Sonntag, 23. September 2018

Velier Antigua Distillery Limited 2012 - Blend vs. SC

Liebe Rum Gemeinde,

heute komme ich endlich dazu zwei Rums zu verkosten und miteinander zu vergleichen, auf die ich im Vorfeld, nachdem sie angekündigt waren, direkt gespannt war.




Was liegt heute an?

Die Reise geht in den ostkaribischen Inselstaat Antigua & Barbuda und hier genauer auf die Insel Antigua, auf der sich die Antigua Distillery Limited (ADL) befindet, aus welcher auch der in der Rumwelt sehr bekannte English Harbour Rum stammt.
Antigua & Barbuda gehört, wie z.B. auch Guadeloupe, zu den Inseln über dem Winde im nördlichen Teil der kleinen Antillen und ist mit einer Gesamtfläche von insgesamt 442,6 km² Landmasse vergleichbar klein wie Barbados, welches aber im südlichen Teil dieser Inselgruppe liegt. Die Hauptinsel, mit einer Fläche von 280 km², ist Antigua, auf der sich, im Norden der Insel, auch die Hauptstadt Saint John's befindet. Dort wiederum, in Saint John's, befindet sich die ADL, aus welcher der English Harbour Rum stammt. Dieser ist nach einem wohl besonders sturmsicheren Hafen im Süden der Insel benannt, in welchem der berühmte Lord Admiral Nelson Ende des 18. Jahrhunderts einen Flottenstützpunkt errichtete.
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Source:
http://www.antiguadistillery.com/antigua-distillery-limited.html
Die ADL wurde laut deren eigener Homepage im Jahr 1932 von acht einheimischen Geschäftsmännern gegründet, von denen fast alle bereits zuvor schon mit Rum zu tun hatten. Bereits ab 1929 begannen die Männer damit, Melasse im Bulk einzukaufen und zu destillieren. Im Jahr 1933 schließlich nahm die eigentliche Destillerie ihre Arbeit auf. Den Rum destillierte man dort in einer kupfernen 4-Säulen French Savalle Still. Die Melasse kam aus Antigua selbst. ADL verkaufte seinen Rum anfangs noch ungereift an lokale Rumhändler, die ihn, gelagert oder ungelagert, alle jeweils unter eigenen Labeln abgfüllten. Erst 1947 entstand mit dem Cavalier Muscovado Rum die erste Abfüllung unter eigenem Namen. Im Jahr 1991, also nach 58 Jahren in Betrieb, ersetzte man die 4-Säulen French Savalle Still durch eine kupferne 3-Säulen John Dore Still, die um zwei weitere Säulen auf fünf Säulen erweitert wurde. Laut eigenen Angaben von ADL handelt es sich bei dieser Still um die einzige reine Kupfer-Column Still in der gesamten Karibik. Im Jahr 1994 rief man die noch heute existierende und sehr bekannte English Harbour Reihe ins Leben, von der ich u.a. den 5 YO, den seit einigen Jahren nicht mehr hergestellten Extra Old und den 1981er schon probiert habe, wobei festzuhalten ist, dass mindestens der 1981er, vermutlich aber auch Teile des Extra Old, noch aus Rums der alten French Savalle Still besteht.
Diese English Harbour Rums trafen meinen Geschmack nur sehr begrenzt, da sie mir doch deutlich zu leicht und eher dem spanischen als dem englischen Stil zuzuordnen waren. Die beiden von Velier abgefüllten Rums um die es heute geht, versprechen dagegen etwas mehr Spannung. Denn die hier verwendeten Fässer sind ADL Rums mit einem Congeners-Gehalt von 218 gr/hlpa. Auf dem Label werden sie dementsprechend auch als Heavy Traditional Rums (HTR) bezeichnet. Inwieweit sich das bemerkbar macht und sie sich von den gewohnten English Harbour Rums abgrenzen, werden wir im folgenden Quervergleich feststellen. Luca Gargano entdeckte und erwarb die insgesamt 27 Fässer am 20. Juni 2017 bei einem Besuch bei ADL auf Antigua und zeigte sich von der Außergewöhnlichkeit dieser Rums, bedingt durch den erhöhten Gehalt an Congeners, wohl sehr beeindruckt. Zu Veliers 70. Geburtstag wurde ein Fass, welches man als das beste der 27 ausmachte, das Fass #2598, als Single Cask in Fassstärke mit 68,5% vol. abgefüllt. Die übrigen 26 Fässer wurden als Blend in Full Proof mit 66% vol. abgefüllt.

