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Sonntag, 3. Mai 2020

Velier Jamaica Rum EMB 22 YO Monymusk 1997

Liebe Rum Gemeinde,

nach sehr viel Hampden und Caroni in letzter Zeit wird es für mich höchste Zeit, einmal wieder auf Monymusk zu blicken! Jene Destillerie auf Jamaica, die noch immer verhältnismäßig unter dem Radar fliegt, die aber gerade im letzten Jahr einige wirklich beachtliche Ausrufezeichen setzen konnte und nun mit einer Abfüllung für Giuseppe Begnoni mit dem nächsten High End Rum am Start ist!



Monymusk hat ganz unzweifelhaft (wenn man einmal von den Scheer-Joint Bottlings absieht, die ich in ihrer Gesamtheit als seltenen Misserfolg Luca Garganos ansehen würde) mit den beiden Velier-EMB-Releases aus 2010 und 1995 im letzten Jahr einen gewaltigen Satz nach vorn hingelegt! Konnte man mit den Rums von dort bis dahin nur ein paar ganz wenige eingefleischte Fans wirklich abholen, so begeisterten und überraschten die tropisch gereiften Vertreter doch mehr oder weniger die gesamte Fachwelt.

Und das ist durchaus paradox! Denn während beispielsweise Hampden oder Long Pond Rums seit jeher in kontinental gereifter Form auf ganzer Linie überzeugten und schon seit mindestens zehn Jahren unter Connaisseuren die Anerkennung bekommen die sie verdienen, war das bei Monymusk anders. Es gab die alten Bristols aus den 1970s, die aber schon sehr subtil waren, und in den letzten Jahren auch kaum noch zu bekommen, aber ansonsten war da nicht viel. Doch mehr noch: ich sehe bei Hampden oder Long Pond die kontinentale Reife geschmacklich noch immer deutlich in Front gegenüber der tropischen Reifung, aller bisher veröffentlichter tropisch gereifter Bottlings in den letzten Jahren zum Trotz. Insofern überzeugte mich die tropische Reife bis dahin zwar ganz klar bei Guyana und bei Caroni, nicht aber bei Jamaica Rum! Die Monymusk EMB verkehrten diese Wahrnehmung erstmals und ich sehe hier die tropisch greiften Kandidaten ganz klar den kontinentalen überlegen. Daher freute ich mich auch direkt, als ich vor einigen Wochen erfuhr, dass noch ein weiterer alter Monymusk im Jahr 2019 abgefüllt wurde, auch wenn er erst jetzt in 2020 auch in den Onlineshops erschienen ist. Es handelt sich dabei um eine Sonderabfüllung für Giuseppe Begnoni, einen Partner Luca Garganos, der 2016 auch bereits das Glück hatte, eine eigene Caroni-Abfüllung zu bekommen. Der Begnoni Monymusk 1997, der mit EMB wieder das Mark der alten Bog Estate trägt, ist auf 442 Flaschen limitiert und besteht, wie der Khong 1995, aus nur zwei Fässern. Der Alkoholgehalt fällt mir stolzen 67,9% sehr ähnlich hoch aus und anders als beim Khong erfahren wir hier den genauen Estergehalt: 427,2 gr/hlpa! Das ist durchaus eine Ansage, vor allem im Vergleich zum Estergehalt des Habitation Velier EMB 2010 damals (275,5 gr/hlpa) und daran gemessen, wie hoch der Estergehalt beim Mark EMB laut National Rums of Jamaica eigentlich sein soll, nämlich maximal 250 gr/hlpa! Insofern haben wir hier schon richtig Ester-Power am Start heute und ich bin natürlich gespannt, inwieweit sich das im Rum selbst dann auch bemerkbar macht. 

Erwähnt habe ich sie eben beide schon aber, so wie ich den 1995er aus der Khong Serie schon gegen den EMB aus 2010 gestellt habe, so stelle ich natürlich auch heute den 1997er für Begnoni wieder neben diesen Rum, aber natürlich auch neben den Khong, so dass er sich gegen die beiden für mich bisher mit Abstand besten EMB gleichermaßen behaupten muss! Bühne frei!


