Sonntag, 20. Dezember 2020

Barrel Aged Thoughts' 2020 Top 10 Rums - Part II

Liebe Rum Gemeinde,

wir nähern uns mit riesigen Schritten den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel. Höchste Zeit also noch einmal zurückzublicken auf dieses in jeder Hinsicht beispiellose Jahr und damit Herzlich Willkommen zum zweiten Teil meines Jahresabschluss-Rankings der meines Erachtens zehn besten neuen Releases in 2020! 

Picture by D.M. / RA


Was liegt heute an?

Im ersten Teil letzte Woche hatte ich euch meine Plätze 10 bis 6 noch einmal vorgestellt und heute geht es dann ans eingemachte und an die Top 5, die fünf Rums, die mich in 2020 am meisten begeistert haben! Ihr habt die fünf Rums von letzter Woche schon wieder verdrängt? Hier geht's nochmal zum gesamten ersten Teil des Countdowns und hier kommt noch einmal alles im Schnellformat:


Platz 10: Habitation Velier C<>H Jamaica Rum 10 YO Hampden 2010
Platz 9: Flensburg Rum Company KFM Demerara Rum 29 YO Enmore 1991
Platz 8: Velier Heavy Trinidad Rum 21 YO Caroni 1998 (Employee "Buju")
Platz 7: The Rum Cask C<>H Jamaica Rum 30 YO Hampden 1990 (BAT-Abfüllung)
Platz 6: Velier Heavy Trinidad Rum 19 YO Caroni 2000 (Employee "Nitz")

Machen wir nun aber endlich weiter mit... 


Platz 5:

Velier Heavy Trinidad Rum 19 YO Caroni 2000 (Employee "Dicky")

Noch ein Caroni?! Ja, ich habe sie eigentlich auf zwei Abfüllungen in meiner Top 10 beschränken wollen, aber es ging nicht, so sehr ich es auch hin und her gedacht habe. Der 1996er "Vijay" blieb für seinen Jahrgang eher unter den Erwartungen und es fiel mir daher leicht, ihn trotz der immer noch sehr guten 94 Punkte nicht mit hinein zu nehmen. Aber der "Dicky" hat mich, genau wie die "Nitz" für einen Caroni 2000 so sehr überzeugt, dass ich nicht anders konnte als ihn auch mit reinzunehmen. Da war für mich einfach kein Qualitätsunterschied und ich fand ihn in der Tendenz sogar noch leicht besser als die Nitz. Insofern führte an ihm kein Weg vorbei! 94 Punkte bekam auch der "Dicky" von mir, und ich denke, da sind wir am absoluten Zenit für den Jahrgang 2000, auch unter Berücksichtigung dessen, dass da auch einiges an weniger guten Fässern im Umlauf war. Da haben die beiden 2000er aus diesem Jahr wirklich am Limit dessen performt, was ich 2000 insgesamt überhaupt zugetraut habe. Dass es der für mich beste Caroni in 2020 "nur" auf Platz 5 geschafft hat, trotz dessen, dass die geschlossene Destillerie zu meinen absoluten Lieblingen zählt, zeigt was da an Granaten alles eingeschlagen ist in diesem so verrückten Jahr!

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Platz 4:

Silver Seal PM Demerara Rum 30 YO Uitvlugt 1989

Ein Demerara Rum vor dem besten Caroni des Jahres?! Willkommen bei Barrel Aged Thoughts im Jahr 2020! Aber was für ein Demerara Rum das war! Im Gegensatz zu den jüngeren, ungefärbten PMs mag ich diesen richtig alten 30 YO+ und gefärbten PM Style inzwischen richtig gerne und fahre sehr auf die Granaten aus den 1970s von High Spirits oder Rendsburger total ab! Leider sind diese längst außer Reichweite und das Batch aus 1989 in diesem Alter ist so ziemlich das einzige, was da bisher für mich stilistisch zumindest einigermaßen dran kommt, auch wenn es diese einzigartige Qualität von damals natürlich nicht ganz erreicht. Und das ist letztlich auch der Grund, warum ich bei diesem Rum über die 92 Punkte nicht hinaus kam: es würde den PMs aus den 1970s einfach nicht gerecht werden. Gäbe es diese nicht oder würde ich sie nicht kennen, hätte ich hier vermutlich locker die 95 Punkte ausgepackt. Und darum musste der Silver Seal letztlich auch in meine Top 10, auch wenn einige andere in absoluten Zahlen auf den ersten Blick besser weg kamen. Der Rum ist einfach nur unfassbar lecker, intensiv, gesetzt und auf den Punkt. Für den Ausgabekurs ein Kracher! Dazu mein 250. Post auf BAT! Müssen wir noch über das sprechen, was Silver Seal uns da insgesamt präsentiert haben in diesem Jahr? Machen wir gleich! ;-) 

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Platz 3:

Rum Artesanal Jamaica Rum 25 YO New Yarmouth 1994

Auf Platz 3 steigt der für mich zweifelsfrei größte Gewinner des Jahres 2020 in meinen Countdown ein - Rum Artesanal! Was Dominik und Team da in diesem Jahr auf die Kette bekommen haben hat mich zumeist nur staunend zurück gelassen. Mit insgesamt mindestens sechs Releases die aus meiner Sicht wirklich Spitze waren und noch dazu ein fast unwirkliches Preis-Leistungs-Verhältnis aufwiesen hat man den Vogel komplett abgeschossen. Mit dem New Yarmouth 1994 im Speziellen hat man noch dazu einen echten Coup gelandet, da noch nie zuvor ein Abfüller einen derart alten New Yarmouth gebracht hatte und noch dazu in diesem bis dahin vollkommen unbekannten Stil. Der hatte es nämlich wirklich in sich, erinnerte er doch gleichermaßen an alte Appleton (nur eben in Fassstärke) als auch an tropisch gereifte Demerara Rums. Und wenn man bedenkt, dass New Yarmouth für Wray und Nephew produziert, dann liegt durchaus nahe, dass der Inhalt dieses Fasses ursprünglich mal dazu gedacht war in den Appleton Standard Blends zu landen. Glücklicherweise ist ihm dieses Schicksal erspart geblieben und der Rum landete stattdessen bei einem Jamaicanischen Broker. Als dieser seine Stocks an Velier als auch die Main Rum Company verkaufte, gehörten dazu auch ein paar Fässer New Yarmouth 1994 und so kamen letztlich wir Connaisseure in den Genuss, sowas mal im Glas haben zu können. Auch dieser Rum war mir 94 Punkte wert und auch hier wäre mit nur etwas besserer Einbindung des Alkoholgehalts noch mehr gegangen - ja, der New Yarmouth zwiebelt mit seinen ca. 68% vol. ganz schön! ;-) 

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Platz 2:

Rum Artesanal REV Demerara Rum 25 YO Enmore 1994

Und wenn für irgendwen noch irgendwelche Zweifel an der Ausnahme-Stellung von RA im ablaufenden Jahr bestanden haben, dann müssen (!) diese spätestens mit meinem Platz 2 restlos ausgeräumt sein! Diese Abfüllung markierte das Ende von RA als graue Maus auf dem viel bearbeiteten UA Markt, als auch den Anfang von RA als gleichsam national wie international führender UA, wenn es um kontinental gereifte Rums geht. Mögen einige andere durch bunte Label oder schwarze Flaschen vielleicht noch etwas mehr collectable und damit gesucht sein, aber an die Qualitäten der RA Abfüllungen insgesamt reicht da niemand heran! Kein Wunder also, dass dieses Bottling super schnell vergriffen und in der Folge auch schnell in ganz Europa gesucht wurde - meist erfolglos. Denn, und das ist bei RA schon ein wenig besonders, die Flaschen werden zu ganz, ganz großen Teilen von Genießern gekauft, die diese dann natürlich in der Regel nicht wieder hergeben. Was aber machte den REV so besonders? Nun, vor allem natürlich das: es ist ein REV! Der erste seit vielen, vielen Jahren, abgetaucht einst als elfjähriges Biest von Cadenhead mit 70% vol. und wieder aufgetaucht mit nun 25 Jahren als zahmer Gaumenschmeichler. Was das Mark wirklich bedeutet und ob es überhaupt eines ist, oder ob Cadenhead seinerzeit auch nur eine interne Bezeichnung (vergleichbar mit den Main-Kürzeln) nutzte, ist unklar. Damals wie heute ist das Teil aber eine absolute Pflaumen-Bombe und das macht diesen Rum letztlich auch aus, zumindest für mich. Ich finde das einfach wahnsinnig lecker, gediegen und nicht ohne Grund habe ich da auch schon eineinhalb Flaschen geleert in diesem Jahr. In Punkten hat es noch ein Rum in 2020 darüber geschafft, aber emotional ist der REV 1994 wohl definitiv meine Nummer 1.

