Sonntag, 1. Dezember 2019

Bristol Classic Trinidad Rum 10 YO Caroni

Liebe Rum Gemeinde,

schon häufiger wurde ich gefragt, ob ich nicht auch öfter mal Reviews zu Caronis machen kann, die nicht von Velier abgefüllt wurden, schießlich gäbe es da ja auch einige Perlen, die zudem deutlich günstiger seien. Und ja, einige ganz wenige Perlen gibt es da tatsächlich, wenn auch manchmal auf ganz eigene Weise, und eine davon sehen wir uns heute mal genauer an, nämlich den Bristol Classic Trinidad Rum 10 YO Caroni mit 46% vol. aus dem Sherryfass!



Bristol Spirits Ltd., das ist bekannt, hat genau wie Velier Mitte/Ende der 2000er Jahre beträchtliche Mengen des damaligen Stocks der zu diesem Zeitpunkt bereits geschlossenen Destillerie Caroni erworben. Viele dieser Fässer wurden ab dem Jahr 2008 auch abgefüllt und auf den Markt gebracht, andere wiederum lagern bis heute weiter bei John Barrett im Keller oder wurden zwischenzeitlich an andere Abfüller verkauft. Das besondere daran: diese Fässer sind, neben jenen von Velier, die so ziemlich einzigen, von denen ganz sicher gesagt werden kann, dass sie lange Zeit tropisch reiften. Klar, ab 2008 lag dann alles in Großbritannien in kontinentalem Klima, aber bis dahin eben nicht. Das einzige, was insbesondere Abfüllungen aus der Zeit um 2008, also wirklich von jenen von Velier unterscheidet, ist der Alkoholgehalt, der bei Bristol nahezu immer geringer als die Fassstärke ausfiel, meist sogar in beträchtlichem Maße. Aber: auch das ist soweit erstmal nichts neues.




















Heute allerdings sprechen wir über einen Rum, den man dazwischen so gar nicht, bzw. nur sehr unzureichend einordnen kann: den Bristol Classic Trinidad Rum 10 YO Caroni Sherrywood mit 46% vol.! Was macht diesen Rum so besonders, mag da manch einer vielleicht fragen. Nun, das "Problem" mit diesem Rum ist, dass nahezu gar nichts über ihn bekannt ist und er als eine Art "Blinder Passagier" in den Besitz von Bristol übergegangen zu sein scheint. Denn auf dem Etikett äußert man sich da spärlich und überaus unklar. Laut Label reifte der Rum 10 Jahre bei Caroni auf Trinidad, bevor er nach Großbritannien gelangte und dort in Sherryfässer wanderte. An anderer Stelle hieß es bereits, der Rum sei 2006 in den Besitz von Bristol gelangt und auf dem Fass hätten sich keine Angaben zum Alter befunden, oder diese seien unleserlich gewesen, weswegen Barrett an dieser Stelle, also 2006, ganz konservativ die Berechnung des Alters gestartet habe. Und tatsächlich finde ich diese Version sogar ziemlich plausibel, denn andernfalls wüsste man ja, in welchem Jahr der Rum gebrannt wurde. Zwar ergibt das auf den ersten Blick natürlich erstmal wenig Sinn, insofern als dass da nach 2002 definitiv kein Caroni mehr gebrannt wurde, aber wenn ich ein Fass erwerbe, über das ich keine Hinweise zum tatsächlichen Alter habe, dann ist diese die definitiv seriöseste Variante bei der Angabe zum Alter. All in all können wir also, abseits des Protokolls, ziemlich sicher davon ausgehen, dass es sich bei dem Caroni selbstverständlich nicht um einen 10 Jahre alten Rum handelt, sondern eher um einen ca. 20 Jahre alten oder älteren Kandidaten handelt. Die Preisgestaltung orientierte sich glücklicherweise aber am offiziell auf dem Label angegebenen, was ihn, im allgemeinen Caroni-Preis-Wahnsinn, angenehm von anderen Abfüllungen abhob. Leider ist der Rum inzwischen vergriffen, aber selbst auf dem Secondary läuft dieser Caroni definitiv noch unter dem Radar und zu deutlich günstigeren Konditionen als viele seiner Brüder. Ansonsten wissen wir über diese Abfüllung noch, dass es sich um einen Blended Caroni handeln muss, denn ein solcher, also ein Blend aus HTR und LTR, ist auf dem Backlabel angegeben. Wie viele Bristol vor ihm, so kommt auch der 10 YO Caroni mit einem Alkoholgehalt von 46% vol. daher, allerdings gibt es von dieser Abfüllung auch eine Variante mit 43% vol. Spoiler vorab: es hat Gründe, dass ich nur eine von beiden heute vorstelle. ;-)