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Verkostung des Velier Jamaica Rum EMB 22 YO Monymusk 1997:

Preis: ich habe den Rum in diversen Onlineshops für zwischen 305,- und 350,- Euro gesehen. Gegenüber der Khong Abfüllung letztes Jahr (Ausgabepreis waren ca. 200,- Euro) also eine deutliche Steigerung! Vielleicht ist der Rum auch deshalb aktuell noch gut zu beziehen.

Alter: von 1997 bis 2019 reifte der Monymusk insgesamt 22 Jahre in Fässern. 

Lagerung: die Fässer lagerten bei Monymusk auf Jamaica, der Rum reifte also komplett unter tropischer Sonne. 

Fassnummern: unbekannt. Es handelt sich allerdings laut Label um einen Blend aus zwei Fässern, die insgesamt auch nur 442 Flaschen ergaben.

Angel's Share: >82% des ursprünglichen Volumens gingen über die Jahre an die Engel.

Alkoholstärke: stolze 67,9% vol. bringt der Begnoni 1997 "auf die Waage" - Full Proof!

Destillationsverfahren: der Rum entstammt einer Single Retort Pot Still von Monymusk.

Mark: EMB, das Mark des alten Bog Estate. 

Farbe: gold-braun, fast ins rötliche und an Rosskastanie erinnernd. 

Viskosität: parallele, regelmäßige und eher enge Schlieren laufen von der Glaswand zügig ins Glas zurück. 

Nase: zunächst sehr alkoholisch, was bei diesem hohen Alkoholgehalt und noch dazu im Ballonglas nicht anders zu erwarten war, lasse ich den Rum erst einmal über eine Stunde atmen. Diese tut ihm merklich gut, denn im Anschluss daran finde ich in der Nase ein Bouquet vor, was es definitiv wert ist, dass man sich eingehend mit ihm auseinander setzt. Mich begrüßen direkt zu Beginn schon starke Ester und andere Congeners, die allerdings trotz der geweckten Assoziationen zu Klebstoffen und Lösungsmitteln in eine ganz andere, eigene Richtung gehen als beispielsweise Jamaicaner aus Hampden oder Long Pond. Die Verwandtschaft zum 1995er ist offenkundig und auch den 2010er kann er kaum leugnen, wenn gleich das hier freilich ein anderer Reifegrad ist. Der Rum hat einiges an Tanninen abbekommen. Ich habe Röstaromen, karamellisierten Zucker, leicht verkohltes Holz und hinten heraus auch Gewürze, wie z.B. Anis. Es gesellen sich dann aber auch Trockenfrüchte, Mango und Papaya dazu, die hier zur sehr gereiften Komponente des Rums auch einen fruchtigen Part mit einbringen, was im Zusammenspiel sehr gut funktioniert. In der Nase mutet der Rum all in all tatsächlich wie ein Verbindungsstück zwischen dem sehr extremen 1995 und dem im Vergleich geradezu jugendlich anmutenden 2010er EMB, wobei die Tendenz, seinem Alter entsprechend, natürlich zum 1995er geht. 

Gaumen: zunächst einmal möchte der Alkohol gebändigt werden, was durchaus schon einer kleinen Anstrengung bedarf. Da steht er dem 1995er in nichts nach und die fast 68% vol. erbringen ihren Anwesenheits-Nachweis. Dementsprechend empfehle ich, sich dem Rum erstmal eher mit kleineren Schlücken zu nähern. Hat sich das anfängliche Brennen am Gaumen gelegt, und ja, der zwirbelt trotz der nicht geringen Reife schon ganz schön, gibt er eine feine Süße, sehr viele Tannine, Röstaromen, Anis, Bananenchips und -kompott frei, sowie wieder diesen medizinischen Touch, den ich auch schon beim 1995er gefunden hatte. Insgesamt zeigt er sich in seiner Gesamt-Anmutung dem großen Bruder schon sehr ähnlich, wenn gleich dieser nochmal ein ganzes Stück mehr Reife aufweist. Den 1997er empfinde ich hier schon als etwas ausgeglichener/ausgewogener/stimmiger, obwohl auch er wirklich arg gereift daher kommt. Gingen meine Assoziationen beim 1995er noch eher zu Long Pond, bin ich hier eher bei Worthy Park. Da sind schon einige Parallelen. Wenn Worthy Parks mit vergleichbarer Reife irgendwann ähnlich schmecken, dann sollte man sie lieber noch etwas in den Fässern lassen statt sie aktuell massenhaft auf den Markt zu werfen, denn in dieser Form kämen sie doch sehr viel spektakulärer als derzeit. Doch ich schweife ab.

