Donnerstag, 29. August 2024

The Sins - Avarice- Long Pond Jamaica Rum 1983

Liebe Rum Gemeinde,

dieses sind die ersten Zeilen auf BAT seit fast zwei Jahren und nachdem meine letzte Review dementsprechend lange zurück liegt und ich -Stand heute- auch für die nächsten Monate, bzw. Jahre, nicht damit rechne, dass sich die Frequenz meiner Verkostungen wieder erhöht, muss ich im Vorfeld direkt festhalten, dass die heutige Review des The Sins -Avarice- Long Pond 1983 leider als Ausnahme zu meiner Inaktivität verstanden werden muss und nicht als Rückkehr zu regelmäßigen Beiträgen von mir. Ich weiß, dass ich eine Wiederaufnahme meiner schreiberischen Aktivität in der Vergangenheit durchaus angedeutet und mir auch vorgenommen hatte, aber die Realität wird auch weiterhin eine andere sein. Dies nur gleich zu Beginn, da sich die Frage ansonsten sicherlich schnell gestellt hätte. 



Wenn ich jetzt aber diese Ausnahme mache und aus völliger Inaktivität über einen Rum schreiben möchte, dann muss dieser Rum ja aber schon etwas sehr besonderes sein, oder? Normalerweise hätte ich es jetzt erstmal mit Franz Beckenbauer gehalten und gesagt: "Schaun mer mal!", aber einen Spannungsbogen künstlich aufzubauen ergibt hier glaube ich keinen Sinn. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern und viele in der Community da draußen haben den Rum auch schon mal u.a. im Rahmen von Festivals im Glas gehabt und auch der Plattform Rum X kann es entnommen werden, dass der Rum um den es heute geht keiner von der Stange ist und auch bisher durch die Bank überzeugt hat. Nun möchte ich mir gerne selbst ein Bild machen und lasse euch daran teilhaben. Allerdings: auch wenn ich selbstverständlich meinen guten Geschmack nicht verloren habe und auch weiterhin im privaten Rahmen Rum trinke, so ist mir aber die Routine an der Tastatur durchaus verloren gegangen. Für eine Review benötigte ich vor einigen Jahren mit Sicherheit etwa 10 Stunden im Schnitt, schließlich hing oft ja auch einiges an Recherche dran, die zu vielen Beiträgen im Vorfeld betrieben werden wollte. Würde ich heute eine Review in diesem Umfang schreiben, wäre ich vermutlich für Wochen eingebunden. Diese Zeit habe ich nicht mehr und so wird der heutige Beitrag um einiges kompakter werden als es Reviews in früheren Tagen waren. Und dementsprechend wird es hier ohne große Vorinformationen mehr oder weniger direkt ins Tasting gehen. Nur so viel: der Rum wurde von Distilia abgefüllt und für die Auswahl des Fasses aus dem Distilia Fasslager und die Gestaltung des Labels war der Rob verantwortlich. Den wiederum muss ich hier aber glaube ich ohnehin niemandem mehr vorstellen, oder? Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand meinen Blog kennt, aber noch nie etwas von Rob gehört hat. Und falls doch, dürft ihr gerne mal nach Whisky Digest, Grape of the Art oder dem Armagnac Festival in Stuttgart googlen ;-) 

Wer mehr über die Destillerie Long Pond erfahren möchte, der kann gerne in meinem Beitrag von 2018 ein wenig stöbern, auch wenn dieser an der einen oder anderen Stelle möglicherweise schon nicht mehr aktuell ist.

Aus Gründen der Transparenz sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass ich ein Sample zur Verkostung dieses Rums, sowie zu Fotozwecken, gratis erhielt. Auf meinen Geschmack und die Bewertung hat dies selbstverständlich aber keinen Einfluss. 


Verkostung des The Sins -Avarice- Long Pond Jamaica Rum 1983:

Preis: die unverbindliche Preisempfehlung für den 1983er Long Pond wird bei 850€ liegen und Release ist am 29. August 2024.  

Alter: von 1983 bis Februar 2024 durfte der Rum 40 Jahre im Fass reifen. 

Lagerung: keine Angabe. Vermutlich reifte er aber über weite Teile, wenn nicht sogar die gesamte Zeit seiner Reifung in Europa. 

Fassnummer: #1134 - es handelt sich folglich um ein Single Cask. Dieses ergab noch 203 Flaschen a 0,7 Liter.

Angel's Share: unbekannt.  

Alkoholstärke: der Rum kommt mit entspannten 51,6% vol. daher. 

Destillationsverfahren: der Rum entstammt einer Pot Still von Long Pond.

Mark: keine Angaben.

Farbe: leuchtend goldenes Stroh! Eine wunderschöne Farbe und typisch für ein kontinental gereiftes Destillat. 

Viskosität: enge, aber wenig parallel fließende Schlieren ziehen sich an der Glaswand herunter. 

