgebildet werden kann. Dies bitte ich zu entschuldigen! Und damit auch schon direkt zu den Rums! 




Die verkosteten Jamaicaner:

- TWA & The Nectar Jamaica Rum 35 YO Long Pond 1977 - 52,9% vol.
- Cadenhead Green Label Jamaica Rum 15 YO Long Pond 1986 - 46% vol.
- Bristol Classic Rum Jamaica 16 YO Long Pond 1986 - 46% vol.
- Berry's Own Selection Jamaica Rum 18 YO Long Pond 1986 - 46% vol.
- Plantation Jamaica 8 YO (wax sealed) - 45% vol.

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TWA & The Nectar Jamaica Rum 35 YO Long Pond 1977 - 52,9% vol.

Nase: mich begrüßt eine schöne, sehr kräftige und eindeutige Long Pond-Nase. Die lange Reife merkt man ihm positiv an, wenn gleich ich schon fast meine, dass er sich, gemessen an seinem Alter, erstaunlich jung gehalten hat. Ich habe eine schöne Liaison aus Nuss und fruchtiger Frische, kombiniert mit verschiedenen Einflüssen vom Fass.

Gaumen: der Long Pond erscheint sehr vollmundig und körperreich am Gaumen und hat grundsätzlich alles, was ein lange gereifter Long Pond aus 1977 haben sollte, allerdings ist er nicht unbedingt der komplexeste alte Long Pond.  Ich habe Ananas, Bananen, Nuss, vegetale Töne, ich habe Anis und ich habe auch Geäst. Der erhöhte Alkoholgehalt tut ihm gut.

Abgang: lang und wie man es von einem alten Long Pond mit um die 55% vol. erwarten darf! Hervorragend!


Fazit: ein wirklich sehr guter Rum aus Long Pond, der zu den besten, allerdings nicht zu den allerbesten Rums der Destillerie gezählt werden darf. Was mir höchstens ein wenig fehlt ist Komplexität, dahingehend, dass ich nach wiederholten Verkostungen wenig neues gefunden habe. Der ursprüngliche Ausgabepreis lag bei ca. 160,- Euro und das ist er auch aus heutiger Sicht absolut wert. Der Preis auf dem Secondary Market liegt heute freilich ungleich höher. Ich denke, dass man mit 300,- bis 400,- Euro ca. rechnen müsste, wollte man ihn heute kaufen. Ob er das wert ist? Das sind Bereiche, in denen das irgendwann jeder mit sich selbst ausmachen muss, allerdings hat der Rum definitiv die Qualität, um dass ich hier auch zu einem Ja tendieren könnte.



Cadenhead Green Label Jamaica Rum 15 YO Long Pond 1986 - 46% vol.

Nase: mich begrüßt eine sehr grasige, vegetale, eher zurückhaltende Nase. Ein Hauch von Nuss im Hintergrund. Die Verwandtschaft zum IRW in Fassstärke ist offenkundig, aber die Verdünnung nimmt ihm leider einiges an Power.

Gaumen: auch hier kann er weder seine Verwandtschaft zum IRW, noch seine Verdünnung leugnen. Letztere hält sich allerdings in einem akzeptablen Rahmen, so dass dieser Rum im Grunde eine entspanntere Version vom IRW ist, bei der das Fass noch nicht ganz so, der Brennereicharakter dafür etwas stärker durchkommt.

Abgang: leichte Nuss-Note, trocken und eher langer Nachklang.