Abgang: wieder habe ich die Assoziationen zu Worthy Park, allerdings auch zu alten Demerara Rums. Ich finde viel Anis, dazu verbranntes Gummi und einen medizinischen Bitter-Ton! Mittel- bis langanhaltend! 

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Fazit: obwohl mir der Rum fast genauso gut gefällt wie der 1995er, bin ich nicht mehr ganz so begeistert, wohl auch, weil ich nicht mehr in dieser Form überrascht bin wie ich es noch im Herbst letzten Jahres war. Aber wie jetzt? Sind diese alten Monymusk etwa nur ein One Trick Pony? Nein, soweit würde ich definitiv nicht gehen, immerhin sind sie meines Erachtens noch immer absolut perfekt für Momente, in denen es schon ein sehr gediegener Rum sein darf, in denen man sich aber gleichzeitig nicht unbedingt einen Rum wünscht, den man dann noch für die nächsten zwei Tage am Gaumen präsent hat, wie das bei Hampden oder Caroni schnell mal der Fall ist. Insofern sprechen wir hier ohne jeden Zweifel noch immer von Top Qualität auf höchstem Niveau! Allerdings sprechen wir inzwischen eben auch über Top Preise auf ebenfalls sehr gehobenem Niveau und da muss oder sollte man dann doch schon auch etwas genauer hinsehen, gerade mit Blick auf den EMB 2010, den man noch immer für ca. 100,- Euro bekommt und damit für gerade einmal ein Drittel (!) dessen, was man für den 1997 hinlegen muss (beim 1995er ist die Spanne nochmal größer, durch die Preise auf dem Secondary). Klar, der Habitation Velier rangiert schon nochmal ein ganzes Stück hinter den älteren Brüdern, zumindest aus meiner subjektiven Warte, aber eben auch nicht soo weit dahinter, als dass man nicht doch heimlich im Kopf zu rechnen beginnt. Und an der Stelle ist es dann eigentlich auch schon zu spät, denn wenn ich in dieser Preisrange einen Rum kaufen möchte, dann sollte ich tendenziell nicht überlegen müssen. Wer es dennoch tut, bzw. hier zuschlägt macht nichts desto weniger aus meiner Sicht allerdings keinen Fehler, sondern erhält einen fantastischen Rum, an dem er viel Freude haben wird, nur eben zu einem als leicht zu hoch empfundenen Kurs. Das wiederum wäre ja aber bei vielen von uns ganz sicher nicht das erste mal... oder? ;-)

Ein ganz besonderer Dank geht abschließend nach Wilhelmshaven für das Sample vom EMB 1997, den ich ansonsten nicht hätte verkosten können!

-92/100-

Ich wünsche euch nun noch einen schönen Sonntag!

Bis demnächst,
Flo

Sonntag, 20. Oktober 2019

Velier Jamaica Rum EMB 24 YO Monymusk 1995

Liebe Rum Gemeinde,

erst im Juli diesen Jahres hatte ich euch den neuen Habitation Velier 9 YO EMB Monymusk aus 2010 vorgestellt, der alles was wir bisher zu Monymusk gesehen haben so ein wenig auf den Kopf gestellt hat. Nun hat Velier mit einem EMB aus 1995 direkt einen Nachfolger hinterher geschoben, bei dem alleine schon die Eckdaten für große Augen sorgen - und der gleichzeitig auch den Startschuss zu einer zweiten Khong-Serie markiert: der Velier Jamaica Rum 24 YO Monymusk 1995!



