Liebe Rum Gemeinde,
Ich habe lange überlegt wie ich einen Artikel über einen so besonderen Rum wie diesen hier einleite. Der letzte vergleichbar besondere Rum, zumindest für mich ganz persönlich, war der Hampden 1990 von The Rum Cask, auch wenn die Charakteristik der Besonderheit bei diesem Rum natürlich von vollkommen anderer Art und Weise war. Die Einleitung und der gesamte Artikel zu diesem Rum waren sehr lang, was auch daran lag, dass ich eigentlich erst mit diesem Rum wieder so richtig in die Welt des Rums zurückgekehrt bin und an dieser Abfüllung sehr viel eigene Geschichte und Werdegang hing. Wenn man aber genauer hinsieht und das ganze auch mit über einem Jahr Abstand betrachtet, dann sprach dieser Rum aber im Grunde eigentlich für sich selbst. Nicht, dass er die vielen wohligen Worte nicht verdient gehabt hätte, ganz im Gegenteil, aber gebraucht hätte er sie nicht. Dieser Rum war derart außergewöhnlich, dass er für sich selbst sprechen hätte können. Diese Chance möchte ich heute dem 1974er Caroni geben, denn ich denke, wer sich mal ein wenig mit Caroni beschäftigt hat, für den ist klar, was alleine seine Randdaten bedeuten und wie einmalig dieser Tropfen damit ist. Daher werde ich keinerlei weitere Zeit oder Worte vergeuden und übergebe ganz an den Rum.
Preis: den ursprünglichen Preis des Rums kenne ich nicht, dafür lag zu dieser Zeit mein Fokus zu wenig auf Caroni, aber er wird auf jeden Fall deutlich unter 200 Euro gelegen haben. Unvorstellbar, im Jahr 2018. Denn nun liegt dieser Rum jenseits der 2000,- Euro Marke!
Viskosität: gleichmäßige fette Schlieren bilden sich am Glasrand und kündigen einen satten, öligen Rum an.
Nase: Moooaaaaahhhh!!! Was für eine Nase! Ein Caroni, wie ich ihn zuvor schon gefühlt häufig und gleichzeitig aber noch nie im Glas hatte. Er ist klar Caroni-typisch, aber in einer Weise gereift, dass es erstmal einfach nur heftig ist. Ich bin zudem unsicher, ob ich das alles, was sich da gerade abspielt bei mir im Glas, überhaupt annähernd gerecht hier niederlegen und wiedergeben kann. Der Rum scheint tiefer zu sein als alle Meere, schwerer als ein Wal und voller als ein Glas, welches schon am Überlaufen ist. Ich mache mir jetzt erstmal gute Musik dazu an. Ich wage es kaum, jetzt über solch vergleichbar marginale Dinge wie die alkoholische Schärfe zu sprechen, aber es sei hiermit deren Abwesenheit festgestellt. Deshalb kann es nun auch weitergehen mit all den schönen Dingen, die sich hier stattdessen gerade ankündigen. Selbstverständlich sind alte Fahrradschläuche und Autorreifen, Teer und Öl ebenso dabei wie Petroleum, Holzlack und Phenole, aber das ist hier einfach noch viel mehr. Ich habe ganz viele Tannine vom Eichenfass, allerdings nicht unangenehm überlagernd, sondern perfekt eingebunden. Nüsse finde ich ebenso wie Marzipanbrote und karamellisierten Zucker und tropische Früchte. Und über dem ganzen schwebt omnipräsent eine leichte Rauchwolke von gegrilltem Bacon. Nicht aufdringlich, sondern als Garnitur und Abrundung dieses unfassbaren Bouquets. Und dann kommt eben auch immer wieder dieser typische Caroni-Schrottplatz wieder, der auch nach 34 Jahren im Fass noch aktiv ist wie eh und je. Totgereift? Come on! ;-) Das ist unzweifelhaft die mit Abstand beste Caroni-Nase, die mir bisher unterkam! Und liebe Leute, da ist auch in Wahrheit noch viel mehr, aber es ist einfach unmöglich all diese diffizilen Aromen so zu 100% einzufangen.