Fazit: ein Rum, dessen Ausgabepreis vorbildlich in Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhältnis war! Ca. 40,- Euro hat der Rum damals gekostet und dafür konnte man hier nichts falsch machen. Heute würde ich wohl auch bis zu 100,- Euro für ihn legen. Leider, und das ist bei der Cadenhead Green Label Serie das große Manko, sind die verschiedenen Abfüllungen ab dem Jahr 2000 ca. nicht mehr ungeöffnet im Jahrgang bestimmbar. Bis  ins Jahr 2000 ca. war das Abfülldatum auf die Flasche gedruckt (ganz klein, am Flaschenboden), so dass man das Jahr der Destillation auf +/- ein Jahr errechnen konnte, aber das ist eben seit fast zwei Jahrzehnten schon nicht mehr möglich. Eine Flasche Cadenhead Green Label Jamaica 15 YO könnte dementsprechend auch ein CRV aus 1987 sein, den ich wiederum gar nicht empfehlen kann. Dadurch hatte ich damals zweimal den Green Label 15. Einmal den IRW und einmal den CRV. Leider wusste ich das aber erst nach dem öffnen, weshalb ich nie wieder den Versuch unternommen habe, eine Abfüllung zu erwerben.



Bristol Classic Rum Jamaica 16 YO Long Pond 1986 - 46% vol.

Nase: deutliche Long Pond-Nase, mit grasigen und nussigen Anklängen, allerdings tritt das Oloroso-Finish durchaus wahrnehmbar heraus und macht den Rum dadurch zu etwas sehr eigenem. Gefällt mir!

Gaumen: auch hier funktioniert das Finish aus meiner Sicht gut. Es tritt deutlich zu Tage, zerstört aber die Grundcharakteristik des Rums in meinen Augen nicht. Der Rum ist am Gaumen immer noch klar Long Pond und hat eine für 46% vol. wirklich erstaunliche Viskosität. Das fällt mir bei Finishes aber häufiger auf.

Abgang: lang und typisch Long Pond. Anis, grasige Anklänge, trocken. Das Finish ist erneut wahrzunehmen.


Fazit: ein gelungener Rum, den Bristol damals ab 2002 am Start hatte. Leider war er schon um 2011 herum fast nirgends mehr online zu finden und ich sehe ihn bis heute sogar noch seltener als die 13 YO Abfüllung aus dem 85er Long Pond Batch, obwohl diese nochmal vier Jahre eher, also im Jahr 1998, abgefüllt wurde. Ich würde für diesen heute durchaus noch 100,- bis 150,- Euro ausgeben und den Rum auch öffnen, allerdings dürfte es zu diesen Konditionen schwierig werden, das Vorhaben auch zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.



Berry's Own Selection Jamaica Rum 18 YO Long Pond 1986 - 46% vol.

Nase: ein sehr ähnlicher Eindruck, wie beim 16 jährigen Bruder von letzter Woche. Auch hier habe ich ein wahnsinnig volles, geöffnetes Aroma mit sehr viel Nuss, vegetalem, grasigem, gegrillter Ananas. Deutliche Fassreife. Der Alkohol ist ebenfalls gut eingebunden. Der Gesamteindruck fällt hier aber noch etwas intensiver und reifer aus.

Gaumen: Klasse! Der Rum ist noch etwas weicher und auch ihm schadet die Verdünnung nahezu überhaupt nicht. Mit Nuss, Banane, gegrillter Ananas, grasigen Noten und Gewürzeinschlägen wie die von Vanille oder Anis hat er alles was ein Long Pond aus 1986 haben muss. Der Fasseinfluss ist deutlich.

Abgang: Viel Anis, grasige und nussige Anflüge. Trocken, lang, hervorragend! 


Fazit: wie schon sein jüngerer Bruder, so überzeugt auch diese noch zwei Jahre ältere Version von Berry Bros. & Rudd komplett. Er ist allerdings noch ein wenig reifer, noch eine ganze Ecke besser dadurch, wie ich finde. Ich weiß nicht, was man für diese Abfüllung inzwischen zahlen müsste, aber gemessen an der aktuellen Marktlage (auch wenn ich das nicht erfreulich finde) muss man mit 150,- bis 200,- Euro sicher rechnen. Ob ich eine Flasche heute aufmachen würde? Wenn ich sie noch aus der Zeit von damals im Keller stehen hätte, mit Sicherheit! Würde ich sie heute noch kaufen? An einem guten Tag sicherlich und dann würde ich ihn wohl auch aufmachen! Super Stoff! Auf der Cologne Spirits hatte ich ihn nach langer Zeit mal wieder im Glas und war damals wie heute begeistert!