24 Jahre tropische Reife... nein, schon das allein sehen wir nicht sehr häufig, insbesondere seit es von Velier keine alten Demeraras mehr gibt. Auch die allermeisten Caronis reiften nicht so lange. Einen so lange tropisch gereiften Rum aus Jamaica kenne ich, abgesehen von wenigen Appleton Rums, glaube ich sogar überhaupt gar nicht. Insofern ist dieser neue Monymusk von Velier also schon so etwas wie eine kleine Sensation, die durchaus aufhorchen lässt. Veröffentlicht wird diese im Rahmen einer zweiten sechsteiligen Warren Khong Serie, also einer Serie an Veröffentlichung, dessen Label-Gestaltung in der Hand des Künstlers Warren Khong liegt, die zugleich aber auch eine Hommage an die Villa Paradisetto in Genua ist, in der Velier von 1988 an bis in dieses Jahr Quartier bezogen hat. Im nächsten Jahr steht dann, nach 32 Jahren in der Via G. Byron 14, ein Umzug an. Das Kunstwerk Khongs auf dem Frontlabel stellt dabei jeweils dessen Interpretation des Bildes vom Backlabel dar. Ebenfalls schon bekannt ist eine weitere Abfüllung der Serie, ein Savanna Traditionell aus dem Jahr 1999.




















Schon beim 9 Jahre alten EMB von Habitation Velier fiel mir auf, wie enorm reif Monymusk auch in jungen Jahren schon sein kann, wenn sie in den Tropen reifen. Und ehrlicherweise muss ich gestehen: nach der Verkostung des EMB 2010 hätte ich nicht gedacht, dass man die Reifung auf insgesamt 24 Jahre ausdehnen könnte. Ich empfand diesen schon sehr nah dran am Zenit, nach dem, wenn er überschritten wurde, sich Reife dann ja eher negativ auswirken würde, und war daher, als ich von diesem neuen Bottling hörte, sowohl euphorisch als auch skeptisch. Heute verkoste ich den Rum hier auf BAT und so werden wir gemeinsam feststellen, welches Gefühl sich da am Ende durchgesetzt hat. Eines aber scheint jetzt schon sehr klar zu sein: Velier hat in puncto Monymusk ganz offensichtlich noch einiges auf dem Plan, denn auch für 2020 kündigen sich schon neue Bottlings aus dieser Destillerie an. Das findet wiederum meine ausdrückliche Zustimmung, denn ich finde, gerade der EMB 2010 hat gezeigt, dass bei Monymusk noch viel mehr geht als wir bisher gesehen haben. Besonders gut gefällt mir, dass der Rum aus 2010 und dieser heute aus 1995 das gleiche Mark tragen. So lässt sich doch einigermaßen aussagekräftig abschätzen, wie sehr sich der Stoff mit einem deutlichen Plus an mehr Reifejahren im Laufe der Zeit verändert. Folglich werde ich beide jetzt gleich auch nebeneinander verkosten. Das Mark EMB, hier hatte ich das ausführlicher erläutert, steht für die ehemalige Brennerei Bog Estate. Ein Dank geht heute an einen lieben Connaisseur, mit dem ich den Rum zusammen verkostet habe und von dem ich dankenswerter Weise auch das Sample samt Altglas und -papier für's Foto bekam. Vielen Dank! :-)


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Verkostung des Velier Jamaica Rum 20 YO Monymusk 1995:

Preis: der Rum war teilweise für unter 200,- Euro in einigen Shops zu finden, lag meist aber bei genau 200,- bis 240,- Euro. Das ist, bei aller Perversion der Preisexplosionen in den letzten Jahren, für einen 24 Jahre tropisch gereiften Rum im Jahr 2019 durchaus als Schnäppchen zu begreifen. 

Alter: von 1995 bis 2019 reifte der Monymusk insgesamt 24 Jahre in Fässern. 

Lagerung: die Fässer lagerten auf Jamaica, direkt bei Monymusk, der Rum reifte also komplett tropisch. 

Fassnummern: unbekannt. 

Angel's Share: unbekannt. Ich vermute aber, anhand anderer Abfüllungen, die unter vergleichbaren Bedingungen reiften, dass er nicht unter 80% gelegen hat.  

Alkoholstärke: 67% vol. - Full Proof.

Destillationsverfahren: der Rum entstammt einer Single Retort Pot Still von Monymusk.

Mark: EMB, das Mark des alten Bog Estate. 

Farbe: tiefes, dunkles Mahagoni, der Rum wechselt schon beinahe ins rötliche. 

Viskosität: der Rum bildet weite, gleichmäßige Tränen an der Glaswand, die die enorme Reife des Rums geradezu visualisieren. 

