Sonntag, 3. März 2019

Sangster's, Coruba, Baker & Co.: historische Jamaicaner

Liebe Rum Gemeinde,

heute möchte ich euch vier alte Abfüllungen aus Jamaica vorstellen, die bis heute immer ein wenig im Schatten einiger anderer historischer Abfüllungen stehen. Wenn wir über dieses Thema reden, dann sind wir meist schnell bei alten Bottlings bekannter unabhängiger Abfüller, bei Navy Rums aus Bast-Flagons oder bei alten Rums von Appleton. Doch heute möchte ich den Fokus auf ein paar Rums legen, die dem interessierten Connaisseur zwar mit Sicherheit auch schon mal auf ebay oder anderen Plattformen begegnet sind, die aber im Allgemeinen nach meinem Dafürhalten doch eher etwas unbekannter sind und selten eine größere Aufmerksamkeit erfahren.




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Die heute verkosteten Jamaicaner:

- Sangster's Old Jamaica De Luxe Gold Rum -40% vol.
- Sangster's Old Jamaica De Luxe Gold Rum - 50% vol.
- A. A. Baker & Co. Battle Axe Jamaica Rum - 50% vol.
- Rum Coruba NPU (~frühe 1980er Jahre) - 74% vol.

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Sangster's Old Jamaica De Luxe Gold Rum - 40% vol.

Nase: zurückhaltende, wenig charakterstarke Nase. Die nur 40% vol. machen sich deutlich bemerkbar, denn da sticht erst einmal gar nichts. Jamaica kann ich in Anflügen erkennen, aber ob mir das blind auch noch gelänge? Da habe ich Zweifel. Im wirklich knapp bemessenen Bouquet habe ich am ehesten etwas von süßer, etwas künstlicher Orangenmarmelade, Banane und Ananas und etwas Holz, aber ansonsten kommt da leider nicht viel. Mal sehen, ob der Gaumen da mehr zum Vorschein bringt.

Gaumen: uuhh, leider kommt der Rum nicht nur sehr dünn daher, sondern auch sehr weiterhin künstlich. Der Geschmack von Orangen liegt über allem, fast ist es, als würde ich gerade eine süße Orangenmarmelade pur verspeisen. Das hat leider so gar nichts von Jamaica und erst recht nicht von Jamaica wie es mir gefällt. Schade!

Abgang: wie könnte es anders sein, wird der Abgang von künstlicher Orangenmarmelade bestimmt. Zum Glück nicht sonderlich lange... Trockener werdend.



Fazit: leider war dieser Rum für mich und in meinen Augen ein Reinfall. Während die Nase zunächst noch eine kleine Hoffnung auf mehr zuließ, hat es den Rum am Gaumen dann vollkommen zerlegt!  Dass das kein Spitzenrum ist war natürlich klar, aber einen solchen Total-Ausfall hatte ich ebenso wenig erwartet. Das ist also leider so gar nichts, was ich gerne nochmal trinken wollen würde. Ich bin nicht mal sicher, ob solch ein Rum in einem Drink einen Sinn ergäbe. Einzig positiv ist hervorzuheben, dass der Rum kein bisschen scharf ist.

-35/100-



Sangster's Old Jamaica De Luxe Gold Rum - 50% vol.

Nase: im Vergleich zur 40% vol.-Version habe ich hier eine klar kräftigere und intensivere Nase, wobei ich trotz der 10% vol. mehr kein unangenehmes Stechen oder ähnliches vom Alkohol ausmachen kann. Der höhere Alkoholgehalt wirkt sich also zunächst einmal ausschließlich positiv auf den Rum aus. Jamaica ist auch hier zu assoziieren, aber ebenso nicht in einer Weise stiltypisch, dass man das blind erkennen müsste. Das Bouquet mutet sehr viel natürlicher, reichhaltiger, intensiver an. Die Bananen kommen nun schon sehr reif daher und ich habe Pfirsische sehr präsent. Der Einfluss des Fasses scheint etwas stärker gewesen zu sein. Ich glaube jedenfalls nicht, dass die wesentlich dunklere Farbe ausschließlich der geringeren Verdünnung geschuldet ist. Da passiert im Glas nämlich auch eindeutig mehr. Das ist zwar auch alles nicht unbedingt komplex, aber durchaus ansprechend.

