Sonntag, 31. Juli 2022

Grape of the Art Armagnac 32 YO Domaine Séailles 1988

Liebe Rum Gemeinde,

nach über einem Jahr Abstinenz möchte ich mich heute nicht mit einem Rum, sondern mit einem Armagnac zurückmelden, den ich vorab verkosten durfte, nämlich dem aktuellen Bottling von Grape of the Art, dem Domaine Séailles aus meinem Geburtsjahr 1988!



Armagnac, wird sich jetzt möglicherweise der eine oder andere fragen, seit wann trinkt der Flo Armagnac? Zugegeben, meinen ersten Armagnac hatte ich gerade einmal vor ein paar Monaten im Glas. Und auch wenn ich im Bereich Armagnac, Cognac und Weinbrand im Grundsätzlichen noch ein Greenhorn bin, so haben mich die ersten Bottlings von Grape of the Art vor einigen Monaten, und hier insbesondere der Domaine Séailles 2000, sowie ein High End Tasting von Sascha Junkert (armagnac.de) dann doch ziemlich schnell auf den Geschmack gebracht. Den Großteil der Grape of the Art Truppe kenne ich darüber hinaus teils seit vielen Jahren persönlich (wenn auch aus dem Rum Bereich) und so war mir doch irgendwo klar, dass es sich definitiv lohnen würde dort einmal einen Blick hin zu riskieren, denn die Jungs vereinen jede Menge Fachkompetenz auf sich, auf die man sich im Zweifel auch verlassen kann, ohne vorher selbst probiert zu haben. Auch vielen Lesern dürften einige der Gesichter von Grape of the Art aus der Rum Community bekannt vorkommen, und da bin ich dann auch direkt beim nächsten Punkt. 

Denn, und das muss ich an dieser Stelle dann glaube ich auch direkt schon betonen, ich sehe mich selbst nach wie vor in erster Linie als Connaisseur von Rum und begegne auch dem Armagnac dementsprechend. Das bedeutet, dass ich vor allem auf den Stoff schaue, der in seinem Profil denen der Rums die ich gerne mag nicht unähnlich sind. Natürlich, es sind zwei unterschiedliche Spirituosen, aber mir fiel doch direkt auf, dass je näher ein Armagnac in seinen Assoziationen dem Rum ist, desto mehr die Chancen steigen, dass er meinen Geschmack trifft und der Umkehrschluss gilt ebenso. Ist Armagnac dann also nur Rum auf Wish bestellt?😈 Nein, auf keinen Fall! Denn wie gesagt, auch wenn ich persönlich in sehr ausgewählten Armagnacs eher ein Substitut für den doch über alle Maßen teuer gewordenen Rum suche, so darf nicht vergessen werden, dass es sich dabei um eine vollkommen eigene Spirituose handelt, die, gemessen an dem was sie zu bieten hat, vollkommen zu unrecht so lange unter dem Radar lief und gemessen an Rum oder gar Whisk(e)y ja auch noch immer läuft. Daher bin in Bezug auf Armacnac in seiner ganzen Vielfalt wohl eher ich einfach nur ein Banause, aber dafür kann ja der gute Stoff ja nichts. Es ist für den Leser nur entscheidend hinsichtlich der Bewertungen und Interpretationen meiner Reviews. Ich jedenfalls kann, ganz unabhängig von meiner eigenen persönlichen Präferenz nur jedem der das bisher noch nicht getan hat empfehlen, sich hier ein wenig ins Thema einzutrinken und zu schauen, wo für ihn ganz persönlich die Reise hingeht. Und wer weiß, vielleicht ändert sich mein Armagnac Geschmack ja auch noch. Im Rum Bereich hat es bei vielen Stilen auch erst ein paar Anläufe gebracht.  

Nun seid ihr es von mir gewohnt, noch einiges an Theorie zum flüssigen Stoff an die Hand zu bekommen und so könnte ich euch jetzt über Armagnac im Allgemeinen und die Domaine Séailles im Speziellen natürlich ein wenig Wissen aus dem Netz zusammentragen, aber das Thema Armagnac ist, wie Rum auch, einfach ein wahnsinnig komplexes und es bedarf eingehender Beschäftigung damit, um es wirklich zu durchdringen. Welche Anbaugebiete gibt es da, aus welchen Trauben wird der Armagnac gebrannt (in diesem Fall Ugni Blanc), wie wird der Stoff gelagert, welche Regeln gibt es (sehr viele und sehr strenge!)? Ich bin da selbst auch erst ganz am Anfang und mag dementsprechend nicht so recht zu einem Thema dozieren, dass ich selbst noch nicht zumindest in wesentlichen Teilen voll erfasst habe. Daher empfehle ich euch für den theoretischen Teil letzten Endes eher, einfach bei Sascha auf der Seite zu stöbern, wenn ihr das nicht eh längst schon hinlänglich getan habt. Dort erfahrt ihr wesentlich mehr als ich euch erzählen könnte und ihr erfahrt es vor allem aus wesentlich kompetenterer Hand. Ich dagegen werde mich nun ganz der sensorischen Erfassung des Grape of the Art Domaine Séailles 1988 widmen, wie gesagt, aus der Sicht eines Rumtrinkers.