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Platz 1:

Silver Seal "Rockley Style" Barbados Rum 33 YO W.I.R.D. 1986:

Ich konnte nicht anders! Mag RA für mich unter'm Strich auch unumstritten DER Dreh- und Angelpunkt in 2020 gewesen sein, aber ich musste den Rockley von Silver Seal, die einzige Neuerscheinung in 2020, die die 95 Punkte Marke knacken konnte, auf die eins setzen, und das obwohl es bei mir, bedingt durch den doch sehr steilen Kurs von 600,- Euro, für keine ganze Flasche gereicht hat. Aber was Silver Seal mit dem Rockley dieses Jahr rausgehauen haben war nun mal einfach komplett unrealistisch! Niemals nie und never ever hätte ich gedacht, dass das 1986er Batch der West Indies Rum Distillery mit seinem legendären Rockley-Style nochmal ein Revival erlebt! Ich hatte mit meinem Rum Buddy gemeinsam vor etwa einem Jahr mal den "Sloth" Rockley 1986 aus Japan im Glas, der dort vor einiger Zeit erschienen ist, und dieser war bereits so weit weg von Honig, Rauch, Vanille und Leder, dass ich das Batch bereits für alle Zeit verloren geglaubt hatte. Doch Silver Seal hat ganz tief in den Beständen von Main gegraben und der Rum Welt in 2020 den, neben Gardel, vermutlich meist unterschätzten (weil kaum bekannten) Weltklasse-Rum Style zurück gebracht, den es auf dieser Erde gibt. Für viele von euch da draußen war der Silver Seal wahrscheinlich sogar die allererste Chance überhaupt, einmal Rockley auf absolutem Spitzen-Niveau zu erleben. Denn na klar gab und gibt es auch noch immer vereinzelt Rockleys aus dem 2000er Jahrgang oder den Bristol 1986 mit Sherry Finish, aber weder die einen noch der andere spielen auch nur annähernd in dieser Liga und der Silver Seal stellt hier mit dem Duncan Taylor zusammen die neue Benchmark dar. Wohl also dem, der hier etwas von diesem Traum-Stoff ergattern konnte! 

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Und wer das nicht konnte... 2021 ist auch noch ein Jahr und vielleicht decken sich ja an dessen Ende meine emotionale Nummer 1 mit meiner nominellen Nummer 1. In diesem Sinne:

Rum Artesanal 2021

(nein, nicht das neue Logo, nur "Fan Art" 😉)
 

Epilog:

Das waren sie also, die zehn Neuerscheinungen in 2020, die mich persönlich am meisten gecatcht haben. Genug Stoff, um mindestens zwei Jahre mit Highlights zu füllen. Und ich bin sicher, ich habe da zwar mit vielen von euch Überschneidungen, aber in gleichem Maße auch Abweichungen, denn die Masse an Rums in diesem Jahr, die es ebenfalls in diese Liste verdient gehabt hätte war brutal! 



Allein RA, und da wird dann auch deutlich, weshalb die für mich in diesem Jahr eine so überragende Stellung eingenommen haben, hätten vier (!!) weitere Rums in diese Liste entsenden können! Und zwar wäre da mal mindestens der T.D.L. 2001 aus Trinidad, der auch einige Parallelen zu Caroni aufweist und auf diese Weise für einen kurzen Augenblick leichte Konfusion verursachte. Ein Caroni war es dann meines Erachtens letztlich nicht, aber ein verdammt guter Heavy Type Rum! Aber auch die beiden New Yarmouth aus 2009, die für unter 50,- Euro zu haben waren und damit mit einem sensationellen PLV aufwarten konnten, verdienen hier mindestens eine Erwähnung, ebenso wie der 1998er HD (Hampden), den ich für einen HLCF (nicht mein Lieblingsmark) erstaunlich gut fand. Und über den Long Pond 2000 z.B. haben wir da noch gar nicht gesprochen, den ich persönlich weniger gut fand, der aber gleichermaßen seine Fans gefunden hat und hier daher nicht unerwähnt bleiben soll. Ich glaube, viel mehr muss ich da nicht sagen. Außer, dass ich mich so verflucht doll freue auf das nächste Jahr... der Spoiler ist ja längst draußen, ihr alle wisst, was kommt :)



Und was für mich RA in Bezug auf kontinental gereifte Rums sind, sind Velier für mich, wenn wir über tropisch gereifte Rums sprechen. Die beiden Caroni Employees "Vijay" und "Yunkoo" hätten nach Punkten in die Top 10 gemusst, beide liegen für mich bei 94 Punkten. Aber dann wären allein fünf Caroni Employees drin gewesen, was ich dann doch als etwas zu öde empfunden hätte. Daher habe ich mich dazu entschlossen, an der Stelle ein wenig zu selektieren. Ich denke, ihr seht es mir nach. Doch Velier hat nicht nur die Karte Caroni gespielt, sondern auch mit der Appleton Hearts Collection einmal mehr Maßstäbe gesetzt. Nicht unbedingt, weil sie jeden überwältigt hätten, der sie probiert hat (tatsächlich, waren da nicht wenige auch enttäuscht), aber vor allem deshalb, weil es Luca Gargano nach Jahren und als meines Wissens nach erstem überhaupt gelungen ist, in diese Richtung etwas mit Appleton gemeinsam und unter deren Logo aufzuziehen. Und nicht zuletzt haben diverse von ihm initiierte Zoom Meetings dazu beigetragen, dass die internationale Community auch in Zeiten dieser Pandemie ein wenig zusammen kam, auch ohne Messen und reisen. Grazie, Luca! Mir gefielen der 1994er und der 1995er Appleton jeweils sehr gut, diese hatten auch den höchsten Gehalt an Congeners, der 1999er war dagegen gar nicht meins. Und als kleinen Bonus möchte ich auch nochmal den Monymusk 1997 für Begnoni herausstellen. Der wurde zwar schon 2019 gebottled, tauchte aber erst in diesem Jahr wirklich auf dem Markt auf. Mit dem 1995er zusammen für mich definitiv die Benchmark für tropisch gereiften Monymusk! 



Und dann waren da auch noch zwei Rums von Old Man Spirits (Flensburg Rum Company), die mich beeindruckt haben. Auch der Hampden 2007 und der Monymusk 1999 wären in jedem nicht außerirdischen Jahr safe in meinen Top 10 gelandet. Insbesondere der Monymusk hat für mich historischen Charakter, denn ich erinnere mich an keinen besseren im kontinental gereiften Bereich! Grandioses Debüt-Jahr, das ihr da hingelegt habt, Jungs! Ich freue mich schon darauf, auch euren Weg im nächsten Jahr weiter mitzuverfolgen. 


Und damit verabschiede ich mich dann auch heute erstmal von euch, ich bin noch nicht sicher, wann der nächste Content hier aufläuft. Ich wünsche euch noch einen besinnlichen vierten Advent und bis dann!

Flo

Sonntag, 13. Dezember 2020

Barrel Aged Thoughts' 2020 Top 10 Rums - Part I

Liebe Rum Gemeinde,

das Jahr 2020 neigt sich nach all diesen Knaller-Abfüllungen nun tatsächlich dem Ende zu und darum denke ich, ist es nun an der Zeit ein kleines Fazit zu ziehen. Wie schon häufiger in der Vergangenheit, möchte ich euch abschließend zusammengefasst noch einmal meine Highlights des Jahres in Form einer Top 10 in zwei Teilen präsentieren. 



