Sonntag, 7. Februar 2021

Nobilis Jamaica Rum 27 YO Hampden 1993

Liebe Rum Gemeinde,

nach all der Aufregung um den neuen König von Barbados, den 34 jährigen RA im Rockley-Style aus dem legendären Jahrgang 1986, der am Markt nur äußerst schwer zu finden war, geht es heute auch schon direkt zum nächsten Bottling bei welchem es kaum ein Drankommen gab. Denn von ihm wurden kaum mehr Flaschen abgefüllt als es beim Rockley der Fall war: die Rede ist vom Nobilis Jamaica Rum 27 YO Hampden 1993! 



Und wenn es darum geht euch die Umstände um diesen Rum näher zu bringen, dann komme ich nicht umhin festzustellen, dass es auch heute wieder historisch wird und ich ein wenig weiter ausholen muss. Denn dieser Hampden ist mit seinen 27 Jahren tatsächlich der allererste seines Batches überhaupt! Und ich sage deshalb seines Batches, weil nun einige berechtigt einwenden würden, dass es aus Hampden 1993 bisher ja nun schon die eine oder andere Abfüllung gegeben hat. Es waren nicht gerade viele, aber es gab sie und mit dem 21 Jahre alten Samaroli 1993 Full Proof zählt sogar der für einige beste Hampden aller Zeiten dazu. Doch all diese Rums gehörten zu einem anderen Hampden-Batch, einem Batch, dessen Estergehalt bei der Destillation dem des Marks <>H entsprochen hat. Das Batch um das es heute geht und dem der Nobilis entstammt, trägt das Mark C<>H und hat damit einen ungleich höheren Estergehalt! Wer mehr zu Hampden, den Marks und seinen Bedeutungen erfahren möchte, der kann dies in meiner Übersicht zu Hampden gern nachlesen. 

Doch wie um alles in der Welt kann es sein, dass auch heute noch und nach 27 Jahren plötzlich neue Batches auftauchen? Und ja, in der Tat, das kommt äußerst selten vor! Oft sehen wir Batches schon mit  unter zehn Jahren Reife das erste mal am Markt. Teilweise passiert es, dass wir einige Premieren mit 15 Jahren Reife erleben, aber das war dann bisher auch schon äußerst spät. Nun erleben wir das bei 27 Jahren. Das ist auch insofern kurios, als dass wir etwas ähnliches erst vor einigen Wochen hier hatten, nämlich als wir den 23 Jahre alten The Whisky Jury "Mden" 1997 auf dem Tisch hatten. Auch dieses Batch feierte mit diesem Bottling sein Debüt. Moment, werden mir einige nun abermals entgegnen, aber wer sagt denn, dass es sich nicht doch um nur ein einziges 1993er Batch handeln kann, vielleicht wurde sich beim Mark <>H für 1993 ja geirrt? Doch diesen Einwand werde ich mir für das Fazit aufheben. Spoiler: es sind defintiv zwei verschiedene Batches unterschiedlicher Marks ;-)  Indessen, das alles beantwortet bisher nicht die Eingangsfrage, wie so etwas noch passieren kann, wo man doch schon glaubte, alles gesehen zu haben. Eine eindeutige und definitive Antwort wird es darauf allerdings leider nicht geben. Alles was sicher gesagt werden kann ist, dass der Output der Main Rum Company zu 98% einem mal mehr und mal weniger nachvollziehbaren Schema folgt, auf dessen Grundlage Menschen, die das ganze schon seit langem verfolgen in der Regel sehr zuverlässige Aussagen über den Stoff treffen können, der in Flaschen abgefüllt so eintrifft am Markt  und wir uns hier aber im Bereich der 2% befinden. Das empfinde ich zwar einerseits, weil ich wahnsinnig wissbegierig bin, als frustrierend, aber andererseits, gerade weil ich in diesem nerdigen Bereich eigentlich schon alles gesehen habe was es bisher so gab, aber auch als ungemein spannend! Eine der Theorien wie es zu solchen Rums kommen kann zielt so ein wenig in die Richtung, der wir auch die inzwischen doch recht zahlreichen tropisch gereiften Abfüllungen von Main zu verdanken haben: Zukäufe von anderen Brokern. Wenn Main den Stoff bis vor kurzem gar nicht gehabt hätte, dann würde das erklären, warum es da bisher keinen Output, innerhalb kürzester Zeit aber bereits zwei neue Jahrgänge gab. Andere denkbare Möglichkeiten wären, dass die Fässer bewusst lange zurückgehalten oder aber in einer Ecke des gigantischen Lagers "vergessen" wurden. Doch wie man es dreht und wendet, man wird da wohl aktuell keine gesicherten Erkenntnisse bekommen, weswegen mir an dieser Stelle nichts bleibt, als mich einfach um den Stoff zu kümmern und diesen nun endlich zu probieren. Dies werde ich im Crosstasting mit dem bisherigen König aus 1993 tun, dem oben bereits erwähnten Samaroli, sowie meinem König des Marks C<>H und dem König von Hampden insgesamt, dem 26 jährigen The Rum Cask 1990 mit 61,9% vol.!