Aus Gründen der Transparenz sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass ich ein Sample zur Verkostung dieses Armagnacs gratis erhielt. Auf meinen Geschmack und die Bewertung hat dies selbstverständlich aber keinen Einfluss. Wie bei allen meinen bisherigen Reviews, ist auch bei diesem kein Geld geflossen. 

Crosstasting Domaine Séailles 1988 vs. 2000


Verkostung des Grape of the Art Armagnac 32 YO Domaine Séailles 1988:


Preis: der Ausgabepreis für eine Flasche a 0,7 Liter beträgt 130,- Euro. Release-Date war Freitag, der 29.07.2022.

Alter: der Armagnac reifte offiziell von April 1989 bis November 2021 im Fass und ist damit 32 Jahre alt. Diese Angabe mag für einen Rum oder Whiskytrinker merkwürdig klingen, angesichts dessen, dass das Destillationsjahr von 1988 datiert. Tatsächlich lag der Armagnac auch seit seiner Destillation 1988 bereits im Fass und begann zu reifen, doch die offizielle Zählung, so erklärte mir Rob Bauer von Grape of the Art, beginnt für alle Armagnac erst am 1. April nach dem Erntejahr, da bis zum 31. März jeweils noch destillliert werden darf. Offiziell reifte der Domaine Séailles 1988 also erst ab 1. April 1989. Ich sagte ja oben bereits: strenge Regeln ;-)

Lagerung: die Reifung erfolgte im Gebiet Armagnac Ténarèze in Süd-West-Frankreich. 

Fassnummer: Fass #76 ergab 205 Flaschen a 0,7 Liter.  

Angel's Share: keine Angabe. 
 
Alkoholstärke: der Armagnac kommt mit smoothen 50% vol. daher, was aber -trotz des glatten Werts- der Fassstärke entspricht!

Destillationsverfahren: der Armagnac wurde von Roger Laberenne in einem sog. Alambic Armagnacais destilliert, einer Column Still.  

Mark: /

Farbe: tiefes Mahagoni.

Viskosität: der Armagnac bildet fette, eng und parallel verlaufende Schlieren, die am Glas zu kleben scheinen. 

Nase:
 während mich der Séailles 2000 in der Nase noch total an einen tropisch gereiften Demerara Rum aus Diamond erinnert hat und das im direkten Vergleich auch jetzt wieder tut, geht die Assoziation beim 1988er Séailles doch sehr viel mehr in die Richtung Jamaica und Monymusk EMB Mark oder auch zum RA Trinidad Rum T.D.L. 2001. Da sind klare, intensive Klebstoffnoten und viel Holz in Form von krassen Tanninen, allerdings keinesfalls zu viel. Gefällt mir vom Start weg sehr, sehr gut! Der Armagnac kommt in der Nase sehr stark daher mit einem ausgesprochen gut eingebundenen Alkoholgehalt, wobei dieser ja auch nicht so wahnsinnig hoch ist. Ich habe darüber hinaus etwas Röstaromen, Tabak, Kakao, Leder, Minze, Anis, Trockenfrüchte, Zitrusnoten, sowie tropische Früchte. Und ja, das klingt mal original wie die Beschreibung eines Rums, wie ich ihn oben erwähnt hatte, aber ich würde hier blind auch fraglos auf einen solchen tippen, und wenn nicht auf einen EMB oder TDL, dann aber auf jeden Fall auf einen anderen Rum. Dass es sich hier um einen Armagnac handelt, würde ich niemals vermuten! Wenn man es weiß, dann findet man nach einiger Zeit des Atmens auch die Trauben, die kommen stärker durch, je länger er atmet, aber in einem Rum-Blindtasting würde ich auf keinen Fall stutzig werden. Faszinierend, wie eng solch komplett unterschiedliche Spirituosen in ihren Assoziationen dann doch beisammen liegen können! 