Prolog:

Ihr Lieben, was war das bitte für ein Jahr?! Ich weiß da, um ehrlich zu sein, gar nicht wo ich anfangen und wo ich aufhören soll. Hätte man mich vor einem Jahr gefragt, worauf ich mich in 2020 ganz besonders freue, dann hätte ich vermutlich geantwortet: auf die Messe in Köln, das Rum Fest in Berlin, die Whisky Live in Paris und auf den TRC 90 II als Knaller zum Jahresende! Ich habe zum damaligen Zeitpunkt weder geahnt, was RA das ganze Jahr über mit uns abziehen würden, was Silver Seal im Sommer 2020 fabrizieren, dass Velier es noch schaffen würde richtig gute 1998er Caronis zu bringen, dass unsere "ewige" Waschmaschine tatsächlich kaputt gehen würde können und schon gar nicht hatte ich auf dem Zettel, was ab spätestens März insgesamt weltweit abging. Ich habe letzteres, vielleicht ist euch das aufgefallen, auf Barrel Aged Thoughts nahezu gar nicht thematisiert, da ich der Meinung war und bin, dass wir von allen Seiten mit diesem Thema erschlagen wurden, ob wir wollten oder nicht, dass es an Covid 19 ohnehin kein Vorbeikommen gab, und so wollte ich mit BAT zumindest einen Platz schaffen, an dem für euch und natürlich auch für mich einfach alles weitestgehend so ist wie immer. Zumindest irgendwas wo man draufklicken kann, ohne, dass man sofort dran erinnert wird, dass gerade nichts so ist wie gewohnt. Rum-Blogging als Eskapismus, wenigstens für einen Dram der oft unschönen Realität da draußen entfliehen. Warum ich das jetzt plötzlich anspreche? Weil Covid 19 unser Jahr so unfassbar unterschiedlich geprägt hat, dass ich das nicht einfach übergehen möchte. Es war, rein auf Rum und die Vielzahl an geilen Abfüllungen bezogen, ein richtig geiles Jahr, was ich hier auch festhalten und würdigen möchte. Aber ich kann an dieser Stelle insgesamt nicht von einem Super-Jahr sprechen (auch wenn es das für mich persönlich und ganz subjektiv wohl wirklich war), wo gleichzeitig viele von euch da draußen möglicherweise aktuell ihrem Beruf und damit vielfach auch ihrer Berufung nicht nachgehen dürfen, die vielleicht um ihre Existenz bangen, möglicherweise sogar gesundheitlich betroffen oder gar Angehörige verloren haben und deshalb möchte ich das zumindest dahingehend einordnen und einmal festhalten: ja, natürlich ich bin mir der Tatsache bewusst, dass einige von euch gerade ihr beschissenstes Jahr ever hinter sich haben und sich derzeit noch nicht einmal wirklich auf ein besseres 2021 freuen können, weil auch dessen Verlauf noch vollkommen ungewiss ist. Das ist furchtbar und ich kann nur das beste für euch hoffen. Ich persönlich arbeite im sozialen Sektor. Plötzlich war ich "systemrelevant" (was für mich damals tatsächlich die Haupt-Motivation war, einen solchen Job dem Studium der Geschichte und der Archäologie nach zwei Semestern vorzuziehen). Die Belastungen bei uns auf der Arbeit waren ungleich größer als in jedem anderen Jahr, deshalb blicke auch ich nicht nicht gerade auf ein entspanntes Jahr zurück, aber ich musste, anders als viele andere, nicht eine Sekunde um meinen Job fürchten und konnte auch deshalb viele der Abfüllungen in diesem Jahr genießen. Und dafür wiederum bin ich sehr dankbar! Ebenfalls sehr dankbar bin ich über einige Entwicklungen im Rum Bereich im abgelaufenen Jahr. So hat sich der Kontakt zu Dominik und zu RA in diesem Jahr z.B. noch weiter verfestigt, was mir eine ungemeine Freude ist! 

Dominik, ich glaube, ich muss das an dieser Stelle nicht weiter ausführen, außer: vielen lieben Dank dir für das geile gemeinsame Jahr und den unfassbar guten Job den du und ihr macht! Es macht auf allen Ebenen so unglaublich viel Spaß und ich liebe unseren regen gemeinsamen Austausch! Der ist ein absoluter Hochgenuss, den ich nicht mehr missen wollen würde! Danke für alles!

Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben darf natürlich auch der Jens von TRC! Die Schlagzahl ist geringer geworden, aber wenn wir miteinander schnacken ist das, als würden wir das jede Woche tun. Es sind nun schon siebeneinhalb Jahre, seit ich euch bei der Worthy Park Abfüllung unterstützen durfte, die dann die erste BAT-Abfüllung wurde. Und es tut mir natürlich Leid, dass immer sobald wir etwas mehr miteinander zu tun haben, ihr anschließend so viel Arbeit mit Pakete packen habt ;-) Ich würde ja Besserung geloben, aber... :-) 

Steffen... auch wir sitzen inzwischen nun schon seit bald zwei Jahren gemeinsam über deinem Buch, das ohne jede Frage mit Erscheinen die neue Benchmark in diesem Bereich darstellen wird! Die gesamte Rumwelt darf sich auf diesen, deinen, Meilenstein der Rum Literatur freuen und ich persönlich fiebere dem schon wahnsinnig entgegen! Wenn immer wieder Zwei-Stunden-Telefonate mit "Hast du mal 'ne Minute?" beginnen, dann läuft irgendwas richtig ;-) 

Ich bedanke mich natürlich auch bei dir, Klaus, für das erste gemeinsame Jahr, in dem ich euch nun bei den Flensburg Rum Company Bottlings ein wenig unterstützen durfte. Klasse, dass immer mehr unabhängige Abfüller genauer hinschauen und mit der Frage an die Sache herangehen: "Was ist denn nun eigentlich der wirklich geile Shice den die Nerds auch sehen wollen?". Die nicht einfach nur irgendwie mitmischen wollen, bloß, weil das jetzt irgendwie jeder macht, sondern die das auch richtig machen wollen und richtig machen! 


Picture by E.H.

Wahnsinnig toll finde ich, dass wir es im abgelaufenen Jahr geschafft haben, mit der German Rum Association eine reine Rum Gruppe im deutschsprachigen Raum auf Facebook zu etablieren! Das war bitternötig und ich danke allen, die maßgeblich dazu beigetragen haben diese aufzubauen! Das qualitative Niveau ist hoch und auch immer noch mal gestiegen und ich freue mich, dass auch die Gruppe immer weiter wächst und inzwischen schon fast 750 Mitglieder zählt. Ihr seid super!

Und last but not least... geht natürlich ein riesiges Dankeschön an alle raus, die ich auch in diesem Jahr und trotz widriger Bedingungen zu einigen Zeitpunkten live, echt, mit Ton, in Farbe und bunt treffen konnte in diesem Jahr und ein paar unbeschwerte Tage und Stunden verbringen durfte! Ihr wisst, dass ihr gemeint seid, wenn ihr gemeint seid! :-*


Was liegt heute an?

Meine zehn besten Rums des Jahres "kühren"... das klingt total simpel, war es in diesem Jahr tatsächlich aber mal so überhaupt nicht! Es gab schon Jahre, da habe ich kaum eine wirklich vorzeigbare Top 10 zusammenbekommen weil einfach kaum richtig gute Rums released wurden und in diesem Jahr war es genau das Gegenteil - ich hätte locker und bequem eine Top 20 schreiben können! Da ich eine Top 10 hingegen wesentlich griffiger finde, habe ich davon natürlich abgesehen. Allerdings fühlte ich mich dennoch so ein wenig gezwungen nicht streng nach Punkten zu gehen und einfach die zehn am höchsten bewerteten Abfüllungen zu nehmen. Denn eine solche Liste wäre dann nicht sehr repräsentativ. Wir hätten, angesichts der Release-Flut 2020, allein fünf Caroni von Velier mit je 94 Punkten drin. Wer möchte eine solche Top 10 lesen? Auch wollte ich einen Rum unbedingt drin haben, der mit 92 Punkten zwar nicht zu den zehn am höchsten bewerteten Neuerscheinungen bei mir zählt, der diese "geringe" Punktzahl aber auch nur rein auf Grund sehr populärer Vorfahren bekam, die heute aber kaum noch jemandem etwas nützen. Ohne dieses Erbe, hätte ich den Rum vermutlich sehr viel besser bewertet und ich bin sicher, er zählt auch für viele von euch zu den absoluten Highlights in diesem Jahr. Doch dazu mehr, wenn es soweit ist. Nun, würde ich sagen, starten wir einfach mal den Countdown!


Platz 10: 

Habitation Velier C<>H Jamaica Rum 10 YO Hampden 2010

Direkt auf Platz 10 empfängt uns ein Brett, dass es bei einigen von euch sicher auch noch ein paar Plätze höher geschafft hätte. Gleichsam muss man fairerweise aber auch anmerken, dass der Rum das Lager deutlich stärker gespalten hat, als das beim HGML z.B. der Fall war, der gefühlt wirklich durchweg gut ankam. Das war beim C<>H anders, der war einigen auch zu extrem. Vor allem aber war er extrem schnell vergriffen und sorgte damit durchaus auch für Unmut. Für mich war und ist er dagegen ganz kurz und bündig der beste tropisch gereifte Hampden, den wir bisher bestaunen konnten - besser als der HGML und auch besser als das <>H Single Cask für die Whisky Live 2019! Damit hat er sich 93 Punkte redlich verdient. Dass er es bei mir "nur" auf Rang 10 geschafft hat (in normalen Jahren hätte er sicher besser abgeschnitten) liegt einzig an der enormen Konkurrenz. Es ist erst wenige Jahre her, da hätte ich für einen Rum mit dieser Qualität noch alles gegeben! Auch das zeigt, wie krass die Entwicklung im Rum Bereich in den letzten Jahren voran geschritten ist, dass solche Hammer Releases inzwischen schon beinahe zu einer kleinen Gewohnheit werden. 