Aus Gründen der Transparenz sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass ich ein Sample zur Verkostung dieses Rums gratis erhielt. Auf meinen Geschmack und die Bewertung hat dies selbstverständlich aber keinen Einfluss. 

Hampden-Benchmarks unter sich: TRC 1990, Samaroli 1993 FP, Nobilis 1993


Verkostung des Nobilis Jamaica Rum 27 YO Hampden 1993:

Preis: der Ausgabepreis für eine Flasche a 0,7 Liter betrug 2395,- DKK im Shop von Nobilis, also umgerechnet ca. 320,- Euro. 

Alter: der Rum reifte von 1993 bis Ende 2020 im Fass und ist somit 27 Jahre alt. 

Lagerung: die Reifung erfolgte mutmaßlich komplett in Europa. 

Fassnummer: keine Angabe. Das Fass ergab jedoch einen Output von nur 168 Flaschen a 0,7 Liter. 

Angel's Share: keine Angabe. Sollte es sich dabei aber um ein Standard 190 Liter Fass gehandelt haben, läge der Angel's Share bei ca. 38%. 

Alkoholstärke: der Rum kommt noch mit starken 65,8% vol. daher, das entspricht hier der Fassstärke!

Destillationsverfahren: der Rum entstammt einer Double Retort Pot Still. Vermutlich handelte es sich dabei um die John Dore Still, die seit 1960 bei Hampden aktiv ist. Alle anderen heute noch verhandenen Stills sind aus mindestens 1994 oder sogar noch jünger. Nicht ausschließen kann ich allerdings, dass 1993 noch weitere Stills aktiv waren, von denen heute nichts mehr bekannt ist. Aus einer solchen kann der Rum theoretisch natürlich auch kommen. 

Mark: C<>H (Continental Diamond Hampden)

Farbe: kräftiges, goldenes Stroh. 

Viskosität: der Rum verläuft recht zügig und in gleichmäßigen, fetten Schlieren an der Glaswand herab. 

