Sonntag, 13. September 2020

RA Trinidad Rum 19 YO T.D.L. 2001

Liebe Rum Gemeinde,

der Rum um den es heute geht, ist vermutlich einer der meist diskutierten der letzten Tage und die ganze Geschichte darum herum für mich bereits jetzt eine der Storys des Jahres. Schließlich lag doch für einen winzigen Moment die ganz große Sensation in der Luft!



Doch von vorne: als Dominik im März 2020 ein Fass 19 YO Trinidad Distillers Limited (T.D.L.) Trinidad Rum 2001 für Rum Artesanal erwirbt ahnt er noch nicht, dass ausgerechnet dieses Fass einige Monate später zum Gesprächsthema der Rumnerd-Szene werden wird. Denn T.D.L., das gilt unter uns Freaks als das im besten Falle langweilige und im schlimmsten Fall gepanschte Trinidad. Ganz anders als Caroni, das nicht wenige als den Heiligen Gral des Rums sehen - dreckig, intensiv, aromatisch, geil! Unterschiedlicher könnten zwei Destillerien einer Insel also kaum wahrgenommen werden. Als Dominik also dieses Fass T.D.L. an Land zieht, ist das nicht primär für die Zielgruppe bestimmt, die sich sonst um die Hampdens, New Yarmouths und Enmores dieses Bottlers streitet, sondern eher für jene, die sonst bei Venezuela oder Nicaragua zuschlägt. Und genau das führte dazu, dass, obwohl Dominik von Beginn an um die Qualität des Fasses weiß, dieses zunächst komplett unter dem Radar läuft, auch bei mir, obwohl ich schon sehr frühzeitig ein Sample hatte. Dieser Rum war eigentlich für die weniger Hardcore Drinker gedacht, als Top Qualität zu ganz schmalem Preis die ob der geringeren Popularität T.D.L.s wegen auch längere Zeit am Markt verfügbar ist.




Doch "leider" hat Dominik die Rechnung ohne den Autor Steffen Mayer gemacht, der den Rum durch Zufall probierte und feststellte, dass es einige schon zu starke Parallelen zu Caroni gab, als dass der Rum es irgendwie hätte schaffen können, niemals auch nur in dessen Nähe rücken zu können. Und in der Tat, nachdem Steffen mich auf meinem Heimweg von der Arbeit anrief und vollkommen aufgeregt berichtete was er da wahrnimmt, goss auch ich mir den Rum direkt zuhause ein, den Steffen noch immer am Telefon, und probierte selbst. Und ja, auch ich habe unter diesen Eindrücken (Steffen war inzwischen kurz vor einem Herzinfarkt😅 und auf Facebook bildeten sich ungeahnte Eigendynamiken nach dessen Post) den Rum im ersten Moment eindeutig bei Caroni gesehen. Schon irgendwie speziell und vielleicht nicht ganz typisch, aber da waren all diese Parallelen und dazu ein sehr klares Bild von T.D.L. im Kopf, das mit dem Rum vor mir im Glas so überhaupt gar nichts zu tun hatte. Ich konnte mir schlicht nicht vorstellen, dass T.D.L. in der Lage war einen Rum auf diesem Niveau und mit solch einem Profil herzustellen! Und so war auch ich mir für den Moment sicher, dass Dominik hier ungeahnt einen Hidden Caroni gefunden hatte, denn es ist ja bekannt, dass auch T.D.L. alte Stocks von Caroni damals gekauft hat und eine derart lange Lagerung der eigenen Rums direkt vor Ort ist für sie auch eher untypisch.



17 Jahre tropische Reifung, dazu das Wissen, dass es grundsätzlich sein könnte, ein ganz neuer Jahrgang, der unfassbare Preis von 65,- Euro... Die Story war derart traumhaft, dass ich für meinen Teil vielleicht auch ein bisschen zu sehr daran glauben wollte, als dass mein Blick in diesem Moment noch zu 100% analytisch und objektiv gewesen wäre. Emotion und Begeisterung sind das was Rum für mich ausmacht und mir ist das auch oft wichtiger als totale Objektivität (die es eh nicht gibt), aber in diesem Fall war das ein klarer Fehler meinerseits! Dazu kam, dass ich meine 2 cl relativ schnell und eben während des besagten Telefonats trank, so dass der Rum im Glas wenig Zeit zum Atmen hatte. Doch genau die hätte er gebraucht, denn nach etwas Standzeit geht der ganze Spaß dann schon merklich von Caroni weg. Insofern habe auch ich mich da schlicht geirrt in der Frage ob es sich bei dem Rum um einen Caroni handelt. Doch fast wichtiger: habe ich mich auch in meiner Erst-Einschätzung geirrt, dass das ein verdammt guter Rum ist? Wir werden sehen!

Doch zunächst möchte ich mich noch kurz für das Sample und die zu Foto- und Verkostungszwecken kostenlos erhaltene Flasche bei Dominik und RA bedanken, dies sei auch zum Zwecke der Transparenz an dieser Stelle gerne erwähnt. Auf meine sensorische Wahrnehmung hat dieser Prozess selbstverständlich wie immer keinerlei Auswirkungen.