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Platz 9:

Flensburg Rum Company KFM Demerara Rum 29 YO Enmore 1991

DER (!) Spalter 2020! Als sich im Februar abzeichnete, dass tatsächlich nach all den Jahren mal wieder ein neuer KFM kommen und dieser auch noch absolut mega werden würde, war ich richtiggehend elektrisiert! Eigentlich war der Stil früher gar nicht so sehr meins, weder der Demerara Style im allgemeinen noch der KFM Style im speziellen, aber wie die KFMs im Fass, so habe auch ich mich, bzw. mein Geschack sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und so gehören die Demeraras heute inzwischen zu meinen Favoriten. Und als ich den Rum dann also Vor-Verkosten konnte, während ich in die Fass-Auswahl eingebunden war, war ich vor allem von der Nase dieses Demerara Monsters wirklich komplett überwältigt! Vielleicht auch deshalb habe ich das enorme Spalt-Potenzial dieses Rums tatsächlich in keiner Weise kommen sehen. Klar, der Rum hat den Großteil derer die ihn probiert haben letztlich doch eher überzeugt (wenn gleich er mit seinen 45,4% vol. einigen wohl auch zu dünn war), aber von der mitunter doch sehr leidenschaftlichen Ablehnung einiger war ich definitiv überrascht. Doch wie dem auch sei, ich fand ihn herausragend und mit 94 Punkten hat es der KFM aus nur dem Grund nicht bis in die allerhöchste Ebene geschafft, da er für meinen Geschmack tatsächlich noch etwas mehr Power haben könnte. Aber wenn es ein Rum, trotz dessen, dass er nicht alles ausgeschöpft hat was ginge, auf 94 Punkte bringt, dann ist das wohl der letzte Beweis für Kritik auf sagenhaft hohem Niveau. 

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Platz 8:

Velier Heavy Trinidad Rum 21 YO Caroni 1998 (Employee "Buju"):

Es war selbstverständlich nur eine Frage der Zeit, bis diese Top 10 von der ersten Caroni Abfüllung heimgesucht werden würde! Keine Destillerie hat mich in den letzten Jahren vermutlich mehr beschäftigt und stärker in meinen Bann gezogen als Caroni. Mag Hampden so etwas wie meine Rum Heimat sein, so war Caroni doch seit einiger Zeit zumindest so etwas wie eine Wahlheimat. Dass es mit dem "Buju" aber ausgerechnet ein 1998er am Ende des Jahres in diese Liste schaffen würde (und es mit dem "Yunkoo" sogar noch ein weiterer 1998er verdient gehabt hätte!), das hätte ich nie gedacht, bevor ich ihn probiert habe, zu wenig sagten mir diese bisher eigentlich zu. Der "Buju" stellte in dieser Hinsicht eine Zäsur dar, der dazu auch noch mit einem total geilen Layout punkten konnte. Dieses Spiel mit den hellblauen Farben, die ich sehr mit den Tropen assoziiere, fand ich so wunderbar passend für einen Rum, dass ich da wirklich angetan war. Ich weiß, eigentlich ist sowas zweitrangig, aber stören tut's mich eben auch nicht, wenn mir ein Rum über seinen Inhalt hinaus auch optisch noch gefällt ;-) Mit 94 Punkten verfehlt der "Buju" die Kategorie 95+ im Grunde nur, weil es eben Caroni-Styles und Demeraras gibt, die mir noch besser gefallen und ich diese Differenz noch irgendwie abbilden können muss! Aber die hier gebotene Qualität war und ist definitiv überragend!

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Platz 7:

The Rum Cask C<>H Jamaica Rum 30 YO Hampden 1990 (BAT-Abfüllung):

Mein Platz Nr. 7 ist kaum eine Woche alt, hat es mit seiner wirklich extrem seltenen Qualität aber natürlich straight in meine Top 10 geschafft. Allerdings: fällt euch etwas auf? Ein 1990er Hampden mit überragender Qualität, der es bei mir "nur" auf Platz 7 schafft? Flo, was ist da los? In wohl keinem anderen Punkt zeigt sich die Veränderung meiner Präferenzen wohl stärker als in dieser Abfüllung. Früher wäre über diesen Rum vermutlich nichts mehr drüber gegangen, aber inzwischen ist Hampden eben nicht mehr meine Nr. 1. Und, Spoiler: es wird nicht nur kein weiterer Hampden, sondern auch nur noch ein einziger weiterer Jamaicaner in meine Top 10 schaffen - der Rest stammt aus anderen Ländern und/oder von anderen Inseln! Zeitenwende auf BAT. Was aber den TRC 90 II angeht, so zeichnet sich bereits ab, dass der auch bei vielen von euch da draußen sehr gut anzukommen scheint, was mich natürlich umso mehr freut! Mehr als einmal las ich in den letzten Tagen vom besten Hampden so far oder zumindest in der absoluten Spitzengruppe. Ich für mich ganz persönlich hatte bei diesem 1990er nicht mehr ganz dieses Feuer wie beim 26 YO damals, den ich bis heute als einen meiner Grail Rums bezeichnen würde, aber das liegt eben doch mehr an mir als am Rum. Mit ebenfalls 94 Punkten verfehlt auch er die Spitzenkategorie nur, weil er für meinen Geschmack noch ein wenig mehr Biss und etwas mehr Bumms haben können. Aber, wie beim KFM: wenn wir trotz 94 Punkten noch über Schwächen sprechen, dann ist klar, wo solche Rums ohne Schwächen bei mir landen würden... 

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Platz 6:

Velier Heavy Trinidad Rum 19 YO Caroni 2000 (Employee "Nitz"):

Und zack, der nächste Caroni! Und wieder kommt er aus der dritten Employee Serie von Velier, die meines Erachtens die bisher beste der Reihe war. Jeder der Rums erreichte bei mir 94 Punkte, was für den 1996er zwar leicht unterdurchschnittlich war, beim 1998er und beim 2000er allerdings über Soll lag. Bei keiner anderen Employee Serie war das persönliche Gefallen bei mir auf so konstant hohem Niveau. Weder bei einer der vorherigen beiden, noch bei der vierten. Auf die "Nita" war ich dabei allerdings ganz besonders gespannt, da man 2000 in Fassstärke ja sonst nur in den wenigen Single Cask Releases zu Gesicht bekam, was sich nun bei den Employees erstmals änderte. Und was für ein 2000er das war! Der Jahrgang ist für mich ja ganz eindeutig die Wundertüte unter den Caroni Vintages und so war ich durchaus sehr erfreut als ich feststellen durfte, dass der Rum meinen Geschmack ziemlich präzise getroffen hat. Anders als einige anderen Rums in dieser Liste bisher spielt die "Nita" mit ihren 94 Punkten allerdings absolut am Limit aus meiner Sicht. Wirklich (in Punkten) besser kann ein 2000er mutmaßlich nicht werden und ich sehe da keinen die 95er Marke knacken. Neben der "Nita" hat die 94 allerdings noch ein weiterer 2000er geknackt und unter anderem diesen sehen wir dann beim nächsten Mal, wenn es in meine Top 5 hinein geht... 

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Bis dahin, bleibt gesund und habt einen schönen und besinnlichen 3. Advent!

Flo


To be continued...

Sonntag, 6. Dezember 2020

The Rum Cask Jamaica Rum 30 YO Hampden 1990

Liebe Rum Gemeinde,

eigentlich sollte das hier eine Nikolaus-Überraschung für euch werden und der Rum erst heute, zeitgleich mit diesem Review in den Verkauf gehen, aber durch einen Fehler im System erreichte die Frohe Kunde die Rum Welt bereits am gestrigen Samstag: TRC bringen noch einmal einen Hampden Jamaica Rum des Über-Jahrgangs 1990!



Mir gehen allmählich die Superlative für das Jahr 2020 aus! Das übliche Kontingent an Rum-Krachern ist eigentlich längst erschöpft und ich kann mich an kein einziges Jahr in der Vergangenheit erinnern, in dem wir eine derartige Ballung an Top Rums erlebt haben. Eigentlich dachte ich, dass Old Man Spirits mit ihrem 1999er Monymusk hier den Schlusspunkt gesetzt hätten und normalerweise klingt im Dezember das Jahr dann ja auch allmählich aus und die Top-Listen für das abgelaufene Jahr werden herausgeholt. Aber der ebenfalls deutsche Abfüller The Rum Cask mit Sitz in Pirmasens hat(te) etwas dagegen und sich für den Schlusspunkt nochmal einen der goldenen Jahrgänge kontinental gereiften Rums aufgehoben: Hampden 1990! Wow! 