Nase:
 What?! The?! Fuuuuck?! Seit dem 26 Jahre alten TRC 1990 vor vier Jahren hat mich keine Hampden Nase mehr spontan so sehr abgeholt und begeistert wie das bei dieser hier gerade der Fall ist. Mein erster Eindruck? Der hat alles - und zwar jeweils auf dem Zenit! Da sind Ester, da sind Power, Intensität, Komplexität, Fruchtigkeit und Reife und das alles in einem komplett stimmigen Gesamtgebilde. Irre! Der Samaroli im Glas dagegen krepiert förmlich (wer Zweifel daran hatte, ob es aus 1993 wirklich zwei Marks gibt - die sind hiermit ausgeräumt!) und auch meine heilige Kuh, der 26 jährige The Rum Cask 1990 ist dem Nobilis in diesem Moment nicht gewachsen! Puh! Denn der TRC hat 2017 alles bisherige geschlagen und bis heute kam auch nichts anderes nach, was dem wirklich gefährlich hätte werden können. Heute allerdings sieht die Sache anders aus! Das Mark C<>H springt mich, wie immer, wenn ich es im Glas habe, gerade zu an. Dieses Mark hat etwas so spezielles, dass es wirklich eine wahre Freude ist! Nun hat dieser hier noch immer einen Alkoholgehalt von 65,8% vol., der damit so hoch ist wie bei noch keinem anderen C<>H im vergleichbaren Alter. Das ist sehr stark, aber das ganze ist hier auch überragend eingebunden, so dass es dem Rum, bzw. seiner sensorischen Erfassung nur zugute kommt. Das Bouquet gehört dann aber natürlich erstmal den Estern und den Assoziationen, die sie mit sich bringen. Der Säureanteil ist C<>H-typisch sehr hoch! Wer damit Schwierigkeiten hat, der steigt hier aus: - und tschüss! Geil, geil, geil!! Klebstoffe und Lösungsmittel prasseln nur so auf die Rezeptoren ein und fordern diese ungemein. Die Belohnung ist aber eines der krassesten olfaktorischen Erlebnisse, die ich bisher in meinem Leben hatte! Gegrillte Ananas spielen natürlich ebenso eine Rolle wie die restlichen für dieses Mark typischen Assoziationen (Marzipan, Vanille, Humus, Zitrusnoten, mediterrane Einflüsse...). Diese sind insofern nicht das besondere, das spektakuläre ist tatsächlich die Intensität, mit der das hier einschlägt! Davon abgesehen kommt der Rum aber durchaus komplexer daher, als das z.B. beim TRC 1990 der Fall ist. Der Fasseinfluss ist merklich vorhanden, allerdings überhaupt nicht in der Weise, als dass hier eine Dominanz in diese Richtung stattfände. Auch ist der Rum noch weit davon entfernt "rundgelutscht" zu sein. Nach langer Standzeit kommt dann auch noch etwas karamellisierter Zucker zum Vorschein. Was mich beeindruckt ist, dass die Nase die Intensität auch über Stunden gehalten bekommt. Das ist ganz, ganz große Qualität und ich hoffe gerade inständig, dass der Rum diese am Gaumen auch so halten kann.

Gaumen: argh, und da zerschlägt sich dann auch direkt meine Hoffnung, denn am Gaumen kann der Rum das Niveau aus der Nase meines Erachtens leider nicht ganz halten. Das ist zu meinem Bedauern dann doch der erste Eindruck, auch wenn das selbstverständlich (und ich hoffe, das ist jedem klar!) Jammern auf unfassbar hohem Niveau ist! Denn nein, der Nobilis ist auch am Gaumen natürlich nicht schlecht, im Gegenteil, er ist sehr, sehr gut, aber eben nicht ganz so gut wie ich es nach der Nase letztlich gehofft hatte. Schließlich hätte das bedeutet, und na klar hatte ich nach dem bisher gesehenen letztlich auf nicht weniger spekuliert und gehofft, dass ich hier am Ende des Tages wirklich eine neue, unumstrittene Number 1 im Bereich High Ester Hampden gefunden hätte und das wird wohl in der Form heute dann doch nicht passieren. Denn am Gaumen kann er den TRC nicht schlagen, der an der Stelle eben jene Perfectness hat, die ich beim Nobilis wiederum in der Nase gesehen habe. Doch schauen wir, wie knapp es zwischen den beiden am Ende tatsächlich wird! Indessen gehe ich selbstverständlich an dieser Stelle jetzt auch spezifischer auf den Nobilis ein. Dieser brennt im ersten Eindruck am Gaumen unerwartet heftig. Nicht wirklich unangenehm oder zu krass, nein, aber zumindest stärker, als ich erwartet hatte. Unter'm Strich würde ich das aber auch gerade noch so als well integrated durchgehen lassen. Dabei ist der Rum natürlich sehr adstringierend und mundfüllend, aber hier kommt dann auch schon einer der ersten größeren Unterschiede zum TRC zum tragen, denn da konnte letzterer eindeutig mehr! Nach einigen Momenten macht das ganze Ding dann aber merklich auf und gibt sehr schön Gas im Mund! Was mir aber einfach auffällt ist, dass dem ganzen im Vergleich zum TRC etwas die Komplexität abgeht, also gerade das was in der Nase noch so viel besser funktionierte als beim TRC und den Nobilis an der Stelle auszeichnete, und dieses so unendlich geile Mundgefühl vom TRC feht. Der Nobilis wird aber wie der TRC auch immer cremiger und ist schon richtig, richtig lecker! Meine Beschreibung des Gaumens muss sich für jemanden der nicht so sehr im Thema ist wie ein Verriss lesen, doch muss ich abermals darauf hinweisen, dass es hier gerade um einen Direktvergleich der zwei bisher größten Giganten dieser Destillerie geht! Was sich hier vielleicht auf den ersten Blick schlecht liest, funktioniert besser als bei nahezu jeder anderen Hampden Abfüllung! Die mediterranen Assoziationen dominieren mit dem Humus schon fast den Gaumen, noch vor der gegrillten Ananas. Dazu kommt einiges an frisch geschnittenem Geäst und Chorizo. Der Rum zeigt hier eine leichte Tendenz ins bittere, was durchaus ungewöhnlich ist für einen Hampden. Hier zeigt sich die fortgeschrittene Reife des Nobilis dann nämlich letztlich doch sehr deutlich. Man kann nur erahnen, welch ein Monster dieser Rum vielleicht vor einigen wenigen Jahren noch gewesen wäre. Die lange Zeit im Fass hat ihm schon einiges seiner Brachialität geraubt, während der TRC den fortgeschrittenen Grad seiner Reifung dann doch einen Tick besser zu kaschieren vermochte. 