Gaumen: eine unerwartete und vor allem unerwartet intensive karamellige und natürliche Süße begrüßt mich zu Beginn, die dann aufgeht in Caroni Essenz. Essenz deshalb, weil es genau das ist was ich im Kopf habe, wenn ich an richtig guten Caroni denke. Das ist diese geniale Verbindung aus all dem Dreck, die wir von Caroni her kennen, die über die ganzen Jahre so einen abgefahrenen Kick der Süße erhalten hat. Der Rum wirkt am Gaumen jünger als in der Nase und vor allen Dingen auf eine fesselnde Art und Weise einfach. Während die Nase noch unglaublich schwer zu fassen und zu begreifen war, so glaubt man am Gaumen, das gesamte Potpourri mit einem Moment erfasst zu haben. Und was jetzt negativ anmuten mag ist in Wahrheit überaus positiv zu verstehen. Der Rum ist einfach lecker und super entspannt zu trinken. Er strengt mich kein bisschen an und man möchte im Grunde einfach nur sein Glas nachschenken. Aber dann fällt einem wieder ein, dass man ein Sample eines sündhaft teuren Rums vor sich stehen hat und keine Flasche und dass nachschenken leider nicht möglich ist. Und das ist dann wohl der Augenblick, in dem ich einfach nur Danke sagen möchte an jenen lieben Menschen, der mir dieses Sample hat zukommen lassen. Ich würde jetzt normalerweise sagen, dass ich mich revanchieren werde, selbstverständlich, nur fällt mir leider noch nicht so ganz ein wie ich das anstellen soll, angesichts dessen, was ich hier heute im Glas habe. Da etwas ebenbürtiges zu finden wird sehr, sehr schwer werden, but challange accepted! ;-) Der letzte Moment am Gaumen gebührt dann wieder den Phenolen, Teer und ein paar Fahrradschläuchen. Dann ist er die Kehle runter und erst einmal für unbestimmte Zeit nicht mehr zugänglich.
Fazit: auch das Fazit fällt heute knapp aus, denn der Rum hat ja deutlich für sich selbst gesprochen. Ohne also irgendwie darum herumzureden: dieser Caroni ist in meinen Augen, und auf der Basis meines bisherigen Kenntnisstandes, die absolute Benchmark! Ich hatte bei weitem noch nicht jeden Caroni im Glas, gerade die Caronis aus den 80s fehlen mir noch, aber inzwischen hatte ich doch zumindest die allermeisten derer schon vor mir, von denen mir Connaisseure, die noch deutlich mehr verkostet haben als ich sagen, dass sie die besten seien und man genau diese probiert haben müsse. Und von denen war keiner besser als dieser Caroni aus 1974! Weder das Kirsch Einzelfass noch ein anderer aus 1996 oder eine der Granaten aus 1992 oder 1994. Nichts. Keine Chance! Die sind zwar ebenfalls Weltklasse, aber an den 1974er kommen sie nicht heran! Somit stellt sich mir jetzt einzig und alleine noch die Frage, wie ich an eine Flasche dieses besonderen Tropfens kommen kann. Das wird schwierig... Schließen möchte ich dieses knappe Fazit mit einem abermaligen riesigen Dankeschön an den edlen Spender. Das kann ich nicht oft genug tun!
Bis demnächst,
Flo
heute habe ich einen wirklich sehr, sehr alten, sehr seltenen und damit auch besonderen Rum für euch im Glas, und zwar den 34 jährigen Velier Caroni aus 1974 mit 66,1% vol.! Kein anderer Velier Caroni ist älter und auch keiner ist vergleichbar lange im Fass gelagert worden! Wow!
Verkostung des Velier 34 YO Caroni 1974:
Flüssiges Gold... |
Alter: der Rum lag von 1974 bis ins Jahr 2008 im Fass und ist somit volle 34 Jahre alt.
Lagerung: alle Velier Caroni lagen die gesamte Dauer ihrer Reifung über in tropischem Klima.
Fassnummern: unbekannt. Es gab allerdings sieben Fässer, die 2000 abgefüllte Flaschen ergaben.
Fassnummern: unbekannt. Es gab allerdings sieben Fässer, die 2000 abgefüllte Flaschen ergaben.
Angel's Share: keine Angaben, er muss aber sehr, sehr hoch gewesen sein. Selbst nach 20 tropischen Reifejahren liegt er schon bei ca. 80-85%.
Alkoholstärke: der Rum wurde in Fassstärke abgefüllt und misst noch 66,1% vol. - nach 34 Jahren tropischer Reife!
Destillationsverfahren: unbekannt.
Mark: HTR
Farbe: tiefer, dunkler, ins braune gehender Bernstein.
Abgang: Was bleibt, ist dieser unglaublich intensive Caroni Geschmack aus den so bekannten Geschmackskomponenten! Der Rum bleibt lange und intensiv am Gaumen und trotz dessen, dass ich langsam Appetit bekomme möchte ich nichts essen, damit diese Eindrücke nicht verschwinden oder auch nur gestört werden.
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-98/100-
Bis demnächst,
Flo
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