Liebe Rum Gemeinde,
ich habe während der letzten Woche das Archiv von Barrel Aged Thoughts aufgeräumt und ausgemistet. Dabei bin ich unerwartet auch auf einige alte, unveröffentlichte Verkostungsnotizen aus 2012 zu einigen medium bodied Jamaica Rums getroffen. Sie sind nicht über die Maßen umfangreich, allerdings sind einige der damals verkosteten Rums heute sehr rar und oft nahezu unbekannt. Nicht selten jedoch schlummern solche Rums noch in den Kellern einiger Connaisseure und an genau die richtet sich das hier, denn wer möglicherweise schon immer mal wissen wollte, ob es sich lohnt eine dieser Flaschen zu öffnen, der findet hier und heute möglicherweise eine Entscheidungshilfe.
Die verkosteten Jamaicaner:
- Appleton Estate Jamaica Rum 21 YO (alte Version) - 43% vol.
- Alambic SC Jamaica Rum 15 YO Long Pond 1992 - 45% vol.
- Bristol Classic Rum Jamaica 20 YO Monymusk 1977 - 46% vol.
- Cadenhead's Green Label Jamaica Rum 25 YO Long Pond 1974 - 46% vol.
- Plantation SC Jamaica 25 YO Long Pond 1986 - 42% vol.
- Coruba Jamaica Rum 25 YO - 40% vol.
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Appleton Estate Jamaica Rum 21 YO - 43% vol.
Nase: Appleton-typisch, sehr reif, melassig, schwer und dunkel. Eine lange Reifezeit deutet sich direkt an.
Gaumen: sehr viel Gewürze und Trockenfrüchte, der Eindruck der Nase setzt sich fort, zweifellos wurde dieser Rum lange Zeit gelagert, das kann er nicht verbergen. Seine jamaicanische Herkunft leugnet der Appleton 21 nicht, trotz dessen, dass ihm jegliche Brachialgewalt abhanden gekommen ist. Er weiß zu gefallen, auch im Old Fashioned wäre er sicher eine gute Wahl.
Abgang: etwas bitter, leichte Mandelnote, trocken, wirklich langanhaltend.
Fazit: der Appleton 21 ist ein solider Rum, den ich allerdings damals wie heute als überpreist empfinde. Ja, 21 Jahre tropische Jahre haben ihren Preis, aber Verdünnung und Beliebigkeit des Rums sorgen einfach dafür, dass mir hier die Bereitschaft dafür fehlt ihn zu zahlen. Zumal sich für das Geld auch andere Optionen auftun. Eher würde noch ein bisschen was drauflegen und einen Vale Royal oder einen Cambridge, oder gar für weniger Geld einen 6 jährigen Velier Antigua 2012 z.B. kaufen. Was bleibt zu hoffen? Natürlich, dass von Appleton in naher Zukunft endlich einmal Small Batch Abfüllungen in Fassstärke kommen. Das fänd ich unglaublich reizvoll!
Alambic SC Jamaica Rum 15 YO Long Pond 1992 - 45% vol.
Bildquelle: cocktaildreams.de
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Nase: sehr Jamaica-untypisch, dabei aber vor allem ungewöhnlich karamellig. Trotz 45% vol. hat er eine leichte alkoholische Schärfe. Im Bouquet hat er etwas Ester in Form von Banane und... Karamell! Letzteres liegt wirklich über allem.
Gaumen: der Rum kommt hier leider etwas flacher als die Nase. Die Verdünnung merkt man dem Long Pond an, trotz dessen weist er alkoholische Schärfe auf. Das Karamell setzt sich fort. Würze und Süße gesellen sich dazu, auch alkoholische Noten und Anklänge von Früchten finden sich im Geschmack wieder. Nach einer Weile im Glas kommen auch ein paar Holztöne vom Fass durch.
Abgang: kurz und eher trocken, dabei etwas Eiche und Karamell. Nach einer Minute ist der Rum gänzlich verschwunden.
Fazit: Karamell-Bombe! Das ist Long Pond auf eine Weise, wie ich sie so gar nicht mag und brauche. Der Jahrgang 1992 ist leider sehr speziell und geht ganz weit von allem weg, was man von einem Long Pond traditionell erwartet. Schade! Auch der 18 YO, den ich ebenfalls mal im Glas hatte, ist nicht wirklich anders, genauso wie ein 1992er Bottling von MacY. Wer da noch was im Regal hat: lasst sie lieber zu!
Bristol Spirits Rum 20 YO Monymusk 1977 - 46% vol.
Bildquelle: cocktaildreams.de |
Nase: zu Beginn unglaublich verhalten, da kommt erstmal wenig durch im Bouquet. Auch alkoholische Schärfe ist kaum vorhanden. Ich habe etwas Holz, dunkle Früchte und Kakao. Dazu leichte Spuren von Nüssen und Heu. Monymusk ist zunächst dezent zu erahnen, wenn man den Stil kennt, kommt aber mit zunehmender Zeit im Glas klarer heraus.
Gaumen: hier kommt der Bristol angenehm weich, er ist kaum alkoholisch. Die Verdünnung ist zu merken, schadet dem Rum aber nicht übermäßig. Der Monymusk ist ölig, vielleicht leicht bitter mit dunkler Schokolade, gepaart mit überreifer Banane und Holz. Eine Geschmacksexplosion bleibt aus, was aber für Monymusk aus 1976/1977 nicht untypisch ist.
Abgang: leider eher kurz, trocken und unspektakulär verabschiedet sich der Rum vom Gaumen.
