Liebe Rum Gemeinde,
ich wünsche euch ein frohes Fest und möchte euch zu diesem Anlass gerne mitnehmen auf eine kleine Zeitreise! Denn dieser Tage neigt sich nicht nur einmal mehr ein Jahr dem Ende entgegen, sondern ein ganzes Jahrzehnt. Der Übergang von den 2010er Jahren in die 2020er Jahre wird kalendarisch vollzogen und ich möchte diesen Anlass dazu nutzen, einmal auf die Rum-Szene innerhalb der letzten zehn Jahre und damit der ausgehenden Dekade zurückzublicken. Denn zu behaupten, dass sich hier viel getan hätte, wäre noch eine massive Untertreibung!
Die Rum-Szene wächst!
Zunächst muss ich an dieser Stelle sagen, dass ich das ausgesprochen große Glück hatte, diese Zeit nahezu vollständig aktiv miterlebt haben zu dürfen, da ich bereits entsprechend früh den Einstieg ins Thema gefunden habe. Und tatsächlich sind wir genau damit dann auch schon beim ersten Aspekt, auf den ich unbedingt eingehen muss, denn schon diese Tatsache macht mich innerhalb der Rum Szene, zumindest im Kreise der Connaisseure, zu einem echten Exoten. Warum? Ganz einfach, weil die aller, aller wenigsten, die sich heute mit Single Cask- und Cask Strength Rum auseinandersetzen und sich zu eben jenem Kreise von Connaisseuren zählen, von sich behaupten können zu Beginn des Jahrzehnts schon dabei gewesen zu sein. Ich erinnere mich, dass, als ich 2011 so richtig auf den Geschmack gekommen bin, es hier in Deutschland gerade mal eine kleine Hand voll Menschen gab, die öffentlich Gefallen an den richtig guten Tropfen, abseits der oft flachen, verwechselbaren und gesüßten (ja, kommen wir auch noch zu) Rums fanden. Die allermeisten derer entsprangen der Cocktailszene und so blieb unsere Gruppe damals erst einmal eine ziemliche Randerscheinung, die sich in einem Chatroom eines schon damals vollkommen aus der Zeit gefallenen und nicht mehr gepflegten Cocktail-Forums regelmäßig traf und zusammen Rums verkostete oder über eben jenen Rum philosophierten, den wir noch heute so sehr lieben. Wenn man nach den damals in unserer kleinen Clique gefragten Rums googlete, wie beispielsweise den Cadenheads Cask Strength Abfüllungen oder den Rums von Bristol Spirits, dann fand man in den allermeisten Fällen: nichts. Keine Blogs, die sich umfassend mit dem Thema auseinander setzten, kein breit gefächertes Angebot, eine nur begrenzte Auswahl an Shops mit einer noch stärker begrenzten Auswahl an Rums. Die guten Tropfen der unabhängigen Abfüller waren nur selten darunter. Und auch wenn man über den Tellerrand blickte, nach Europa und in die Welt, so fand man eher keine Mitstreiter, die den eigenen Geschmack zu teilen schienen. Und überhaupt schien Deutschland noch so ziemlich das einzige Land zu sein, in dem man die ganzen guten Rums überhaupt irgendwie bekommen konnte. Wenn ich ebay Frankreich, Italien oder Großbritannien durchsuchte nach Jamaica Rum, dann fand ich Appleton, manchmal noch Coruba oder Sangster's - das war's!
Bei so geringen Möglichkeiten und Chancen mit der Materie in Berührung zu kommen, war es also gewissermaßen pures Glück, dass ich eine der wenigen Gelegenheiten erfassen konnte, in diese Szene reinzurutschen und dafür bin ich bis heute sehr dankbar. Damals allerdings war es auch immer wieder frustrierend, denn in mir war ein immenser Drang das eigene Wissen immer mehr zu erweitern und das war, gelinge gesagt, schwierig. Es zeichnete sich bei Hampden beispielsweise ab, dass sich die einzelnen Abfüllungen im Estergehalt voneinander unterschieden, aber in welcher Weise, wie das definiert war, woran man das erkennen konnte... zu all dem gab es damals noch keinerlei Informationen. Es gab die Mark-Angaben auf den Cadenhead-Labeln, die das damals als einzige gemacht haben. Das wars! Das aber weiterzuverfolgen, Informationen zu sammeln, zu sortieren, daraus Schlüsse zu ziehen, das Wissen zu erweitern... eine unfassbar aufwendige Arbeit damals! Heute bin ich dafür dankbar, denn ich glaube, ich hätte vieles niemals so sehr verinnerlicht, wenn ich es einfach irgendwo mit ein paar Klicks hätte nachschlagen können, aber damals habe ich das oft verflucht. Nichts desto weniger, wir leisteten damals echte Pionier-Arbeit und auch deshalb haben Leo, Marco und ich damals auch Barrel Aged Thoughts ins Leben gerufen, um all diesen Informationen eine Plattform zu geben, Wissen zu speichern und weitergeben zu können und das macht mich heute definitiv auch stolz.