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Verkostung des Bristol Classic Trinidad Rum 10 YO Caroni:

Preis: ursprünglich lag eine Flasche bei ca. 60,- bis 70,- Euro. Heute ist der Rum dafür nicht mehr zu bekommen, aber so teuer wie viele andere Caroni ist er glücklicherweise nicht. 

Alter: unbekannt. Die 10 Jahre auf dem Label entsprechen aber lediglich der Mindestzeit an Reife. Abgefüllt wurde er im Jahr 2016.

Lagerung: laut Backlabel reifte der Rum mindestens 10 Jahre auf Trinidad, bevor er nach UK kam. Dort reifte er dann bis 2016 in Sherryfässern nach. Wie lange der Rum insgesamt reifen durfte ist leider vollkommen unklar.

Fassnummer(n): unbekannt.

Angel's Share: keine Angaben.

Alkoholstärke: 46% vol. - Trinkstärke

Destillationsverfahren: unklar

Mark: Blended (HTR & LTR)

Farbe: dunkles, tiefes Gold, ins Mahagoni gehend. 

Viskosität: der Rum bildet weite Schlieren am Glasrand und fließt dann zügig am Glas herunter.

Nase: mich empfängt gleich zu Beginn ganz unmittelbar eine sehr Caroni-typische, dreckige Nase, die mir eher "HTR" als "Blended" ins Ohr flüstert. Peripher ist da auch direkt der Einfluss vom Sherry auszumachen, der den Charakter vom Caroni aber toll unterstreicht und sich ins Bild einfügt, statt dass er den Rum in Geiselhaft nimmt, so wie viele andere Sherryfässer das leider tun. Das passt hier super! Im Vergleich zu einigen lange gereiften tropischen Brettern fällt natürlich auf, dass die Nase, nicht zuletzt ob der nur 46% vol., natürlich schon auch ein wenig zurückhaltend ist. Das ist nicht ganz die Intensität, Komplexität und die Tiefe, wie man sie bei Velier oft findet. Aber dafür ist dieser Caroni herrlich unkompliziert, ohne dabei zu langweilig daher zu kommen. Da ist dann das Finish tatsächlich auch ein super Twist, das die nötige Mehrdimensionalität mit hinein bringt. Schrottplatz-Assoziationen vom Caroni gehen eine tolle Liaison ein mit dem Studentenfutter des Sherrys. Dass der Rum älter, und vermutlich sogar wesentlich älter, ist als die angegebenen 10 Jahre kommt übrigens sehr deutlich heraus. Da schwingen auch schon reichlich Tannine und viel Wärme vom Fass mit. Ich gehe hier eher auf 20 Jahre oder mehr. 