Sie haben es also wirklich gemacht. Nach Anfang 2017 bringen The Rum Cask nun zum bereits zweiten Mal schon einen Jamaica Rum aus Hampden des legendären 1990er Jahrgangs auf den Markt, der für mich seit jeher der stärkste ist den die Brennerei je hervorgebracht hat. Dementsprechend war und ist das für mich beste Hampden Bottling überhaupt eben auch jener The Rum Cask Jamaica Rum 26 YO Hampden 1990 mit 61,9% vol., der nun schon vor fast vier Jahren als damals fünfte BAT-Abfüllung in die Flasche kam. Wohl kein anderer Rum-Jahrgang hat mich insgesamt während meiner Rum-Laufbahn wohl so sehr geprägt wie Hampden 1990! Meine Beziehung zu diesem Vintage und dem dazugehörigen Mark, C<>H, ist also eine sehr besondere und, ja, auch eine die nicht immer von Objektivität geprägt ist. So sollte man beispielsweise meine 98/100 Punkte für den Rum nicht allzu ernst nehmen. Ich meine, versteht das nicht falsch, ich sehe den Rum dort tatsächlich, aber das ist eben eine wirklich persönliche, subjektive und von außen in dieser extremen Form eigentlich nicht nachvollziehbare Bewertung. Der Rum war damals der, nach dem ich mich jahrelang gesehnt und aber bis dahin nicht bekommen habe. Als er dann kam, war das genau das, was ich haben wollte. Geliefert wie bestellt. 

Nun, nach wiederum fast vier Jahren 1990-Vakuum seit dem letzten TRC Release, sind die Vorzeichen natürlich andere. Es gibt da, anders als 2017, diese übergroße Benchmark, die genommen werden will. Die Perfektion war bereits am Start. Auf der anderen Seite ist die Sehnsucht nach einem neuen 90er selbstverständlich groß, denn meine Reserven sind beinahe erschöpft und ich könnte mir vorstellen, die der meisten anderen auch. Einige haben vielleicht noch etwas von dieser Rum Club Abfüllung, allerdings war diese für mich niemals eine Option zur Substitution des TRC, weil ich sie als wesentlich schwächer, unbalancierter und das Fass als solches suboptimal wahrgenommen habe. Alles in allem wie ein TRC auf Wish bestellt. Klar, ganz allgemein betrachtet war das sicher kein schlechter Rum, aber 1990 im Speziellen gesehen konnte er da eben in keiner Weise mithalten. 

Mit dem Erfolg der ersten wächst aber na klar auch die Erwartungshaltung an die zweite Version des The Rum Cask 1990 und mit ihr schließt sich auch so wenig der Kreis, denn sie ist nun schon die insgesamt zehnte BAT-Abfüllung von TRC und sie kommt zu einer Zeit, in der die allererste BAT-Abfüllung, ein vier jähriger Worthy Park damals, siebeneinhalb Jahre Bestehen feiern kann. Das ist schon enorm, auch und gerade wenn man sich vor Augen hält, dass nur die wenigsten in der Rum Szene selbst schon so lange überhaupt dabei sind. Damals, vor dem großen Boom, war das ganz viel Pionier-Arbeit und der 26 YO Hampden 1990 war 2017 wie die Krönung dieser Entwicklung. Und ganz ehrlich, als ich hörte, dass nun die zweite Version im Anflug ist, da wusste ich, anfangs und angesichts meiner schon beinahe Verehrung für die erste Version, gar nicht ob ich eigentlich und überhaupt wollte, dass diese ihr gefährlich wird. Am Ende aber siegt natürlich der Gedanke an qualitatives Streben, und so sehe ich mir den guten Tropfen nun einfach mal an - natürlich im Quervergleich zum ersten Release!

Aus Gründen der Transparenz sei an dieser Stelle aber noch erwähnt, dass ich ein Sample zur Verkostung dieses Rums, sowie eine ganze Flasche des Rums zu Fotozwecken gratis erhielt. Auf meinen Geschmack und die Bewertung hat dies selbstverständlich aber keinen Einfluss. 



Verkostung des The Rum Cask Jamaica Rum 30 YO Hampden 1990:

Preis: die unverbindliche Preisempfehlung für den 1990er Hampden hätte bei 289,90€ liegen und Release am 6. Dezember 2020 um 11:00 Uhr sein sollen. Durch einen Systemfehler, ist der Rum allerdings bereits am Samstag, den 5. Dezember im Shop aufgetaucht und wohl direkt ausverkauft worden. 

Alter: von November 1990 bis November 2020 durfte der Rum insgesamt genau 30 Jahre im Fass reifen. 

Lagerung: Continental Aging - der Rum lagerte während der gesamten Zeit seiner Reifung in Europa. 

Fassnummer: unbekannt. Dass Fass ergab aber insgesamt noch ca. 260 Flaschen a 0,5 Liter + einiges an Samples.

Angel's Share: etwa 35% des Fassinhaltes gingen an die Engel. 

Alkoholstärke: der Rum kommt in Fassstärke daher und weist einen Alkoholgehalt von 55,6 % vol. auf. 

Destillationsverfahren: der Rum entstammt einer Double Retort Pot Still. Vermutlich handelte es sich dabei um die John Dore Still, die seit 1960 bei Hampden aktiv ist. Alle anderen heute noch verhandenen Stills sind aus mindestens 1994 oder sogar noch jünger. Nicht ausschließen kann ich allerdings, dass 1990 noch weitere Stills aktiv waren, von denen heute nichts mehr bekannt ist. Aus einer solchen kann der Rum theoretisch natürlich auch kommen. 

Mark: C<>H (Continental Diamond Hampden)

Farbe: kräftiges, goldenes Stroh, ich erkenne keine relevanten Unterschiede zum Vorgänger.

Viskosität: der Rum bildet einen öligen Film an der Glaswand und läuft letztlich in weiten, regelmäßigen und parallelen Schlieren träge am Glas hinab. 

Nase:
 Treffer! Mich empfängt ab Sekunde 1 eine überaus kräftige und für C<>H stiltypische Hampden Nase, die sich erstmal nicht groß von jener des legendären Vorgängers unterscheidet. Der Alkohol wirkt bei beiden Rums zunächst noch eher ungestüm, weswegen sie natürlich von mir auch noch etwas Zeit im Glas bekommen. Nach einiger Zeit kann man zwischen beiden dann aber auch deutlichere Unterschiede wahrnehmen. So kommt der 30 YO schon deutlich gesetzter daher als sein 26 jähriges Pendant und hat nicht mehr ganz diese schier unfassbare Power, Brachialität und Durchschlagskraft, die für mich bis heute in dieser Qualität auch noch immer unerreicht ist. Wo beim 26er die Ester der alleinige Chef im Ring sind, ist beim 30er auch Platz für komplexere Parts und auch schon klar mehr Fassaromen, wie sie jüngeren Hampden oft fehlen und wie sie auch der 26er in dieser Form nicht hatte. So finde ich, neben natürlich all dem Klebstoff, den Lösungsmitteln, der gegrillten Ananas und dem markanten 1990er Obstsalat, die auch der 30er natürlich hat, wir sprechen ja immer noch über einen C<>H, doch schon einiges mehr an Vanille und auch Eichenholz z. B., was mir aber gut gefällt und den Hampden auch definitiv zugänglicher macht als sein Vorgänger es war. Dazu ist die mediterrane Schiene noch präsenter, ich finde doch einiges an Antipasti in diesem Tropfen. Nach hinten heraus hat der Rum etwas vegetales. Die Ester-Dominanz findet in dieser extremen Form also nicht mehr statt. Dazu machen auch die 55,6% vol. den Rum natürlich sehr smooth, der Rum weist kaum alkoholische Schärfe auf. Das ist beim 26er zwar auch positiv hervorzuheben gewesen, fand mit 61,9% vol. aber noch auf einem anderen, höheren, Level statt. Hier ist das entspannter! Auch dadurch fehlt es ihm zwar etwas an Intensität, die er aber wie oben schon beschrieben durch Tiefe und Komplexität wett macht, die klar ausgeprägter sind. Man findet und entdeckt immer noch wieder neues in ihm und das wiederum macht wahnsinnig Spaß, trotz und weil es eben nicht so anstrengend ist, sich mit ihm auseinander zu setzen. 