Nase: hui, das ist mal Reife! Dass wir es hier und heute mit einem richtig lange und auch tropisch gereiften Rum zu tun haben, ist vom Start weg unübersehbar! So intensiv, mit solch einer Tiefe und Komplexität in der Nase... das sieht man selten. Ein Monster von einem Rum steht da vor mir! Ich habe mir den Monymusk EMB von 2010 einfach mal zum direkten Vergleich daneben gestellt und da fällt es dann direkt noch einmal noch mehr auf. Wahnsinn! Denn wir erinnern uns, schon der 9 Jahre alte Rum hatte eine extrem präsente Fassreife, aber das hier geht noch einmal meilenweit darüber hinaus, ohne, und das möchte ich von Beginn an klarstellen, dass auch nur entfernt der Eindruck entsteht, dass der Rum verholzt sein könnte. Ganz im Gegenteil, die intensive Reife steht ihm hervorragend! Ebenfalls auffällig ist, wie gut der Alkoholgehalt von 67% vol. in der Nase eingebunden ist. Klebstoffe und Lösungsmittel sind sehr präsent, der Rum hat gut Ester. Riecht man eine längere Zeit am Glas und wechselt dann aber unmittelbar zum 2010er EMB, dann riecht der erstmal nach gar nichts mehr. Puh! Ansonsten finde ich Anis und Tabak noch sehr ausgeprägt vor und eine leichte Zitrusnote schwingt mit. In dieses herrliche Potpourri weben sich dann in ausgezeichneter Manier die starken Tannine ein, die dem Rum ihren Stempel aufdrücken, ohne ihn dabei aber zu dominieren. Eine ausgezeichnete Nase! In dieser Disziplin hat der deutlich jüngere Bruder leider keine Chance! 

Gaumen: der Rum brennt am Gaumen zunächst einmal schon ganz gut. Hier verleugnet er seine 67% vol. ganz und gar nicht. Das geht schon ganz schön ab! Nach einer Weile legt sich das aber und der Rum beginnt, all sein Können zu zeigen. Der Rum macht, während man ihn sich auf der Zunge hin und her legt, eine klare Transformation durch.  Zum Einstieg nehme ich eine sehr präsente Zitrusnote wahr, dann aber habe ich vor allem Anis, ganz viel davon, reichlich Tannine vom Holz und eine leicht medizinische Assoziation. Er wird mit der Zeit natürlich auch immer trockener. Der Rum ist dabei zwar nicht unbedingt der komplexeste, am Gaumen, allerdings macht er das durch atemberaubende Intensität einfach locker wett. Hier liegt seine große Stärke! Und nicht zuletzt muss man festhalten: der Rum ist richtig, richtig lecker! Was auffällt ist, dass Assoziationen zu den bisherigen, europäisch gereiften Monymusk hier überhaupt nicht aufkommen, wie schon beim 2010er EMB, bei dem das auch schon so war. Grundverschiedene Rums! Stilistisch ist das alles viel, viel näher an Long Pond. Untereinander ist die Verwandtschaft der EMBs zueinander aber klar erkennbar. Der Stil ist grundsätzlich der gleiche, nur ist der 1995er eben sehr, sehr, sehr viel reifer. Davon profitiert er enorm!

Abgang: deutliches Anis, Tannine, angenehme Bitterkeit, frisch geschnittenes Geäst, würzig-trocken. Der Rum verweilt mittellang bis lang am Gaumen.