Die Saat war also in der Erde, aber ehe die Früchte unserer Arbeit damals geerntet wurden verging noch einiges an Zeit. Die Gruppe an Conaisseuren wuchs langsam aber sicher und mit der Zeit wuchs auch die Bereitschaft, mehr Geld für Rum auszugeben (auch dazu gleich noch mehr). Auf diesem Wege gewann der Abfüller Velier ab 2012 sehr schnell an Bedeutung, der danach das Jahrzehnt prägen sollte wie kein anderer sonst, nicht einmal annähernd. Bis dahin kauften wir in der Mehrzahl alte Bottlings längst vergangener Tage, zum Teil noch abgefüllt in den 1990er Jahren, etwa von Cadenhead und Bristol, die man mit etwas geschickter Suche zu diesem Zeitpunkt auch noch häufig finden und ergattern konnte. So genannte Shopleichen gab es reichlich und wir kauften diese noch ganz bequem und zu Preisen, die heute wie ein Witz anmuten. Das war dann ab 2013 ca. vorbei. Die Rum Szene wuchs plötzlich immer schneller, auch Europaweit und Weltweit. Plötzlich kamen z.B. auch die Menschen in Frankreich auf den Geschmack, die sich bis dahin sehr auf den Agricole konzentriert hatten, dessen Originalabfüllungen in ihrer Qualität denen aus anderen Ländern um Längen voraus waren! Velier wurde immer bedeutender, und als die Demerara Bottlings nicht mehr zu bekommen waren und im Preis massiv stiegen, wurde sich auch über Caroni hergemacht, welches bis dahin ein doch eher stiefmütterliches Dasein fristete. Auch hier stiegen die Preise dann horrend und die Zeitspannen, innerhalb derer neue Bottlings ausverkauft waren wurden immer kürzer bis hin zu wenigen Minuten oder Sekunden. Heute ist also vieles anders. In die Szene hineinrutschen? Alles gar kein Problem mehr! Via facebook landet man da inzwischen direkt in den einschlägigen Gruppen und kommt dann, wenn man persönlich denn möchte, auch mit dem guten Stoff in Kontakt. Dabei ist es heute auch egal, aus welchem Land man kommt. Die Szene ist international aufgestellt. Häufig treffen sich Menschen rund um den Erdball zum Thema Rum auf inzwischen unzähligen Messen. 2010 gab es das UK Rumfest und dann ganz neu das Rum Fest in Berlin. Heute dürften die Messen in Paris, London, Rom und Spa zu den wichtigsten zählen, auf denen regelmäßig Rums präsentiert werden, die es z.B. noch gar nicht im Handel gibt. Die Masse an Connaisseuren ist riesig, größer, als ich es mir noch vor 10 Jahren hätte vorstellen können, und ich bin stolz sagen zu können, dass ich mit BAT definitiv auch einen eigenen, begünstigenden Anteil daran hatte, der diese Entwicklung mit ermöglicht hat.