17 YO tropical aged TDL mit 56,5% vol.  vs. 17 YO tropical aged Caroni mit 55% vol. : deutliche Unterschiede!

.
Verkostung des RA Trinidad Rum 19 YO T.D.L. 2001:

Preis: mit einem Ausgabepreis von 64,90 Euro auf 0,5 Liter war der Rum -mit Blick auf dessen Eckdaten- angenehm und außergewöhnlich günstig.

Alter: insgesamt reifte der Rum von Februar 2001 bis Juli 2020 im Eichenfass und ist damit 19 Jahre alt.

Lagerung: der Rum reifte von Februar 2001 bis ins Jahr 2018 tropisch auf Trinidad, bevor er nach England kam, wo er nochmals zwei Jahre bis März 2020 in kontinentalem Klima lag. Seit März lag er dann im Warehouse von RA.

Fassnummern: #134 (interne Zählung bei RA) ergab 389 Flaschen a 0,5 Liter.

Angel's Share: unbekannt.

Alkoholstärke: mit einem Alkoholgehalt von 56,5% vol. kommt dieser Rum in High Proof daher. Die Fassstärke lag bei über 66% vol. 

Destillationsverfahren: Column Still

Mark: unbekannt.

Farbe: dunkles Mahagoni.

Viskosität: eng und parallel zueinander verlaufende Schlieren fließen recht zügig die Glaswand hinab.

Nase: ja, und da sind die Assoziationen zu Caroni dann auch direkt! Trotz dessen, dass ich den Rum nun schon ein paar mal im Glas hatte und darum weiß, dass das hier kein Caroni ist und ich nun ja auch keinen mehr erwarte, bin ich doch jedes Mal wieder überrascht, wie deutlich die Parallelen zu Beginn zum Teil sind. Die Nase ist auch direkt sehr zugänglich, den Alkoholgehalt von 56,5% vol. merkt man kaum. So kann das doch sehr intensive und tiefe Bouquet ungestört erkundet werden und das lohnt sich auch! Da sind durchaus Teer und verbranntes Gummi vorhanden, aber auch eine Fruchtigkeit von Beeren und Kirschen, die ihn z.B. von Caronis auch unterscheidet. Die für Caroni wiederum typischen Lösungsmittel fehlen größtenteils. Darüber hinaus: MINZE! - und zwar satt, als würde ich in einem Garten voller Minze stehen, an allen Blättern gleichzeitig reiben und tief einatmen! Dahinter finde ich auch noch etwas Anis und auch ordentlich Tannine vom Fass. Nach etwa einer Dreiviertel Stunde erlebt der Rum seinen ersten größeren Wandel durch. Die Assoziationen zu Caroni werden merklich kleiner, was bleibt sind so leichte Dünste giftiger Substanzen. Dafür wird die Minze aber immer krasser und ich fühle mich plötzlich sogar auch leicht an Gardel erinnert und weiß gar nicht so richtig, warum eigentlich. Vielleicht wegen der peripher immer wieder ganz subtil durchdringenden Cola-Note. Auf jeden Fall ist die Entwicklung im Glas wirklich phänomenal und die hier dargebotene Komplexität beeindruckend! Nach ca. zwei Stunden werden dann die Parallelen zu Caroni wieder deutlicher, so dass ich hier wirklich sehr starke Verwechslungsgefahr sehe. Einzig der EU Caroni 2000 daneben verrät, dass das hier nochmal was anderes ist. Hervorragender Rum!

Gaumen: ein sehr vollmundiger, warmer und geschmacksintensiver Rum! Die Smoothness aus der Nase setzt sich auch am Gaumen unvermittelt fort, der Alkohol ist also extrem gut eingebunden. Größere Schlücke hauen allerdings auch schon ganz schön rein, so dass insgesamt etwas Vorsicht geboten ist. Mir gefielen kleinere Schlücke hier definitiv besser! Wie schon in der Nase, so bestehen auch am Gaumen klare Assoziationen zu Caroni, allerdings eher gleich zu Beginn und diese fallen auch nicht so deutlich aus wie in der Nase. Für diesen kurzen Moment allerdings, wenn dieses Caroni-Feeling eben aufblitzt, könnte man ihn tatsächlich fast mit einem verwechseln. Doch das hält wirklich nur ganz kurz an, dann nämlich geht das auch schon ein ganzes Stück weit mehr von einem Caroni weg als in der Nase. Ich habe da vor allem einiges an Salzkaramell und Anis und nach kurzer Verweildauer im Mund vor allem wieder... den ganze Mund ist voller Minze! Unbeschreiblich, ich habe noch nie derart viel Minze in einem Rum gefunden wie bei diesem hier! Mojito Premix? Es ist, als würde man einem einen ganzen Minze-Busch auf einmal wie einen Knebel in den Mund stopfen! Dazu habe ich Waldbeeren, Tee und Tannine. Hier macht sich die tropische Reifung bemerkbar, denn da entstehen nun auch zu anderen Rums wie den Demeraras klare Parallelen. Keine, die zu Verwechselungen einladen, aber man erkennt übergreifende Verwandtschaften.