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Fazit: ganz, ganz großer Rum zu einem, zumindest wenn man den Ausgabepreis heranzieht, unfassbar guten Preis! Richtig stark! Der Rum toppt seinen kleinen Bruder, den EMB 2010 von Habitation Velier, spielend. Das hätte ich in dieser Deutlichkeit nicht erwartet, hatte den 2010er gar schon am Zenit gewähnt, allerdings gibt es da einfach kein Vertun. Ich gehe hier klar mit dem älteren Bruder. Wer ihn zu einem guten Preis noch bekommen kann, sollte zuschlagen. Klasse, dass es Velier schafft solche Schätze immer und immer wieder auszugraben.
Doch so hervorragend das alles klingt: für die allerhöchste Kategorie reicht es für mich persönlich nicht ganz, dafür fehlt mir etwas die Komplexität und gleichzeitig etwas weniger alkoholische Schärfe am Gaumen. Ich könnte stundenlang an ihm riechen und ihn auch trinken, wenn ich nicht nur ein kleines Sample hätte, und mich von dieser intensiven Leckerheit wirklich berauschen lassen, aber da müsste für die letzten % einfach noch etwas mehr kommen. Ich denke, gemessen am eigenen Potenzial, wäre hier noch mehr möglich. Aber was ist das? Richtig! Meckern auf unglaublich hohem Niveau! Daher nicht beirren lassen: für mich einer der Rums des Jahres und der neuerliche Beweis, was Monymusk alles kann! Und am Ende ist genau das dann wahrscheinlich auch schon so ein kleines Foreshadowing für das, was uns in 2020 erwartet, das ein wahres Monymusk-Jahr werden könnte. Beim 2010er EMB hatte ich gesagt, dass er das klare Potenzial dazu besitzt, Monymusk aus dem Schatten der anderen Brennereien zu ziehen. Der 1995er allerdings hat das Potenzial, Monymusk nicht nur neben die anderen, sondern es gar auf die große Bühne zu stellen. Ich bin neugieriger denn je, wie der 1984er Monymusk schmeckt, der nächstes Jahr kommt. Es sind aufregende Zeiten in der Rum-Szene!

-93/100-

Bis demnächst,
Flo

Sonntag, 7. Juli 2019

Habitation Velier EMB Jamaica 9 YO Monymusk 2010

Liebe Rum Gemeinde,

Monymusk als das "schwarze Schaf" der Jamaica Rums zu bezeichnen, wäre etwas übertrieben und ganz sicher auch weder fair noch gerechtfertigt. Und doch habe ich, seitdem ich 2011 angefangen habe mich mit Jamaica Rums intensiver auseinanderzusetzen, das Gefühl, dass diese Destillerie unter Connaisseuren sehr deutlich im Schatten von Hampden, Long Pond, Worthy Park oder auch Appleton steht. Heute stelle ich einen Rum vor, der das eindeutige Potenzial dazu hat, solche Sichtweisen langfristig und nachhaltig geradezu umzustoßen!



Der Habitation Velier EMB 2010 ist einer von drei Jamaica Rums, welcher im Rahmen der Habitation Velier Reihe im Frühjahr 2019 von Velier releast wurde. Neben dem Monymusk kamen auch noch ein Hampden HGML aus 2010 und ein Long Pond TECA aus 2005. Wie bisher gewohnt ging der Monymusk dabei, mindestens gefühlt, ein wenig unter neben dem TECA und vor allem dem HGML. Nun mache ich heute schon seit der ersten Zeile keinen wirklichen Hehl daraus, dass für mich bei diesem Rum irgendwas anders ist als bei anderen Monymusk und das möchte ich im Folgenden auch gern erläutern.

Fangen wir zunächst dort an, wo der heutige Rum, zumindest meines Wissens nach, derzeit noch ein absolutes Alleinstellungsmerkmal hat: er ist tropisch gereift. Das ist für einen Monymusk ein Novum! Alles an Rum was uns von dort all die Jahre über unabhängige Abfüller erreichte, wurde in Europa gereift - seien es die ganz alten Monymusk aus 1976 und 1977 oder auch spätere Batches aus den Jahren 1991, 1997, 1998, oder auch aus 2003 oder 2007, um da den Bogen zu neueren Vintages zu spannen. Nun bin ich, bei aller Sympathie für tropische Reife, auch im Jahr 2019 noch kein Dogmatiker und sehe kontinental gereifte Rums nicht minder als solche, die in den Tropen lagen. Es sind eben zwei vollkommen verschiedene Wege, die zu unterschiedlichen (meines Erachtens jeweils sehr guten) Ergebnissen führen. Nun möchte ich der gleich folgenden Verkostung natürlich nicht allzu sehr vorgreifen, aber ich denke im Fall von Monymusk durchaus, dass wir hier heute ein vielleicht doch auch besseres Ergebnis sehen, nicht nur ein anderes, als bei jenen Rums, die Monymusk bei kontinentaler Reife abliefert. Aber dazu gleich mehr.