Gaumen: na klar, die Verdünnung ist sofort präsent und zu spüren. Das hat schon etwas sehr wässriges erstmal, was mir bekannter Maßen nicht so zusagt. Größere Schlücke sind dadurch allerdings problemlos trinkbar, das ist großes Easy-Sippin' Kino! Nur ganz selten erlebe ich es, dass man einen Rum so mir nichts, dir nichts trinken kann, ohne auch nur die geringste alkoholische Irritation. Geschmacklich dominiert, wie schon in der Nase, auch hier erstmal Heavy Caroni, mit all seinen so stiltypischen Komponenten wie Teer, verbranntem Gummi oder Lösungsmitteln, bevor er dann, nach einer Weile irgendwann, vom Sherry eingefangen und regelrecht ummantelt wird. Dirty Schrottplatz muss dann dem trockenen Sherry weichen, der hier für einen wirklich kurzweiligen Schlusspunkt sorgt, dominant ist, aber nicht negativ ins Bild fällt.

Abgang: hier dominiert der Sherry, aber total! Mittellang und nicht ewig verbleibt dieser noch, bis sich das ganze langsam aber sicher verflüchtigt. Vom Caroni spürt man hier nicht mehr viel.

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Fazit: die allermeisten Caroni, die nicht von Velier sind und die mit unter 50% vol. daher kommen finden hier keine Erwähnung. Das hat in den meisten aller Fälle leider schlicht mit der entsprechenden Qualität zu tun, die bedauerlicherweise kein anderer Abfüller in dieser Konsequenz bringen kann wie Velier. Das, so viel sei vorweg genommen, schafft leider auch dieser Bristol nicht, da sollte man sich keiner Illusion hingeben. Auch zwischen diesem Rum, obwohl er wahrlich nicht schlecht ist, und den Benchmarks liegen noch immer Welten. Das liegt in erster Linie aber eben nicht an fehlender Qualität des Bristols, sondern daran, dass die Caronis von Velier einfach so unfassbar viel besser sind. Aber bei diesem Bristol stimmt dafür etwas anderes sehr, was bei nahezu allen Non-Velier-Caroni längst nicht mehr stimmt: das Preis-Leistungs-Verhältnis! Während man sich bei Cadenhead, Compagnie Des Indes und vielen anderen unabhängigen Abfüllern preislich immer mehr den Kursen von Velier annähert, ohne dabei aber auch nur im Ansatz deren Qualität bringen zu können (meist sind es die stark unterdurchschnittlichen 1997 oder Januar 1998 Caronis), kam dieser Bristol, der unverdünnt sicher auch nochmal um einiges besser gewesen wäre, mit einem Preis daher, der der Qualität angemessen war. Denn, auch wenn das jetzt bisher nicht so durchklang, das ist ein guter Rum! Kein sehr guter, dafür fehlen ein paar %, sowie ein paar mehr Ecken und Kanten, aber ein guter, den man wunderbar als Everyday-Caroni (bitte nicht wörtlich verstehen!) nutzen kann. Darum habe ich ihn hier für euch vorgestellt, denn das ist noch Caroni zu schmalerem Kurs, der aus dieser ganzen Masse an Durchschnitts-Caronis durch ein anderes Profil noch etwas heraussticht. Damit ist er einer der ganz wenigen Non-Velier-Caroni, die ich auch nach wie vor kaufen würde! Allerdings, und da muss man aufpassen, nur die Variante mit 46% vol.! Es gibt auch noch eine ansonsten genau gleich aussehende Variante mit 43% vol., die leider genau das bisschen Alkohol zu wenig bekommen hat, was dann am Ende den Unterschied macht zwischen "geht gerade noch so" und "geht nicht mehr". 43% vol. geht nicht mehr! Also: wer sich den Rum besorgen möchte, der achte bitte auf die Version mit 46% vol.! Damit macht ihr, zu den aktuellen Kursen, wenig verkehrt.

Ein letzter Dank geht heute noch an den Niki, der den Rum vor einiger Zeit mal mit uns geteilt hat und nach Oberstaufen, wo mir ein netter Caroni-Head noch eine Flasche dieses schönen Rums überlassen hat. Vielen, lieben Dank!

-84/100-

Und damit wünsche ich euch allen noch einen schönen und besinnlichen 1. Advent!

Bis demnächst,
Flo

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