Gaumen: frisch am Gaumen drischt der Rum zunächst einmal mit allem was einen 1990er Hampden so ausmacht auf diesen ein! BÄÄÄM!! Im direkten Vergleich nicht ganz so krass wie beim 26 YO, aber das merkt man tatsächlich auch nur dann. Probiert man ihn einzeln, ist das brachial wie eh und je! Der Alkohol mischt sich beinahe gar nicht ein, spielt nur eine untergeordnete Rolle. Er ist so wenig präsent, dass er einen nicht überfordert, aber ausreichend am Start, um dass der Rum nicht verwässert wirkt, was vielen 1990er Hampden früher zum Verhängnis wurde. Das hier ist nahe am Optimum. Der Rum ist das, was man im Duden vermutlich unter "mundfüllend" finden würde. Innerhalb kürzester Zeit breitet sich der Hampden im gesamten Mundraum aus und belegt alles mit dieser einzigartigen, rummigen Note, die sich gerade hierzulande durch diverse Backaromen, Rumkugeln, Rum-Traube-Nuss-Schokolade etc. ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat, weil sie fast überall in geringer (aber spürbarer!) Menge enthalten ist. Der Rum ist nicht ganz so mächtig und heavy-bodied wie der 26 YO damals, das war einfach ein Ausnahme-Tropfen, aber er kommt dem schon sehr nahe. Habe ich den Rum 2017 schon als brachial-elegant beschrieben, so tendiert dieser hier nochmal deutlicher in Richtung elegant. Dennoch ist der Rum zu Beginn deutlich adstringierend, wird dann aber cremiger und öliger und profitiert von seiner Fassstärke. An Assoziationen habe ich über allem die gegrillte Ananas, dazu frisch geschnittenes Geäst, deftige Chorizo (eine der wenigen Ausnahmen, wo mir Umami Noten im Rum zusagen!), mediterrane Antipasti, Humus und saure Zitrusnoten, wobei insbesondere der Säure-Faktor bei dieser Abfüllung eine merklich geringere Rolle spielt als bei früheren 1990er Hampdens. Schade für die einen, Freude für die anderen. Die Tendenz geht hier eher ins fruchtige und erdige. Peripher kommt immer mal wieder Hubba Bubba Kaugummi durch. Tannine sind auch da, spielen aber kaum mit rein. Am Gaumen machen sich die 30 Jahre im Fass nicht durch Holz ansich bemerkbar.  

Abgang: leicht muffiger Abgang, mit kurzen Bitter-Anflügen, Gewürzen und auch merklich Holz. Insgesamt kommt er nicht ganz so extrem, wie man das von Hampden 1990 zum Teil immer gewohnt war, aber es ist noch immer ein schöner, intensiver, langer, beinahe unendlich anmutender Abgang. 

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Fazit:
 bereits zum zehnten Mal heißt es heute bereits: Recommended by Barrel Aged Thoughts - und selten war es so spannend! Denn es fällt mir ausgesprochen schwer zu mutmaßen, ob diese 30 jährige Abfüllung bei euch da draußen besser oder schlechter ankommen wird als die 26 Jahre alte Version. Ich gehe ganz stark davon aus, dass sich das Lager da vielleicht sogar teilen wird in jene, die das absolut brachiale aus der ersten Abfüllung über alle Maßen schätzen und das hier vermissen und dementsprechend Version I vorziehen werden und jene die total darauf stehen, dass man hier alles bekommt was 1990 ausmacht, der Rum aber vergleichsweise zugänglich und merklich entspannter daher kommt. Ich würde mich da zu beiden Fraktionen zählen. Mehrfach saß ich beim Crosstasting vor den Gläsern, fand das entspannte beim 30er richtig gut, probierte dann wieder den 26er und dachte: aber voll in die Fresse ist halt auch geil! Dann allerdings probierte ich wieder den 30er und fand das entspannte wieder genau richtig. Und immer so weiter. Ich glaube dementsprechend, dass beide Varianten sich gegenseitig ergänzen und keine die andere komplett verdrängen könnte. Müsste ich mich allerdings für nur einen entscheiden, wäre ich aber beim 26er, so ehrlich muss ich sein (im Zweifel für den Bumms😉). Ich schrieb damals in meinem Fazit: "Ein Rum, der nicht eingeordnet, sondern meines Erachtens übergeordnet wird.". Und das würde ich auch heute noch unterschreiben. Klar, der hatte damals auch den Bonus, dass er als erster 1990er in Fassstärke kam, aber er hat eben auch den Zenit des Jahrgangs meines Erachtens einfach am präzisesten getroffen. Die Benchmark ist und bleibt für mich daher gesetzt. Zu meinem Glück muss ich mich nicht entscheiden und so freue ich mich über den 30 YO als schöne Ergänzung im Hampden Portfolio! 

-94/100-


PS: Nutzer der Rum Tasting Notes App finden diese Abfüllung auch hier:



Bis demnächst
Flo

Sonntag, 29. November 2020

Velier Caroni Ceremony 2019 - Vintage 1998

Liebe Rum Gemeinde,

zum ersten Advent und zum Ausklang dieses Monats möchte ich euch noch einmal mitnehmen zur Caroni Ceremony 2019. Leider konnte ich, wie die meisten von euch, damals nicht dabei sein und so bleibt mir nur, dank der Hilfe der wenigen Glücklichen denen es besser erging, mir im Nachgang zumindest einen kleinen Überblick darüber zu verschaffen, was es dort seinerzeit zu verkosten gab. Den Anfang machte Ende Oktober der Jahrgang 2000 nun nun geht es hier, knapp einen Monat später, mit drei Vertretern aus 1998 weiter!




Dazu möchte ich eingangs natürlich auch heute erst einmal wieder den lieben Menschen danken, die es mir überhaupt erst möglich gemacht haben dieses spannende und exklusive Tasting durchzuführen! Das ist einfach ganz, ganz großes Kino und mir bedeutet das sehr viel! Vielen lieben Dank dafür! 

Ansonsten habe ich das meiste zum Rahmen der Ceremony am 12. April 2019 und auch zum status quo der verbliebenen Caroni Casks (die inzwischen Glas Ballons gewichen sind und nicht mehr weiter reifen), sowie zu den weiteren Plänen Veliers und Luca Garganos bereits im ersten Teil meiner Ceremony Tastings hier behandelt. Die Stichworte waren hier die Employee Serie, The Last & Tasting Gang, Single Cask Bottlings und der VSGB (Velier Small Great Bottles) Club mit seinen 10 cl Abfüllungen. Wer das gerne nochmal etwas detaillierter haben möchte, der möge gerne hierauf zurückgreifen. Was ich noch verraten kann ist, dass nach meinem heutigen Tasting der 1998er Caronis auch noch Sessions zu den 1996er Trinidad Stock, den 1996er Guyana Stock und den 1994er Guyana Stock Caroni Casks folgen werden. Wann ich dazu komme, muss ich aber schauen. Solange aber die unabhängigen Abfüller weiter so großartige Releases in der Schlagzahl wie in diesem Jahr veröffentlichen könnte sich das aber hinziehen... Glaubt einem ja kein Mensch, was sich da gerade diese Woche schon wieder angekündigt hat... 🙈 Doch bleiben wir für den Moment im hier und jetzt und widmen uns den drei 1998er Fassproben!



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Caroni 1998 HTR 21 YO (1998 - 2019), ??% vol. (#3909)

Nase: schöne volle, reichhaltige und intensive Caroni-Nase! Anders als bei vielen der 2000er Casks vom letzten Mal schreit einem Caroni hier schon fast ins Gesicht. Das Bouquet ist sehr ausbalanciert, hier überlagert nichts und hier fehlt auch nichts. Da ist Dreck, da ist Fruchtigkeit, da sind Tannine und dazu kommt noch eine ungewohnte aber sehr gut zum Potpourri passende Note aus Zitrusfrüchten und etwas medizinischem. Der Alkohol ist dazu sehr gut eingebunden und sticht nach etwas Atmen im Glas auch kein bisschen mehr. Für einen 1998er beeindruckt mich die Nase wirklich sehr und ich fühle mich da an den Buju oder auch den Yunkoo Employee erinnert.

Gaumen: am Gaumen erscheint mir der Rum zunächst etwas banal und weit weniger Caroni-typisch als es die Nase noch vermuten ließ. Der Alkohol ist schon sehr präsent und der Einschlag von Menthol, Medizin, Jod und Tanninen ist sehr krass! Da fehlt mir leider so ein wenig die Süße und die Fruchtigkeit, die gehen dem #3909 zu meinem Bedauern komplett ab. Sehr schade! Dieses könnte gefühlt auch einfach einer dieser 1997er oder 1998er Caronis der vielen anderen UA sein. 