Abgang: gegrillte Ananas, Humus, Macadamia und Toffee verweilen lange am Gaumen, dazu frisch geschnittenes Geäst, das in eine leichte Bitterkeit mündet. Der Abgang ist beinahe unendlich. Hier sind Hampden Rums einfach unerreicht. 

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Fazit:
 während ich letzte Woche beim Kampf der Rockley-Giganten noch einen neuen König präsentieren konnte und durfte, bleibt mir diese Freude heute leider verwehrt. Zwar mag ich den grundsätzlichen Gedanken, dass das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen TRC und mir von 2017 für mich auch immer noch das Maß aller Dinge ist, allerdings hätte ich mich nach den vielen Jahren seitdem auch sehr gefreut, wenn da endlich mal ein Hampden drüber gekommen wäre. Nach der Nase lag diese Sensation im wahrsten Sinne des Wortes fast greifbar in der Luft, aber am Gaumen ist der TRC eine unfassbare Macht! Schade! Nichts desto weniger ist der Nobilis ohne Zweifel der zweitbeste Hampden der mir bisher ins Glas gekommen ist und darf daher zur absoluten Spitze der Destillerie zählen. Was für ein Debüt dieses Batches und was für ein Coup durch Nobilis! Denn während ich zunächst nicht so wirklich an ein zweites Batch und das Mark C<>H für 1993 glauben wollte, so bestätigte sich dieses im Tasting ohne jeden Zweifel. Zwischen dem Samaroli und dem Nobilis liegen ganze Ester-Welten! Insofern handelte es sich weder um einen bisherigen Irrtum zum Mark <>H der bisherigen 1993er, noch handelt es sich um eine Fehlinfo in Bezug auf das Mark C<>H zum neuen 1993er, genauso wie sich das auch schon beim 1997er "Mden" bestätigt hat. Main weiß uns also ab und zu noch wirklich zu überraschen bis überrumpeln. Gleichzeitig hätte ich einen solchen Hammer allerdings auch von Nobilis nicht erwartet, denn deren Auftakt, den Guyana 1988, fand ich mal so überhaupt nicht gelungen - milde formuliert! Umso erstaunter war ich, dass der Hampden den enormen Vorschusslorbeeren (die es eben auch beim Guyana und dort absolut zu unrecht!) doch serh gerecht wurde. Ein Wort noch zum Samaroli: dieser ist ein wahnsinnig guter Hampden, der aber in einem Crosstasting mit zwei solchen C<>H-Hochkarätern seine Stärken, vor allem ist das seine Ausgewogenheit, nicht ausspielen kann. Ein direkter Vergleich ergibt daher wenig Sinn, weswegen ich ihn im weiteren Verlauf des Tastings mehr oder weniger aus dem ganzen herausgenommen habe. 

-95/100-


PS: Nutzer der Rum Tasting Notes App finden diese Abfüllung auch hier:

Nobilis Jamaica Rum 27 YO Hampden 1993


Bis demnächst
Flo

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