Abgang: Minze und Anis bilden mit den Tanninen zusammen den Abgesang dieser tropisch gereiften Überraschung aus Trinidad! Dann wird er immer bitterer! Der Rum hält lange an, auch nach Stunden bemerke ich ihn noch. Nichts für Tage, an denen danach noch wichtige Termine anstehen.

-------------------------------------------------------------------------------------------------

Fazit: auch wenn es nach diesem Jahr schon fast droht sich abzunutzen, aber was für ein glückliches Händchen der Dominik bei seiner Fassauswahl hat kann ich kaum oft genug betonen! Sehr, sehr geil! Die Ähnlichkeiten und Parallelen zu unser aller Lieblings-Lost Distillery sind ganz eindeutig vorhanden, die klaren Unterschiede sind es aber ebenso, so dass letztlich ausgeschlossen werden kann, dass es sich um einen Caroni handelt. Nicht ausschießen kann ich hingegen, dass der Rum entweder einmal in ein frisch entleertes Caroni Fass umgefüllt wurde (diese Praxis wird in der Karibik stets so gehandhabt, um noch stärkeren Angel's Share als ohnehin schon zu vermeiden) oder dass zu irgendeinem Zeitpunkt eine gewisse Menge an Caroni mit ins Fass kam, was ich T.D.L. durchaus zutraue. Doch mag ich mich in Bezug auf Caroni auch zunächst geirrt haben, der Rum als solcher mit all seinen Eigenheiten ist absolute Spitze und steht Caroni, rein qualitativ, in nichts nach! Vor allem aber: hätte man mir vor wenigen Wochen gesagt, dass es auch in 2020 noch möglich ist 17 Jahre tropisch gereifte Heavy Rums zu kaufen, die für 65,- Euro / 0,5 Liter angeboten werden können, hätte ich das für vollkommen unmöglich gehalten! Immerhin bekommen wir seit Jahren schon zu hören, dass ob der enormen Verdunstungsrate in den Tropen gewisse Preise schlicht nicht mehr machbar seien. Nun, dieses Fass beweist uns ein Stück weit das Gegenteil und zeigt auf, dass gerade die Destillen selbst hier grundsätzlich in der Lage sind, fantastischen Stoff zu gutem Kurs zu bringen. Ausnehmen möchte ich hier ein Stück weit die preisliche Entwicklung der Caroni bei Velier, denn hier haben wir es mit endlichem Stoff zu tun, einer ursprünglichen Menge X, die eben durch Verdunstung immer kleiner wird. Oder, um es mit einer sehr (sehr, sehr, seeeehr!) vereinfachten und fiktiven Rechnung aufzuzeigen: Luca hat 100 Liter für 1.000,- Euro gekauft. Verdunsten 80% davon, müssen also die nur 20 verbliebenen Liter die 1.000,- Euro wieder reinholen. Logisch, dass die dann teurer werden, als wenn dafür noch die kompletten 100 Liter zur Verfügung ständen. Kontinuierlich nachproduzierende Destillerien sind da dementsprechend im Vorteil und können den Rum deutlich günstiger anbieten.

Hier sehe ich für die Zukunft also deutliches Potenzial und denke, dass man auch eine Destillerie wie T.D.L./Angostura grundsätzlich etwas mehr auf dem Schirm haben kann. Allerdings ist es wie so oft, dass dort wo Licht ist, immer auch ein Schatten fällt. Und im Falle von T.D.L. ist dieser Schatten leider beträchtlich. Noch vor einigen Jahren kam heraus, dass T.D.L. Bulk aus anderen Ländern kauft und sie dann unter eigenem Label als Trinidad Rums verkaufen, bzw. das in ihren Rums verblenden. Der grundsätzliche Stil und die Original Bottlings der Destillerie sind weit weg von dem, was ich abfeiern würde und stehen nicht für Qualität. Insofern sehe ich in diesem RA Bottling noch eher eine rühmliche Ausnahme, als dass ich T.D.L. nun grundsätzlich mit anderen Augen sehen würde. Gleichwohl möchte ich nicht unterschlagen, dass man ähnliches vermutlich auch bis zur Schließung und zur Entdeckung der alten Stocks noch über Caroni gesagt hätte, wenn es damals schon mehr Nerds im heutigen Sinne gegeben hätte. Denn auch das was Caroni zu aktiven Zeiten veröffentlicht hat ist nicht zu vergleichen mit dem, was wir heute damit verbinden. Insofern ist für mich also die Frage, was T.D.L. in der Theorie kann und da gibt das RA Bottling dann doch schon leicht Grund zur Hoffnung, denn da scheint eine ganze Menge möglich zu sein. Was offenbar fehlt, ist eine Motivation für T.D.L. umzudenken... Luca, subentra! :-)

-92/100-


Nutzer der Rum Tasting Notes App finden den Rum hier:

RA Trinidad Rum 19 YO T.D.L. 2001


Bis demnächst,
Flo


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Mal schauen, ob es nicht doch ein Caroni ist. Bald kommt Gewissheit.

Kommentar veröffentlichen