Abgang: dreckiger Abgang mit viel Jod, aber wenig begeisternd. Das ganze schlägt schnell um auf eine sehr trocken werdende Seite. Auch hier gefällt mir das Fass #3909 leider nicht so. 


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Caroni 1998 HTR 21 YO (1998 - 2019), ??% vol. (#3911)

Nase: die Nase vom #3911 geht in eine ähnliche Richtung und gefällt mir ebenfalls, da besteht kein Qualitätsverlust im Vergleich zum #3909. Im Gegenteil, sie gefällt mir sogar eher noch besser. Die Balance und Einbindung des Alkohols stimmen hier, der Rum erscheint komplex, die Intensität ist ausgeprägt. Der Side-Kick aus Zitrusfrucht und Medizin fehlt hier, bzw. ist nicht vorhanden, wodurch der Caroni noch etwas typischer daher kommt als die #3909. Auch der gefällt mir sehr gut! Bis hier her sogar mein Favorit! 

Gaumen: ein ordentlicher erster Eindruck, der mir schon sehr viel mehr zusagt als es der #3909 am Gaumen vermochte. Caroni 1998 kommt hier sehr gut raus, allerdings hatten z.B. der Buju und der Yunkoo noch immer mehr Süße und Fruchtigkeit, als es auch dieses Fass hier aufweist. Der Rum ist nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Mir fällt hier das Beispiel mit dem ungeschmückten Weihnachtsbaum wieder ein (s. Caroni #4053) und fühle mich darüber hinaus einmal mehr darin bestätigt, dass 1998 einfach nicht mein Batch ist bei Caroni. Schade, insbesondere nach der tollen Nase!

Abgang: typischer 1998-Abgang mit ordentlich Dreck und einigem an Tanninen. Dann trockener und angenehm bitter werdend. Das Finish weiß zu gefallen! 


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Caroni 1998 HTR 21 YO (1998 - 2019), ??% vol. (#3912)

Nase: dem #3912 merkt man am ehesten an, dass es sich bei ihm um einen 1998er Caroni handelt denn erinnert mich sehr an den Dennis "X" Gopaul Employee. Diese Nase braucht lange Zeit zum Atmen, ist dann aber sehr stark! Der Alkohol ist gut eingebunden, die Intensität hoch, einzig bei der Balance hat der Rum leicht Schlagseite, denn er tendiert schon sehr klar ins dreckige, weit stärker als die beiden anderen vor ihm. Das ist nicht ganz so meins, aber qualitativ ist spielt auch der #3912 auf ganz hohem Niveau! Der krasse Anis-Einschlag der mit der Zeit kommt, gefällt mir!

Gaumen: am Gaumen erinnert mich der Rum ebenfalls sehr an den Dennis "X" Gopaul. Von allen dreien hat er wohl die ausgeprägteste Süße (auch dieser Kontrast von Nase zu Gaumen war ja beim Dennis schon zu beobachten) und die am meisten ausgeprägte Balance am Gaumen. Der Alkohol ist zwar nicht ganz optimal eingebunden, aber der Rum in der Tendenz lecker und von den heutigen dreien wohl überraschend der beste am Gaumen. Doch selbst hier wieder: 1998 ist einfach nicht meine Präferenz No. 1! 

Abgang: trocken und bitter werdender Abgang, etwas Spekulatius bilde ich mir ein (?!), darüber hinaus aber unspektakulär. Der schwächste Part des Rums. 


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Gesamtfazit:

Mein Fazit fällt heute erstaunlich ähnlich aus wie beim letzten Mal, als ich die 2000er Fassproben der Ceremony im Glas hatte. Und das heißt zunächst einmal: keines der Fässer hätte ich am Ende des Tages für ein Single Cask ausgewählt! Das Fass #3912 ist sicher kein schlechtes, gerade wenn man auf diesen Stil steht, und kommt der Qualität für ein Single Cask ganz sicher am nächsten, aber kaufen würde ich ihn nicht. Fairerweise muss man aber auch dazu sagen, dass ich aus 1998 mit drei verkosteten Fässern eindeutig die wenigsten Fässer aller Jahrgänge probieren konnte, was sicher auch daran liegt, dass die Jungs von denen ich die Samples habe alles andere als große Fans von 1998 sind und da dementsprechend wenig mitgenommen haben. Ich kann es ihnen nachfühlen und das ist dann gleichsam auch der große Unterschied zu den verkosteten 2000er Fassproben: meine Erwartungen waren heute deutlich geringer, einfach, weil ich kein 1998er Fan bin. Die große Parallele wiederum zu den Fassproben des Jahrgangs 2000 ist aber vor allem, dass es mich fasziniert wie wenig mich die einzelnen Fässer für sich gesehen überzeugen, welch gute Blends es Luca aber schafft daraus zu kreieren! Immer wieder gelingt es ihm an der Stelle, Schwächen im Blend untergehen zu lassen und die jeweiligen Stärken herauszustellen. Das kann man gar nicht oft genug positiv bemerken! Gerade im Hinblick auf Buju oder Yunkoo bin ich da wirklich beeindruckt (über den Brigade mag ich an der Stelle gerade lieber den Mantel des Schweigens legen😉), bei denen ist der Blend eindeutig besser als es die Summe seiner Einzelteile gewesen sein dürfte. Das ringt mir den allergrößten Respekt ab! Andererseits wirft das aber natürlich auch die Frage auf, inwieweit 1998 nicht generell eher zum blenden taugt denn als Single Cask, auch ob der Tatsache, dass aus 1998 meines Wissens nach bisher noch nie ein einzelnes Fass von Velier abgefüllt wurde. Eventuell hat das ja gute Gründe... 

Ich wünsche euch nun noch einen schönen ersten Advent und eine besinnliche Vorweihnachtszeit! 

Bis demnächst,
Flo

Sonntag, 22. November 2020

Flensburg Rum Company Jamaica Rum 21 YO Monymusk 1999

Liebe Rum Gemeinde,

das in jeder Hinsicht unfassbare Jahr 2020 neigt sich langsam aber sicher dem Ende entgegen, aber die unabhängigen Rum-Abfüller liefern einfach weiter! Und so bringen uns Old Man Spirits zum Jahresabschluss und mit ihrer siebten regulären Abfüllung unter dem Label "Flensburg Rum Company" nochmal einen 21 Jahre alten Monymusk aus dem Jahr 1999! 



Kontinental gereifter Monymusk, ein Estergehalt von 164 gr/hlpa... Die reinen Randdaten allein, so könnte ich mir gut vorstellen, wirken auf den einen oder anderen schon etwas fortgeschritteneren Connaisseur zunächst einmal eher abschreckend, zumindest auf den ersten Blick. Und in der Tat, unter diesen Vorzeichen und bei näherer Betrachtung gab es in der Vergangenheit tatsächlich nicht so sonderlich viele Rums aus Monymusk, die die Rum Gemeinde wirklich verzückt hätten. Klar, es gibt ein paar ganz, ganz wenige eingefleischte Fans der Destillerie und es gab auch vor ca. 20 Jahren mal die alten Rums von Bristol Spirits (die heute aber kaum noch einer kennt, weil sie sehr selten geworden sind), aber der große Wurf war eher selten dabei. Selbst die meines Erachtens sehr gute Supreme Lord VIII Abfüllung von Rum Nation läuft bei den meisten unter dem Radar und ist auch nach vier Jahren auf dem Markt noch immer problemlos erhältlich. 