Doch genug der Theorie, nun zu den beiden Rums!


Flasche + Sample der 26 Fass starken regulären Version. 
Das Foto erhielt ich dankenswerter Weise von Niki mit freundlicher 
Genehmigung es zu nutzen. Vielen Dank dafür! 

ADL 2012 Blend - 66% vol.: 

Der 2012er ADL Blend reifte sechs Jahre von 2012 bis 2018 in 200 Liter Ex-Bourbon Fässern auf Antigua. Der Alkoholgehalt beträgt 66% vol., eine Verdünnung hat demnach nicht stattgefunden. Der Ausgabepreis des Rums beträgt ca. 50-60 Euro und er ist zum Zeitpunkt dieses Reviews auch noch verfügbar. Wieviele Flaschen die Abfüllung genau ergab weiß ich nicht, allerdings kamen laut Label ganze 27 Fässer zum Einsatz. Da aber auch der Gesamt-Stock des Antigua Stocks von Velier mit 27 Fässern angegeben wird und ein Fass als Single Cask abgefüllt wurde, handelt es sich demnach um wohl "nur" 26 Fässer. Das Sample bekam ich von einem Mitglieds des "Rum Clubs", bei welchem ich mich auch sehr herzlich bedanken möchte!

Der Rum gibt sich kräftig golden im Glas und ist klar dunkler, als man das bei einem nur sechs Jahre alten Rum erwarten würde, selbst nach tropisch gelagerten Maßstäben.
In der Nase bekomme ich zunächst einen Schrecken! Der ist doch noch sehr aggressiv und ich merke dem Rum sein junges Alter sofort an. Er benötigt schon eine gute Stunde des Atmens, bis er sich schließlich etwas zahmer gibt und ich sein ganzes Bouquet erfassen kann. Vor mir steht nun ganz deutlich ein Hybrid aus englischem und spanischem Stil. Ich würde den Rum pauschal erst einmal keinem der beiden Stile eindeutig zuordnen wollen. Da sind schon deutliche Anklänge von Estern und Klebstoff, die auch etwas ins dreckige ziehen und Erinnerungen an Caroni wecken, aber da sind auch klare Noten, die ich eher Rums des spanischen Stils zuschreiben würde, wie z.B. Tabak, sehr deutliche Vanille und dunkles Karamell. Dahinter dann habe ich auch etwas herbes, kräutriges sowie eine schöne, natürliche Süße, die mir hier gut gefällt und dem Rum eine interessante weitere Facette gibt. Am ehesten würde ich hier blind auf einen Barbadier oder einen leichten Caroni tippen. Das hat was!
Am Gaumen kommt der Rum nicht so brachial, wie ich das nach der anfänglichen Nase erwartet hätte. Im Gegenteil, man kann den doch recht entspannt trinken, wie ich finde. Allerdings fällt nicht nur die alkoholische Schärfe geringer aus als erwartet, sondern auch das Aromenspektrum. Ich habe viel trockenes und auch ein wenig frisch geschnittenes Holz, dazu etwas Tabak und trockene Würze, aber ansonsten irgendwie nicht viel. Keine Fruchtigkeit und auch die Ester nehme ich hier nicht mehr wirklich wahr. Das ist sicher nicht schlecht, aber auch nicht ganz das, was ich nach der wirklich ansprechenden Nase erwartet hatte.
Im Abgang dann etwas Vanille und Würze, aber auch das nicht lange. Unspektakulär.

-82/100-

ADL 2012 Single Cask - 68,5% vol.:

Auch das ADL 2012 Single Cask reifte insgesamt zu 100% in den Tropen, nämlich, wie auch der Blend, von 2012 bis 2018 in Antigua in 200 Liter Ex-Bourbon Fässern. Sein Alkoholgehalt beträgt 68,5% vol., was der Fassstärke entspricht. Im Gegensatz zum Blend ist der Rum als Single Cask natürlich längst ausverkauft und es werden auf dem Secondary Market zum Teil sogar weit über 150,- Euro für ihn aufgerufen. Abgefüllt wurde das Fass #2598 anlässlich des 70. Geburtstags von Velier im Vorjahr 2017, quasi als nachträgliches Geburtstagsgeschenk, allerdings ist mir die genaue Anzahl an Flaschen nicht bekannt. Mein Sample erhielt ich von einem ganz lieben Gast aus meinem nördlichen Nachbarland Dänemark! Mange tak!