Bei so geringen Möglichkeiten und Chancen mit der Materie in Berührung zu kommen, war es also gewissermaßen pures Glück, dass ich eine der wenigen Gelegenheiten erfassen konnte, in diese Szene reinzurutschen und dafür bin ich bis heute sehr dankbar. Damals allerdings war es auch immer wieder frustrierend, denn in mir war ein immenser Drang das eigene Wissen immer mehr zu erweitern und das war, gelinge gesagt, schwierig. Es zeichnete sich bei Hampden beispielsweise ab, dass sich die einzelnen Abfüllungen im Estergehalt voneinander unterschieden, aber in welcher Weise, wie das definiert war, woran man das erkennen konnte... zu all dem gab es damals noch keinerlei Informationen. Es gab die Mark-Angaben auf den Cadenhead-Labeln, die das damals als einzige gemacht haben. Das wars! Das aber weiterzuverfolgen, Informationen zu sammeln, zu sortieren, daraus Schlüsse zu ziehen, das Wissen zu erweitern... eine unfassbar aufwendige Arbeit damals! Heute bin ich dafür dankbar, denn ich glaube, ich hätte vieles niemals so sehr verinnerlicht, wenn ich es einfach irgendwo mit ein paar Klicks hätte nachschlagen können, aber damals habe ich das oft verflucht. Nichts desto weniger, wir leisteten damals echte Pionier-Arbeit und auch deshalb haben Leo, Marco und ich damals auch Barrel Aged Thoughts ins Leben gerufen, um all diesen Informationen eine Plattform zu geben, Wissen zu speichern und weitergeben zu können und das macht mich heute definitiv auch stolz.
Ergattert 2012 in München beim Whiskyshop tara: Bristol Jamaica Blend für 125,- Euro |
Angebot und Preise steigen!
Nachdem ich aufgezeigt habe, in welch kaum zu überblickenden Ausmaß die Nachfrage an qualitativ hochwertigem Rum in den letzten zehn Jahren gestiegen ist, weil nämlich die Anzahl an Connaisseuren immer größer wurde und noch immer wird, liegt es nahe, dass sich das auch auf das Angebot an Rum ausgewirkt hat und letztlich dann auch auf die Preise des angebotenen Rums. Und auch hier müssen letztendlich dann schon beinahe Superlative bemüht werden, um die Entwicklung einigermaßen darzustellen. Wenn ich an meine Anfangszeit in der Szene zurückdenke, dann habe ich bei einigen Rums direkt noch immer die Preise vor Augen, die, das ist vielleicht unumgänglich, teils bis heute auch noch immer eine Art Kompass für mich darstellen, anhand dessen ich für mich abwäge, als wie günstig oder wie teuer ich einen Rum empfinde. Die Cadenhead's Cask Strength Bottlings z.B., die damals, zumindest unter Nerds, sehr gefragt waren, weil es ansonsten kaum etwas anderes in Fassstärke auf dem Markt zu kaufen gab, kosteten meist so um die 50,- Euro, außer die älteren Rums mit ca. 20 Jahren Reife und mehr. Die Rums von Bristol Spirits, die zwar verdünnt, qualitativ aber meist auch immer in der Top Liga spielten, waren dagegen schon etwas teurer, aber auch hier kosteten sehr alte Rums meist nicht wesentlich mehr als hundert Euro. Zum Vergleich: da fangen die guten Rums heute inzwischen oft erst an!
Kostete 2012 noch 25,- Euro: PM aus 1988 |
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Einer der besten der alten Velier Demeraras: Albion 1986! |
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Neue Abfüller betraten ab 2012 den Markt... |
Parallel dazu wurde auch an anderer Stelle bemerkt, dass zu Rum plötzlich eine Nachfrage bestand und so begannen auch vermehrt andere unabhängige Abfüller damit, zumeist aus dem Whisky-Segment, Rum anzubieten. Zu nennen sind hier A.D. Rattray, Duncan Taylor, The Whisky Agency, The Rum Cask oder Isla Del Ron, die, im Gegensatz zu vielen der schon früher aktiven Bottler wie Berry Bros. & Rudd, Murray McDavid oder den hier schon mehrfach genannten (Bristol, ...) aber auch die Zeichen der Zeit bereits so weit erkannten, dass sie nicht nur ebenfalls Rum anboten, sondern noch weiter gingen und diesen in Fassstärke auf den Markt brachten. The Rum Cask gingen dabei sogar soweit, dass sie mich damals im Jahr 2013 mit an Bord holten, einerseits um selbst stärker in die Materie zu kommen (die Jungs kamen ebenfalls aus der Whisky Ecke) und andererseits, um sich bei der Fass-Auswahl helfen zu lassen, damit man den Geschmack und den gewachsenen Anspruch der Connaisseure möglichst genau treffen konnte. Daraus resultierten die "Recommended by Barrel Aged Thoughts" Bottlings. Mitwirken zu können bei Bottlings... nicht mehr allein hoffen zu müssen, dass was gutes kommt... Einfluss nehmen zu können, es ein Stück weit selbst in der Hand zu haben... Wunschlisten an den Abfüller weitergeben zu dürfen... Das war sehr außergewöhnlich und bei vielen Stilen kam das damals einer Sensation gleich, was heute so normal wirkt. Es kann sich im Jahr 2019 ja kaum noch einer die immer währende Ernüchterung vorstellen, die mich überkam, wenn wieder mal ein neuer Hampden erschien und dabei die immer gleichen verwässerten 46% vol. aufwies.