Plantation Jamaica 8 YO (wax sealed) - 45% vol.

Nase: stark und kräftig und zudem sehr Long Pond stiltypisch! Ich bin durchaus erstaunt, denn für einen Planatation hat er wirklich kaum äußere Einflüsse, etwa durch eine Cognac-Nachreifung oder Dosage. Allerdings stelle ich mir die Frage, ob der nicht vielleicht sogar tropisch gereift ist, denn für 8 Jahre kommt er mir schon sehr reif vor.

Gaumen: der Gaumen bestätigt den Eindruck aus der Nase. Der Rum ist angenehm cremig für die 45% vol. die er hat und er kommt überaus kraftvoll und intensiv daher. Ich habe sogar kurzzeitig Erinnerungen an Hampden. Der weiß zu überraschen! Ganz anderer Rum als spätere Plantation, z.B. aus 2000. Lecker!

Abgang: lang und fruchtig, dann trocken werdend.


Fazit: ich erinnere mich heute noch sehr genau daran, wie große Augen ich gemacht habe, als ich die Flasche damals geöffnet und den Rum verkostet habe. Das war noch gänzlich anderer Stoff als das, was danach aus Jamaica so zur Abfüllung kam. Über den Jahrgang könnte ich nur rätseln, aber wenn ich raten müsste, dann würde ich auf 1986 oder 1993 spätestens tippen. Im Vergleich zu einigen Tropfen heute sicher nicht der Über-Rum schlechthin, aber für damalige Verhältnisse und für einen Plantation war das schon sehr anständig und durchaus bemerkenswert. Heute würde ich die Flasche, wenn ich sie günstig bekäme, wohl auch immer noch öffnen, aber größere Summen würde ich, trotz meiner Begeisterung, nicht dafür ausgeben, denn wie gesagt, diese Begeisterung muss man da auch im Verhältnis und im Kontext ihrer Zeit sehen. 

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Gesamt-Fazit:

heute hatte ich wirklich ausschließlich Gewinner am Start! Jeder der Rums ist es, oft auch zu Sammler-Kursen, wert geöffnet zu werden (wenn auch mit der oben erläuterten Einschränkung beim Green Label 15 YO)! Müsste ich dennoch einen einzelnen Gewinner nennen, so wäre es wohl unzweifelhaft der TWA for The Nectar aus 1977, aber da ist dann die Konkurrenz-Situation auch nicht ganz fair. Keiner der anderen Rums wurde vergleichbar lange gelagert oder in Fassstärke abgefüllt, das ist bei ihm also natürlich ein großes Plus! Dahinter würde ich dann den Berry Bros. & Rudd sehen, gefolgt vom Bristol, vom Cadenhead und vom Plantation.
Die Frage, inwieweit sich die Situation am Markt um Long Pond früher im Vergleich zu heute gewandelt hat habe ich letzte Woche bereits beantwortet: ganz eindeutig kamen Freunde von Long Pond vor einigen Jahren noch zu sehr viel humaneren Preisen an zum Teil sehr viel schönere Abfüllungen der Destillerie heran. Heute gibt es nahezu nur noch den Jahrgang 2000, der zwar auch hohe Qualität hat, allerdings mit den alten Jahrgängen nicht wirklich zu vergleichen ist. Dazu kommen nun noch die Rums von Velier und Plantation, die aber mehrheitlich auch in eine andere Richtung gehen. Insofern kann man bei den alten Long Ponds, zumindest kurz- und mittelfristig, leider schon von einem verloren Stil sprechen. Und ich rate nochmals jedem der da noch so gar nichts kennt, zumindest mal irgendwann eine Chance wahrzunehmen und zu probieren. Es lohnt sich!

Bis demnächst,
Flo