Äußerlich habe ich keinerlei Unterschiede zu seinem auflagestärkeren Bruder, dem Blend aus 26 Fässern, feststellen können. Ein schönes, sattes Gold!
In der Nase werden die Unterschiede dann jedoch schon deutlicher. Wie der Blend, so braucht aber auch der Single Cask zunächst noch eine gute Stunde Zeit, bevor man sich wirklich mit ihm auseinandersetzen mag. Dann fällt auf, dass er weniger spanischen Einschlag aufweist als sein Pendant. Er wirkt doch schon sehr viel deutlicher wie ein Rum des englischen Stils und die spanischen Einflüsse muss man etwas länger suchen. Sie fallen am ehesten in der Querverkostung auf. Der Rum ist etwas würziger, wo der Bruder auch noch etwas mehr an Süße hat. Dafür steigt der herbale, kräutrige Anteil, der hier in die Richtung Menthol geht und der mich entfernt an die 2000er Caroni erinnert. Insgesamt erscheint die Nase hier etwas komplexer und im Vergleich kann man hier sehr schön erkennen, inwiefern sich ein Single Cask ganz grundsätzlich von einer Small Batch Abfüllung abhebt.
Die Single Cask Abfüllung ist am Gaumen deutlich schärfer als der Blend. Die Ester kommen etwas besser durch und er steht noch mehr auf der trockenen Seite als sein Bruder. Auch hier ganz viel trockenes Holz, Tabak und Gewürzregal und wiederum wenig Gegenspieler. Schade, leider beeindruckt mich das nicht gerade, auch im Vergleich zum Blend.
Im Abgang dann das wiederum gleiche Spiel. Etwas Holz, etwas Tabak, deutliche Vanille und das war es dann nach ein bis zwei Minuten.

-81/100-


Fazit: 

Keiner der beiden Rums hat mich komplett umgehauen, aber vor allem in der Nase haben sie durchaus einiges zu bieten. Das nimmt am Gaumen dann leider merklich ab, aber die Rums sind ja auch erst sechs Jahre alt. Ich bin also nicht im klassischen Sinne enttäuscht, jedoch habe ich doch vielleicht noch etwas mehr erwartet! Ich hatte, nach all dem Wind der um diese Fässer gemacht wurde, und mit dem Wissen, Rums mit erhöhtem Congeners-Gehalt vor mir zu haben, sehr wohl auf einen Rum spekuliert, der meine bisherigen Vorlieben auf Augenhöhe ergänzen könnte und dahin kommt er leider noch nicht ganz, vielleicht auch bedingt durch das sehr junge Alter. Letzten Endes sind die Rums, gemessen an der Standardrange von ADL, sprich, den English Harbour Rums, sicherlich sehr viel höher anzusiedeln als diese, ganz klar und eindeutig, und beide Abfüllungen waren es ohne jeden Zweifel wert mal probiert zu werden, aber Rums vom Kaliber Caroni, Hampden, Long Pond oder WIRD/Rockley greifen sie nicht an. Was absolut positiv heraus sticht ist der Preis, gerade der des Blends! Ca. 50,- Euro in Italien sind wirklich fair und da mir persönlich der Blend sogar noch einen Ticken besser gefällt als der Single Cask (für den Blend spricht letztlich vor allem die eindeutig bessere Einbindung des Alkohols), kann man den tatsächlich auch mal mitnehmen, wenn man dort eh gerade bestellt. Ich jedenfalls überlege mir das sehr ernsthaft!
Des Weiteren ist die grundsätzliche Arbeit Luca Garganos herauszuheben, der zwar, wie in diesem Fall, nicht jedes Mal direkt die eierlegende Wollmilchsau entdeckt, der sich jedoch nach den Erfolgen mit den Demeraras und den Caronis nicht etwa gemütlich zurücklehnt, sondern der weiterhin unermüdlich auf der Suche nach dem neuen und außergewöhnlichen ist und dieses der Rumwelt zugänglich macht. Dafür gebührt ihm höchster Respekt!

Und damit schließe ich für heute und sage bis demnächst!
Flo

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