Gaumen: am Gaumen bemerke ich zunächst einmal zwei Dinge direkt: erstens die 50% vol. sind sehr gut eingebunden und kommen auch nicht zu wässrig daher (eher samtig, cremig und nur leicht adstringierend), und zweitens die Trauben! Im Gegensatz zur Nase verrät der Gaumen mir doch sehr direkt, dass es sich bei diesem Destillat nicht um einen Rum zu handeln scheint. Dieses Phänomen habe ich aber bereits bei einigen Weinbränden bemerkt, dass die Nasen denen von Rums wirklich zum Verwechseln ähneln, diese Parallelen aber am Gaumen etwas zurückgehen und der Weinbrand heraus tritt. Nichts desto weniger bleiben hier aber auch die Assoziationen zum Rum bestehen und zwar vor allem wieder zu EMB und T.D.L. 2001. Die Minze gepaart mit intensiven Tanninen aber auch trockenem Holz ist wahnsinnig präsent und starke Zitrusnoten sind vorhanden. Der Armagnac kommt schwer und mit einer wirklich beeindruckenden Intensität daher, die ich ansonsten tatsächlich nur vom Rum her kenne. Ich nehme, über die Trauben hinaus, auch tropische Früchte wahr, dazu etwas leicht nussiges und peripher ein Regal voller Gewürze und etwas leicht strohiges-vegetales. Sehr stark! 

Abgang: ein wunderbar langer Abgang! Schwere Tannine verweilen für eine ganze Zeit am Gaumen und Espresso gesellt sich dazu, was mich an alte Skeldons aus den 1970s denken lässt. Das ist wirklich geil! 

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Fazit:
 ein ganz starkes Brett! Der Armagnac kommt wahnsinnig intensiv, gleichzeitig aber auch super smooth daher. Er lässt sich entspannt in der Sonne sippen ohne mich auch nur die Spur zu langweilen. Er beschäftigt mich, ohne mich auch nur im Ansatz zu überfordern. Das mag ich sehr gerne! Einzig, ein paar mehr Prozente hätten ihm möglicherweise noch gut zu Gesicht gestanden, etwa im Bereich des Domaine Séailles 2000, aber ansonsten bleiben da bei mir wirklich keine Wünsche offen. Wie gesagt, ich habe im Bereich Armagnac quasi keine Referenzen vorzuweisen und sehe das ganze komplett durch die Brille eines Rum Lovers, aber was ich sehe gefällt mir hervorragend! Eine Mischung aus tropisch gereiftem EMB Monymusk, T.D.L. 2001 und einem Hauch Old School Skeldon zum Ende hin. Einmal mehr geflasht bin ich auch davon, wie trotz einer in wirklich jedem Punkt unterschiedlichen Herstellung (Melasse vs. Traube, Pot vs. Column Still, tropische vs. kontinentale Reifung,...) zwei Destillate entstehen können, die einander so sehr ähneln. Das ist äußerst faszinierend! Faszinierend ist darüber hinaus auch das Preisniveau im Bereich Armagnac. Gerade einmal 130,- Euro werden für eine Flasche Domaine Séailles 1988 a 0,7 Liter aufgerufen! Es ist Jahre her, dass man einen Rum in dieser Qualität und mit diesen Randdaten zu einem solchen Kurs bekommen hat! Schön, dass das beim Armagnac zur Zeit noch klappt. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass diese goldenen Zeiten angesichts der vollkommen eskalierten Preise im Rum- und Whisky Bereich auch nicht ewig anhalten. Denn es schauen sich aus diesen Communities längst schon nicht mehr nur einzelne auch im Weinbrand um, um auch mal wieder Flaschen aufzumachen ohne gleich automatisch hohe drei- oder gar vierstellige Beträge damit abzuschreiben. Aber wenn man sich Qualitäten wie diese ansieht, dann kann ich nur sagen: absolut nachvollziehbar und zurecht! Zumal man hier als Rum Lover, insbesondere bei den Grape of the Art Bottlings, quasi bedenkenlos zuschlagen kann. Man merkt einfach, dass die Jungs auch aus dem High End Rum Bereich kommen und ob bewusst oder unbewusst, spiegelt sich dieser Umstand meines Erachtens auch in deren bisherigen Bottlings wieder. Mir kann es nur Recht sein und ich werde die Releases der Jungs weiterhin auf meinem Radar haben!

-92/100-


Bis demnächst
Flo