Der zweite äußerst wichtige Punkt, und ich glaube, dass auch das eine Premiere ist, ist das Mark. Ich habe Rums aller bisherigen Monymusk Batches im Glas gehabt, aber keines davon ähnelte dem, was ich gleich probieren werde. Dementsprechend gehe ich davon aus, dass der Unterschied nicht ausschließlich in der Art der Reife liegt. Das Mark des heutigen Monymusk lautet EMB, was, laut Unterlagen von National Rums of Jamaica, bei Monymusk für Rums mit einem Estergehalt von 240 - 250 gr/hlpa verwendet wird. Velier gibt auf dem Backlabel ein Spektrum von 125 - 280 gr/hlpa an, was den offiziellen Angaben deutlich widerspricht. Eine eindeutige Aussage dazu was da nun genau stimmt kann ich da schwerlich mit Sicherheit treffen, aber für sehr viel wahrscheinlicher halte ich es natürlich, dass die offiziellen Zahlen stimmen werden. Wie dem aber auch immer sei, eines ist klar: der Rum hat einen deutlich höheren Estergehalt als die bisherigen Monymusk, die Europa in all den Jahrzehnten erreichten und das bedeutet natürlich, dass hier neue Facetten der Destillerie zum Vorschein kommen.


Über Bog Estate:

In den Unterlagen von NRJ erfahren wir aber auch noch ein weiteres spannendes und wichtiges Detail. Das Mark EMB bezeichnet nämlich nicht einfach nur eine Ester-Range, sondern es steht darüber hinaus auch noch für Bog Estate, eine im Jahr 1948 geschlossene Destillerie auf Jamaica, die früher in Clarendon, im Süden der Insel, stand. Eine weitere Lost Distillery also, die hier wieder ans Licht kommt! Nach einem Brand vor einigen Jahren scheinen vom ehemaligen Anwesen leider nur noch Ruinen übrig zu sein, aber hier erhält man dennoch ein paar Eindrücke. Was die Geschichte von Bog Estate angeht bin ich, um ehrlich zu sein, noch ein wenig irritiert. Anders als bei anderen historischen Brennereien auf Jamaica sind die Angaben die ich gefunden habe, unter anderem zu ehemaligen Vorbesitzern und zur Gründung der Destillerie, extrem widersprüchlich, weswegen ich hier mit Infos leider noch geizen muss. Festzustehen scheint nur, dass der Stil von damals bewahrt wurde, ähnlich wie wir es bei Vale RoyalCambridge oder Tilston schon im Fall von Long Pond gesehen haben, und heute eben bei Monymusk gebrannt wird. Es handelt sich dabei, laut NRJ, um einen Medium Pot Still Rum, der im Wedderburn Style daher kommt. Und wie sich dieser Stil letztendlich im Glas macht, das sehen wir jetzt!


Verkostung des HabitationVelier Jamaica Rum 9 YO Monymusk 2010:

Preis: die Preise für eine Flasche unterschieden sich zum Teil. Meist wurden zwischen 90,- und 110,- Euro aufgerufen.  

Alter: von 2010 bis 2019 reifte der Monymusk insgesamt 9 Jahre in Fässern. 

Lagerung: die Fässer lagerten bei Monymusk, wurden also komplett tropisch gereift. 

Fassnummern: unbekannt, ebenso wie die genaue Anzahl an Fässern oder Flaschen.  

Angel's Share: >64% sind in 9 Jahren Reifung verdunstet. 

Alkoholstärke: 62% vol. - High Proof.

Destillationsverfahren: der Rum entstammt einer Single Retort Pot Still von Monymusk.

Mark: EMB, das Mark des alten Bog Estate. 

Farbe: tiefes, kräftiges gold-braun, ins Mahagoni gehend. 

Viskosität: es bilden sich nur vereinzelt Tropfen am Glasrand, eine Schlierenbildung findet unregelmäßig und in eher weiten Abständen statt. Nicht sehr fotogen. ;-) 