Gaumen: nach dem Reinfall mit der 40%-Version war ich nun natürlich sehr gespannt, denn die Nase war bei diesem hier mit 50% immerhin deutlich anders und besser gewesen. Positiv fällt auch bei diesem Rum zunächst die Einbindung des Alkoholgehalts auf, denn der Rum ist auch am Gaumen kein bisschen scharf. Dahinter dann zeigt sich die 50% Version ebenfalls deutlich verbessert im Vergleich zum kleinen Bruder, wenn gleich auch er meinen Geschmack nicht wirklich trifft. Im Vordergrund habe ich Karamellpudding und auch der etwas künstlich, und nach hinten heraus kommt mir dann tatsächlich wieder die Orangenmarmelade entgegen. Ja, gibt's das denn?!

Abgang: Im Abgang habe ich eine Kombination aus Karamellpudding und Orangenmarmelade. Der Rum wirkt etwas künstlich.



Fazit: die Verwandtschaft der beiden Sangster's wird am Gaumen sehr offensichtlich und beide treffen sie meinen Geschmack nicht. Die Version mit 50% zeigt sich klar verbessert zur 40% Version, das muss man fairerweise bemerken, aber eben auch nur bedingt. Ich würde den Rum auf gar keinen Fall kaufen und auch hier stellt sich für mich wieder die Frage nach der Mixability, die ich ihm eher absprechen würde. Warum für diese Abfüllung bei Ebay zum Teil dann noch horrende Summen im Raum stehen entzieht sich, zumindest geschmacklich, meinem Verständnis. Vielleicht wird sowas heutzutage tatsächlich zu selten aufgemacht, um dass ein breiteres Wissen über die geringe Qualität vorliegen könnte.

-47/100-



A. A. Baker & Co. Battle Axe Jamaica Rum - 50% vol.

Nase: So Freunde, und nun sind wir definitiv auf Jamaica gelandet! No Doubt! Kein Zweifel kann darüber bestehen, was sich vor mir in meinem Glas befindet, dieser Rum würde jedem Blind-Test standhalten! Der Rum erinnert mich stark auch an heutige Jamaica Rums aus Long Pond, Hampden oder auch Monymusk, so dass ich spontan also gar nicht mal unbedingt benennen kann, aus welcher der Brennereien dieser Rum wohl stammen könnte. Die Grund-Charakteristik sehe ich bei Monymusk, allerdings hat er für einen solchen (zumindest die, die wir heute kennen) einen zu hohen Estergehalt. Ich wäre daher wohl bei Long Pond, denn an den LPS 1st Release erinnert mich dieser Rum nämlich in deutlicher Weise. Der Alkoholgehalt macht sich wenig bemerkbar, ein unangenehmes Stechen habe ich nicht. Stattdessen kommt da einfach ganz viel Jamaica Rum Flavour rüber, etwa von Bananen, gegrillter Ananas, Zitrusfrüchten oder nussig-grasigem Anteil. Gefällt mir bis hier hin klar am besten!

Gaumen: am Gaumen fällt mir zunächst auf, dass der Rum wohl auf jeden Fall auch noch gut verdünnt wurde. Ich habe Hochester-Töne in Bestform! Hui, hier geht die Post ab! Müsste ich auf eine Destillerie tippen, so wären es nun am ehesten Hampden oder Long Pond. Schwierig, möglicherweise handelt es sich ja auch um einen Blend verschiedener Destillerien. Banane und Ananas sind sehr präsent, ebenso Humus und Zitruseinflüsse. Der Estergehalt liegt in meinen Augen definitiv über 500 gr/hlpa. Toller, mundfüllender, leicht adstringierender Rum mit perfekter Ballance. Richtig, richtig lecker!

Abgang: Fruchtige Töne gehen in Anis über. Das ist Jamaica, wie ich es mag!



Fazit: kein absoluter Spitzen-Jamaicaner aber ein hervorragendes Exemplar seiner Gattung. Einzig die Verdünnung stört hier leicht. Ich vermute, dass der Rum nicht besonders lange im Fass lag, dafür spricht auch die sehr helle Farbe. Und dafür ist das aber schon ganz großes Kino. Dieser Rum mit 15 bis 20 Jahren Reifung wäre wohl sehr, sehr geil gekommen!
Wenn man nun noch bedenkt, dass das vermutlich einst eine Standardabfüllung für (auf heutige Preise umgerechnete) 10,- bis 15,- Euro war, so kann ich eigentlich nur den Hut ziehen! Das ist heute leider nicht mehr denkbar.