Fazit: ein handwerklich rundherum ausgezeichneter Rum, der eher mit leisen als mit lauten Tönen zu überzeugen weiß. Damals lag die Flasche bei etwas über 100,- Euro, soweit ich mich erinnere. Das war ein guter, wenn auch seinerzeit ein durchaus hoher Preis. Heute sieht das freilich anders aus. Wer noch eine Flasche, möglicherweise auch vom 21 YO, vom 23 YO oder vom 25 YO, bei sich zuhause stehen hat und Jamaica nicht immer mit der Brechstange braucht, der kann ihn durchaus auch mal aufmachen. Viel falsch machen kann man dann nicht.
Cadenhead's Green Label Jamaica Rum 25 YO Long Pond 1974 - 46% vol.
Nase: trotz der nur 46% vol. habe ich eine eher alkoholische Nase. Jamaica lässt sich erahnen, insgesamt wird aber zunächst viel vom Alkohol verdeckt. Dahinter finden sich Spuren von Toffee und Schokolade, die nach einiger Zeit im Glas deutlicher durchkommen. Dazu viel Holz!
Gaumen: überaus bitter und holzig! Der lag meines Erachtens definitiv zulange im Fass. Trotz der Verdünnung ist der Rum noch schwarz wie die Nacht. Entweder der Rum hatalso einen Teil seiner Reife noch in der Karibik erfahren und nicht im kühlen Schottland, oder aber das Fass war, wie auch alte Demerara damals, entsprechend präpariert.
Abgang: bitter und holzig. Der Rum ist länger präsent als ich ihn schmecken möchte.
Fazit: der ist meiner Meinung nach mal so gar nichts! Viel zu verholzt und eindimensional macht es einfach keinen Spaß den im Glas zu haben. Auch andere 1974er Jamaicaner aus Long Pond die ich im Glas hatte zeigten ein ähnliches Bild. Long Pond hat wesentlich schönere Vintage-Jahrgänge, wie 1977, 1982 oder 1986. Diese sind ihr Geld dann auch wert. Die 74er hingegen würde ich verschlossen lassen.
Plantation Old Reserve Jamaica 1986 Single Cask - 42% vol.
Nase: sehr volle Nase! Ich habe Esternoten, Banane, Mandel und eine erhebliche Süße, die mir nicht natürlich erscheint. Dazu eine für die Plantations sehr charakteristische Eigennote.
Gaumen: Schokolade, danach Mandel und Toffee, Banane, Ester. Sehr warm und rund. Dazu eine erhebliche Süße. Ich vermute eine Zugabe von Zucker. Long Pond ist zu erkennen. Einzig: er könnte noch eine Spur vollmundiger sein! Leider ist der Rum sehr verdünnt worden.
Abgang: langanhaltend, schokoladig und einfach lecker!
Fazit: unglaublich aber wahr, aber auch der Plantation 1986 konnte mich damals tatsächlich überzeugen und er reicht fast an seinen 1983er Bruder heran. Klar, er ist gesüßt und auch viel zu sehr verdünnt worden, aber als Easy Sipper nebenbei ist der durchaus zu gebrauchen. Der lag damals bei ca. 70,- Euro pro Flasche, dürfte heute aber deutlich darüber liegen. Und ganz ehrlich? Mehr als die damaligen 70,- Euro ist der Rum meines Erachtens nicht wert. Lasst den zu und versucht ihn bei Plantation Sammlern gegen einen ehrlichen Rum einzutauschen.
Coruba Jamaica Rum 25 YO - 40% vol.
Nase: ich habe eine eher leichte Nase, etwas Vanille, etwas Holz. Viel zu erkennen ist da aber nicht. Sehr flach.
Gaumen: wieder Vanille, erneut sehr flach und eher wässrig statt ölig, Holz kommt deutlich, aber nicht unangenehm durch, wie auch beim Appleton 21 verheimlicht auch dieser Rum sein hohes Alter nicht. Insgesamt fehlt mir hier aber Vielschichtigkeit, Komplexität und Jamaica-Flavour.
Abgang: unspektakulär, mittellang, bleibt nicht im Gedächtnis.
Fazit: ein Rum, den man meines Erachtens nicht braucht. Von Coruba überzeugten mich aber überhaupt nur die N.P.U.-Abfüllungen. Das sind solide Jamaicaner mit ordentlich Estern, aber die länger gelagerten Varianten sind für meinen Geschmack alle austauschbar und überpreist. Lasst da lieber die Finger davon!
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Gesamt-Fazit:
Der klare Sieger dieser Runde ist der Monymusk aus 1977 von Bristol. Er ist auch der einzige, den ich guten Gewissens und uneingeschränkt empfehlen kann. Der Plantation 1986 ist als Easy Sipper solide, aber nicht mehr wert als sein damaliger Ausgabepreis. Den Appleton 21 kann man dagegen trinken, ist aber für meinen Geschmack zu teuer.
Auf der Seite der Verlierer finden sich dagegen ganz klar die drei anderen Rums wieder: der Coruba 25 YO, der Alambic Classique 15 YO und der Cadenhead's Green Label 25 YO, die nicht nur ihr Geld meiner Ansicht nach überhaupt nicht wert waren und sind, sondern eben auch mit klaren Fehlnoten und Mängeln daher kommen! Habt ihr eine dieser Flaschen noch irgendwo herumstehen, dann lasst sie besser zu.
Ich hoffe, diese Kurz-Reviews konnten einen kleinen Überblick über die eher selten anzutreffenden, zumeist sehr lange gereiften, eher etwas softeren Jamaica Rums geben und helfen vielleicht dem einen oder anderen dabei sich zu entscheiden, ob er einen dieser Rum kaufen oder aufmachen möchte oder es vielleicht besser lässt.
Bis demnächst,
Flo
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