Nase: eine schöne, deutliche und kräftige Ester-Nase empfängt mich schon nach kurzer Zeit des Atmens im Glencairn Glas. Wow, das gefällt mir richtig gut! Voll und reichhaltig kommt das alles daher, man möchte mit der Nase immer wieder zum Glas. Alkoholische Schärfe ist nahezu gar nicht präsent. Was rieche erinnert mich dann auch erstmal so gar nicht an Monymusk, wie ich es kenne. Ob das an der tropischen Reife liegt oder daran, dass hier möglicherweise ein Mark gebottlet wurde, was es bei anderen UA bisher noch nicht gegeben hat? Ich vermute beides, denn so kenne ich die Destillerie bisher einfach nicht. Gefällt mir sehr, sehr gut! Im Bouquet finde ich die typischen Lösungsmittel und Lacke der Ester, dazu Anklänge von Tabak, Anis, Leder und Holz. Überhaupt steht der Rum sehr auf der trockenen und gereiften Seite. Für 9 Jahre, und selbst für tropische Verhältnisse, ist das hier ein dickes Ausrufezeichen! Eine natürliche Süße schwingt nur ganz dezent mit und fruchtige Komponenten finde ich nahezu gar nicht und wenn, dann sehr undefiniert. Mich erinnert das ganze mehr an einen gereiften Long Pond als an Monymusk! Sehr geil!

Gaumen: der Rum legt sich in der Mundhöhle sofort weich und cremig auf die Zunge. Dann brennt er kurz etwas, aber nicht wild, und ist dann einfach lecker! ... aber auch schon ganz schön bitter! Das wäre wohl meine erste Kurzbeschreibung. Ich bin schon angetan, ihr merkt das sicher bereits. Monymusk kommt am Gaumen jetzt etwas mehr durch, leichte Buttersäure ist wahrzunehmen, aber auch hier ist das ganz weit weg von den Monymusk, die wir bisher so gesehen haben. Das ist alles viel näher an Long Pond dran. Hier fühle ich mich wiederum leicht an den TECA erinnert, allerdings in erheblich moderaterer Form. Wenn ich hier von einer Erinnerung spreche, dann ziele ich da keinesfalls auf eine direkte Vergleichbarkeit. Holz spielt auch am Gaumen eine große Rolle, der Rum hat klare Bitterkeit an Bord, und man merkt ihm seine enorme Reife deutlich an. Niemals würde ich blind wohl auf einen neun Jahre alten Rum tippen. Auch die Farbe demonstriert ja etwas ganz anderes. Wahnsinn! Einzig: der Rum ist wirklich sehr trocken, sehr auf der würzig-bitteren Seite, ganz viel Anis ist auch dabei, so dass für tropische Früchte fast keinerlei Raum bleibt. Da fehlt ihm so ein wenig die letzte Dimension, die ihn für mich dann nahe in die Richtung von Perfektion rücken würde. 

Abgang: viel Holz, dadurch bitter, aber noch nicht unangenehm, und Anis-Anklänge fahren mit. Das macht Spaß. Der Nachklang hält mittellang an. 

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Fazit: Velier vermag uns auch im Jahr 2019 weiter zu entertainen und zu überraschen und bringt mit Rums wie diesem etwas bisher so nicht da gewesenes. Vielen Dank dafür! Ich für mich ganz persönlich sehe hier großes Potenzial, die Popularität Monymusks deutlich zu erhöhen, denn der Rum ist für mich ein echtes Brett und das zu einem, für heutige Verhältnisse, durchaus auch sehr fairen Preis. Denn zum einen sind gute Rums unter und um 100,- Euro herum leider selten geworden, zum anderen aber wirkt der Rum über weite Strecken deutlich älter. Und: er steht einem Long Pond z.B. wirklich in kaum etwas mehr nach, meiner Meinung nach! Ein Bottling, das deshalb tatsächlich wie Wasser auf die Mühlen aller Verfechter von Tropical Aging wirkt, das kann man nicht anders sagen. Und ich kann selbst auch nur hoffen, dass in Zukunft noch weitere solcher Rums uns Connaisseure erreichen, denn es zeigt sich hier deutlich, dass Monymusk sehr viel mehr kann, als das was wir bislang zu sehen bekamen. Allen, die Monymusk auf Grundlage genau dieser bisherigen Erfahrungen vielleicht schon abgehakt haben empfehle ich darum mit Nachdruck, bei dieser Abfüllung doch nochmal genauer hinzuschauen. Es lohnt sich wirklich, der kann ganz viel! Ich kaufe inzwischen wirklich selten von einer Abfüllung noch ganze Flaschen, setze fast ausschließlich auf Samples, aber von diesem habe ich mir ein Groß-Sample gegönnt!

-90/100-


Bis demnächst,
Flo