-87/100-



Rum Coruba NPU (~frühe 1980er Jahre) - 74% vol.

Nase: überraschender Weise muss ich zunächst einmal konstatieren, dass dieser Rum in der Nase nicht stechend daher kommt, trotz des wirklich enormen Alkoholgehalts. Jamaica steigt mir sofort in die Nase, wenn auch nicht ganz so charakteristisch in den Hochester-Tönen wie beim Baker zuvor. Erst im zweiten Moment verrät sich der hohe Alkoholgehalt, da die Nase sehr komprimiert erscheint und durch den Alkohol gedämmt wird. Dadurch liegt über dem ganzen Rum eine deutliche Klebstoff-Note, gegen die es die fruchtigen Anteile sehr schwer haben. Der Rum erscheint darüber hinaus auch leicht gelagert. Zumindest habe ich einen Holzeinfluss ausmachen können.

Gaumen: erstmals heute macht sich der Alkoholgehalt nach oben hin klar bemerkbar. Ein Rum, der deutlich von innen heraus wärmt. Zunächst zieht es mir dabei auch die ganze Mundhöhle zusammen. Es braucht einige Momente, bis dieser Rum gezügelt ist. Auffällig dabei: trotz dessen, dass der Alkohol natürlich mächtig ist, ist das kein fieses Brennen. Hohe Qualität ist also angesagt! Ich habe Ananas, Humus und grasige Töne am Gaumen. Ein Einfluss vom Fass scheint gegeben, dafür spricht auch die goldene Farbe des Rums, aber ich glaube nicht, dass der Rum sonderlich lange reifen durfte. Dafür kommt er zu ungehobelt daher und der Einfluss vom Fass am Gaumen ist zwar präsent, aber auch nicht übermäßig präsent. Schafft man es den Rum im Mund zu behalten bis der Alkohol abgeklungen ist, wird er richtig cremig.

Abgang: Creme Brulee und etwas verkohltes Holz (Lagerfeuer-Assoziationen) leiten den Abgang ein. Der Rum ist dann allerdings auch recht fix weg. 



Fazit: wahrlich kein schlechter Rum! Und auch hier gilt wieder, wie beim Baker: dafür, dass das einst eine Standardabfüllung war, ist das schon sehr bemerkenswert. Ich kenne ja nun auch den Coruba NPU Overproof der Gegenwart und der ist schon deutlich schärfer als der heute verkostete aus den frühen 1980er Jahren. Pur trinken würde ich ihn dennoch nicht, da er auf Grund seines krassen Alkoholgehalts einfach zu fordernd ist, ohne gleichzeitig echte Spannung im Glas zu bieten, aber zum Vermixen bietet er sich geradezu an.

-78/100-


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Gesamt-Fazit:

Vier mal alter Jamaica Rum und viermal ganz unterschiedliche Qualität! Ich denke, damit spiegelt dieses kleine Tasting auch die Realität da draußen ganz passend wieder, wenn es um die Frage geht was einen erwartet für den Fall, dass man Flaschen alten Jamaica Rums ersteigert. Von gruselig bis unerwartet hohe Qualität ist da alles dabei. Aus diesem Grund bin ich da bei Flaschenteilungen, sofern der Kaufpreis sich einigermaßen im Rahmen hält, oft gern dabei, würde vom Kauf ganzer Flaschen inzwischen aber eher Abstand nehmen.
Der A. A. Baker & Co. Battle Axe Rum ist mein klarer Favorit heute und wohl auch der einzige, bei dem ich einen Kauf der Flasche nicht bereut hätte. Solche Treffer unterliegen aber wie gesagt dem Zufall und da braucht es deshalb schon ein Stück weit ein Faible für diese Sparte Rum, um diese Risiken auch einzugehen. Umso mehr freut es mich, dass ein befreundeter Connaisseur aus Berlin genau ein solches Faible hat und die Rum Gemeinde an diesen Erfahrungen auch immer wieder lebhaft und lehrreich teilhaben lässt. Vielen Dank dafür! 😊


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Bis demnächst,
Flo

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