Was also hat dieser Monymusk, dass ich ihm meine Aufmerksamkeit widme? Nun, ähnlich wie beim FRC 29 YO KFM 1991 beginnt diese Geschichte im Februar 2020, also vor ziemlich genau einem dreiviertel Jahr. Als Falk damals, die Main Samples im Gepäck, bei mir zum Tasten war und wir die Rums alle durchprobierten um zu schauen, welche davon sich zur Abfüllung eigneten, flog der Monymusk bei mir noch unter dem Radar - aus allen eben genannten Gründen. Der einzige Grund aus dem ich damals überhaupt nur vorgeschlagen hatte dieses Sample bei Main zur Ansicht mit zu bestellen war das reine Alter des Rums von damals 20,5 Jahren. In diesem Alter gab es in der jüngeren Vergangenheit nämlich nicht viel von Monymusk auf dem Markt, fast alle Rums waren mindestens aus 2003 oder jünger. Und wenn es eine Brennerei gibt, bei denen die lange kontinental gereiften Vertreter den eher jungen Rums meines Erachtens grundsätzlich und meilenweit überlegen sind, dann ist es eben jene. Also schlug ich vor, dass wir uns auch diesen Tropfen mal genauer ansehen sollten, wenn gleich mein Hauptaugenmerk doch sehr klar und eindeutig dem KFM galt. Nun, als die Samples dann da waren und Falk bei mir einkehrte, hatte er natürlich auch den Monymusk dabei. Anders als erwartet gefiel er mir auf Anhieb auch richtig gut und mich faszinierte vor allem, wie komplett der einfach daher kam. Weich und rund aber nicht weichgespült, nicht anstrengend aber doch komplex und gar nicht anspruchslos. Richtig leckerer Stoff einfach, mit Erinnerungen an die alten Bristols aus den 1970er Jahren, aber durch den höheren Alkoholgehalt deutlich besser meines Erachtens! Und tatsächlich war der Jahrgang 1999 von Monymusk jetzt noch eher selten vertreten, so dass der Rum schon so etwas wie ein kleiner Geheimtipp sein dürfte. Kurz: ich gab den Jungs deutlich zu verstehen, dass ich mich persönlich wahnsinnig freuen würde, wenn nicht nur der KFM, sondern auch dieses Fass mit auf dem Einkaufszettel landen würde und das tat er dann letztlich auch. So, und vielmehr möchte ich da vor der Verkostung nun daher auch gar nicht mehr verraten sondern einfach loslegen! 

Aus Gründen der Transparenz sei an dieser Stelle aber noch erwähnt, dass ich ein Sample zur Verkostung sowie eine Flasche dieses Rums gratis erhielt. Auf meinen Geschmack und die Bewertung hat dies selbstverständlich aber keinen Einfluss. 



Verkostung des Flensburg Rum Company Jamaica Rum 21 YO Monymusk 1999:

Preis: die unverbindliche Preisempfehlung für den Monymusk wird bei 144,90€ liegen und der Rum voraussichtlich gegen Ende der 48. Kalenderwoche zu beziehen sein. 

Alter: von September 1999 bis Oktober 2020 lag der Rum insgesamt 21 Jahre im Fass. 

Lagerung: der Rum lagerte während der gesamten Zeit seiner Reifung in Europa. 

Fassnummer: Fass #3 ergab 257 durchnummerierte Flaschen a 0,7 Liter.

Angel's Share: unbekannt, ich vermute aber einen Anteil von ca.  15-25%.

Alkoholstärke: der Rum kommt in Fassstärke daher und weist einen Alkoholgehalt von 56,2% vol. auf. 

Destillationsverfahren: Pot Still.

Mark: unbekannt, ich vermute geschmacklich allerdings, dass es sich um das Mark EMB handelt.

Farbe: kräftiges, goldenes Stroh

Viskosität: der Rum bildet fette, eher weite und parallel verlaufende Schlieren an der Glaswand und fließt zügig hinab, zurück ins Glas. 

Nase:
 aah, eine einerseits kräftige, dabei aber dennoch auch filigrane und auf jeden Fall aber ausdrucksstarke Nase, die schon ziemlich deutlich nach Jamaica geht, zumindest wenn man diese Art von Jamaica Rum auch kennt; denn der Rum ist definitiv keine Ester-Bombe und es kommt auch kein Rum-Topf Feeling auf. Dafür habe ich aber sehr klare Erinnerungen an den Appleton 1999 von neulich, mit dem Unterschied jedoch, dass mir dieser Style hier wesentlich besser gefällt, und auch an alte Long Ponds aus den 1980s! Alkoholische Schärfe ist fast gar nicht vorhanden und der Rum macht für sein Alter auch sehr schnell auf, wie ich finde, so dass sein Bouquet nicht lange gesucht werden muss. Dort habe ich dann etwas sehr nussiges, wie ich es eben ganz charakteristisch von den alten Long Ponds in diesem Alter noch kenne, dazu viele vegetale, grasige Einflüsse, eine Spur Bourbon Vanille, zarte Rauchnoten, ganz hinten und eher dezent auch gegrillte Ananas und Anis. Dazu kommt eine schöne Note vom Holz, welches der Rum definitiv nicht leugnen kann, und das gefällt mir besonders gut, denn gerade daran scheitern einige der kontinental gereiften Vertreter in diesem Alter auch gerne mal und dann finde ich es doch schade, wenn 20 YO+ Rums den Eindruck vermitteln, sie könnten auch erst halb so alt sein. Diesem Verdacht sieht sich der FRC Monymusk 1999 ganz ausdrücklich nicht ausgesetzt!

Gaumen: Lecker! Bereits mit dem ersten Schluck fällt direkt auf, dass die 56,2% vol. hier genau passen! Der Rum hat einen tollen, voluminösen Körper und kommt dabei richtig weich und smooth daher - optimum strength! Der Alkohol ist perfekt eingebunden! Der Rum liegt schön ölig auf der Zunge, ist angenehm mundfüllend und wird im Verlauf dann immer cremiger. Ich habe starke, präsente Aromen von Nuss am Gaumen, dazu vegetale Noten, viel, viiiiel Anis und auch leichte gegrillte Ananas und dazu Birne, sowie ganz dezent Orange. Dazu gesellen sich Vanille und in geradezu perfekter Dosierung die Tannine und Einflüsse vom Holz! Erneut kommen Erinnerungen an frühere Bristol Monymusk aus den 1970s, Long Ponds aus 1986 und Veliers/Appletons 1999er Abfüllung auf (aber wiederum positiv). Das ist einfach ein richtig leckerer, intensiver Rum voller Tiefe und Komplexität! Eine feine Süße, die zu Beginn noch da ist, schlägt mit zunehmender Verweildauer am Gaumen in Trockenheit um und signalisiert, dass es Zeit für ihn ist zu gehen. 

Abgang: kein ewig langes Finish, aber er bleibt eine Weile. Ich habe noch Anis, frisch geschnittenes Geäst, leichte Macadamia, das ganze trockener und leicht (angenehm) bitter werdend. Sehr schön!

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Fazit:
 ich hatte es ja oben schon mehr oder weniger angeteasert, aber das ist für mich tatsächlich ein nahezu kompletter Rum, der mich noch dazu sehr an eines der schönsten Kapitel meiner Rum-Zeit überhaupt erinnert, nämlich an die alten Stile Jamaicas aus den 1970s und 1980s! Damals, um das Jahr 2011, waren diese für mich das absolute non plus ultra, meine uneingeschränkten Favoriten. Nun, die Zeiten haben sich ein wenig gewandelt und mit ihnen mein Geschmack und so sehe ich heute durchaus doch so einige Styles über diesen Rums, aber dennoch rangieren sie bei mir natürlich noch immer sehr weit oben. Und genau dort, also sehr weit oben, würde ich auch diesen Rum ansiedeln. Nicht in der absoluten Spitze und den letzten 5%, das wäre doch zu hoch gegriffen, aber eben knapp darunter. Und angesichts diesen Tropfens muss ich sogar sagen, dass es in mir einmal mehr die große Frage aufwirft, wie gut all die alten Rums von Bristol u.a. hätten sein können, wenn sie nicht so extrem verdünnt worden wären. Man weiß es nicht und wir werden es nie erfahren, aber ich könnte mir vorstellen, dass es arg in die Richtung meines heutigen Rums im Glas gegangen wäre. Und viel mehr Lob geht dann auch schon kaum noch. Im Hinblick auf den Preis würde ich sagen, dass dieser für einen 21 Jahre alten Jamaica Rum und vor allem die hier gebotene Qualität mehr als angemessen, für viele Connaisseure aber vielleicht auch schon hart an der Grenze dessen ist, was sie für diesen Typ Rum bereit sind auszugeben. Denn auch wenn ich diesen Monymusk schon sehr viel besser finde als alles was sonst an kontinental gereiften Monymusk so rumläuft, so bleibt es eben ein Monymusk und diese haben es am Markt traditionell schwerer als Hampden oder Long Pond. Wer aber z.B. mit den Bristols oder den alten Long Ponds damals durchaus etwas anfangen konnte, der wird die deutlich gesteigerte Intensität durch den höheren Alkoholgehalt lieben, kann hier nicht viel falsch machen und auch eigentlich bedenkenlos zuschlagen - allerdings auch nur dann. Denn wer eigentlich eher auf die Dampfwalzen abfährt und trotz gegenteiliger Darstellung in meiner Review noch immer die Rest-Hoffnung hegt bei diesem Rum eine solche zu bekommen, der sollte auf jeden Fall erstmal zu einem Sample greifen. 

-91/100-


PS: Nutzer der Rum Tasting Notes App finden diese Abfüllung auch hier:

Flensburg Rum Company Jamaica Rum 21 YO Monymusk 1999


Bis demnächst
Flo