Heute hat sich das glücklicherweise radikal und zum guten gewandelt! Natürlich hat das aber alles seinen Preis. Die Nachfrage stieg immer mehr, das Angebot zog nach und kam den Wünschen der Connaisseuren dabei immer mehr entgegen. Das ließ auch die Preise stiegen, zumal Rum, äquivalent zum Whisky, von einigen als Spekulationsobjekt entdeckt wurde. Letzteres betraf und betrifft insbesondere die Demerara- und Caroni-Abfüllungen Veliers, die in dieser Form einzigartig und unerreicht sind und in der Form auch nicht mehr reproduzierbar. Aber natürlich strahlte das auf den gesamten Markt ab, weswegen die einst magische Grenze von hundert Euro, über die man nur für ganz besondere Sachen drüber ging, heute fast schon eher als die Grenze zum Einstieg in den guten Stoff bezeichnet werden muss, während für die sehr besonderen Sachen dann gerne auch mal 300-500,- Euro aufgerufen werden. Das wiederum sind Summen, die wurden vor zehn Jahren für genau drei Bottlings aufgerufen, die mir spontan einfallen: den Gordon & MacPhail Long Pond 1941 Jamaica Rum, den Black Tot und den El Dorado 25 YO. Zwei davon waren dieses Geld aus heutiger Sicht locker wert, aber gekauft habe ich damals leider keinen der beiden. Beim 1941er bereue ich das sehr!
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Meine erste Flaschenteilung (2011) |
Veränderter Anspruch...
Anno 2010: Meine allererste Rum-Bestellung... 🙈 |
Tropisch oder kontinental? Das ist hier die Frage!
Anno 2012: 17 YO tropisch gereifter Long Pond von RA,
sechs Jahre bevor Velier im Jahr 2018 seine Long Pond-
Serie startete
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Epilog:
Ihr seht... die gesamte Rum Szene hat sich in den vergangenen zehn Jahren so stark verändert wie zuvor noch nie. Sie ist, zumindest wenn wir den High Quality Bereich nehmen, im Grunde sogar erst in dieser Zeit wirklich entstanden. Wer diese Zeit in Gänze miterlebt hat, der kann sich eigentlich nur immer wieder verwundert die Augen reiben. Selbst dieser Text, ich hoffe, möglichst viele von euch haben ihn auch in Gänze lesen können, gibt all das nur sehr unzureichend wieder und sicher habe ich das eine oder andere auch vergessen. Gerne dürft ihr mir schreiben, wenn es etwas gibt, was eine Erwähnung noch auf jeden Fall verdient hätte.
Die Tage werden ich euch dann hier noch meine Top Rums des letzten Jahrzehnts präsentieren, denn meine Top Rums aus 2019 werdet ihr in Kürze an anderer Stelle noch zu lesen bekommen. Da werden ich aber noch nicht zu viel verraten.
Bis dahin und ein frohes Weihnachtsfest,
Flo
2 Kommentare:
Hallo,
jetzt hast du uns ganz gespannt auf deine top 10 der vergangenen Dekade gemacht und wir warten geduldig auf die Auflösung. Wann löst du die Spannung und lässt uns an deiner Auflistung teilhaben? =)
Huhu,
die Auflösung gab es einige Tage später hier:
https://barrel-aged-thoughts.blogspot.com/2019/12/my-top-10-rums-2010-2019.html
Mit besten Grüßen
Flo
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