Nase:
 Stunning! Eine wirklich fantastische Nase begrüßt mich hier nach fast zwei Jahren auf dem Blog zurück. Jamaica, ich bin zuhause - aber sowas von! Für einen Long Pond kommt die Nase ungewöhnlich intensiv und beinahe schon extrem daher. Um nicht zu sagen: ich bin gedanklich erst einmal bei Hampden! Da steckt einiges an Estern drin, die den Rum mit Lösungsmitteln und Klebstoff bereichern, die dabei aber nicht nur die Herzen von Freunden von High Ester Rums höher schlagen lassen, sondern auch jene derer, denen der Schlag in die Fresse von Hampden deutlich zu plump ist. Denn dieser Rum ist einfach richtig gut! Man findet hier, nachdem der Rum einige Zeit im Glas atmen durfte, vieles, was man von einem guten, alten Old School Long Pond erwartet, denn neben seiner Kraft, bringt er auch die für alte Long Pond so typischen feinen und filigranen Noten mit. Wer alte Rum Nations, den Silver Seal 1986, den Isla del Ron 1982 oder vergleichbare Kandidaten im Glas hatte, der wird beim Sins -Avarice nicht umhin kommen in Nostalgie zu verfallen, denn Assoziationen in diese Richtungen muss man ebenso wenig lange suchen wie die Ester. Allerdings kommen diese hier ausgeprägter daher als bei anderen 80s Long Ponds. Gemeinsam haben sie hingegen wieder, dass man keinerlei alkoholische Schärfe in der Nase hat, die 51,6% kommen richtig smooth. Selbst wenn ich meine Nase ins Glas halte und tief einatme brennt da nichts! Allerdings ergibt ein peripheres Nosing natürlich deutlich mehr Sinn und den olfaktorischen Blick frei auf die vielen Noten und Assoziation die in diesem Rum stecken. Da sind neben den erwähnten Lösungsmitteln und Klebstoffen auch ein vegetaler Einschlag, der mich an Stroh und frisch geschnittenes Geäst denken lässt. Dazu gesellen sich gegrillte Ananas, Zitrusfrüchte, Apfel, Banane, Vanille und dunkle Erde. Eine sanfte Note vom Eichenholz des Fasses ist ebenfalls dabei, allerdings beeindruckt es mich sehr, wie wenig ausgeprägt diese nach 40 Jahren der Reife ist. Klar, kontinentale Reife ist ein komplett anderer Schnack als tropische Reife, aber auch nach vier Jahrzehnten in Europa sind Rums nicht selten auch schon mal verholzt. Davon ist der Long Pond sehr weit entfernt!

Gaumen: der Eindruck den ich in der Nase hatte setzt sich am Gaumen nahtlos fort! Geil! Unfassbar gut! Ein richtig schön schwerer, komplexer, öliger und mundfüllender Jamaicaner, der mich auch hier erst einmal wieder an Hampden erinnert, allerdings auch an die tropisch gereiften High Ester Long Ponds, nur eben durch die kontinentale Reife in eine vollkommen andere Richtung entwickelt! Auch das Profil vom Gordon & MacPhail Long Pond 1941 kommt mir in den Sinn. Ein sehr, sehr dichter Rum, total konzentriert und richtig schön ölig. Wo die Nase für ihre 40 Jahre noch fast jugendlich daher kam, verleugnet der Gaumen sein Alter sehr viel weniger. Hier kommt das Eichenholz richtig schön durch und geht mit Anklängen von Gewürzen, insbesondere Nelke und Anis stechen für mich heraus, frischer Erde und der Süße und Säure von tropischen Früchten ein sehr schönes Aromenspiel ein, bei dem keine eine andere Komponente erschlägt. Allerdings komme ich immer wieder nicht an dem Gedanken vorbei, dass das hier doch ein 1983er Hampden HGML ist, der durch die 40 Jahre im Fass zu bisher wenig gekannter Milde geführt hat. Allerdings hatte ich auch schon ewig keinen solchen Rum mehr im Glas, weswegen ich mir in der zweiten Tasting Session einen RA 1983er Hampden daneben gestellt habe und hier verflog mein anfänglicher Hampden-Gedanke doch recht schnell. Die Ester beim Avarice sind krass, aber bei den Hampden aus gleichem Jahr ist das doch alles nochmal ne andere Nummer. Im direkten Vergleich ist der Rum als Long Pond zweifelsfrei zu erkennen. 

Abgang: nach hinten heraus kommt die Eichenholznote vollends zum tragen, was man bei einem 40 Jahre alten Rum aber auch erwarten darf und möchte. Sie nimmt darüber hinaus noch einiges an Gewürzen mit, Anis ist da wieder dabei, aber auch immer noch diese leckere Süße von Früchten. Dazu ist der Abgang ewig lang. Ganz großes Kino! 

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Fazit:
 nach all der Zeit, die ich zwar nicht abstinent verbracht habe, in der ich aber sehr wohl deutlich weniger Rum getrunken habe als noch bis ins Jahr 2021, war es für mich deutlich schwieriger diesen grandiosen Rum zu besprechen als es das noch vor einigen Jahren war. Aber es hat sich mehr als gelohnt! Was für ein Brett! Benchmark Stoff? Mit Sicherheit! Mir fällt aus Long Pond so spontan wenig ein, was da mitgehen kann. Der Gordon & MacPhail 1941 natürlich und die ganz alten Vertreter aus den 1970s und 1980s, die auch alle nochmal ein Stück mehr Schmeichler waren, aber sie waren auch fast alle verdünnt und somit ging da für mich auch immer sehr viel Genuss flöten. Das ist hier anders! Der Rum kommt in seiner Fassstärke und ist aber durch die entspannten 51,6% vol. dennoch kein Alkohol-Hammer. Ich würde beim Avarice Long Pond 1983 sogar von einem wirklich perfekten Jamaicaner sprechen, der das beste aus allen Bereichen in sich vereint. Er ist richtig schön esterig, aber er ist auch filigran, gediegen und gesetzt. Am Ende müssen wir -na klar- noch über den Preis sprechen. 850,- Euro sind eine heftige Stange Geld, insbesondere in der aktuellen Zeit, in der der große Rush erst einmal ausgesetzt scheint und nicht mehr jeder Preis für jeden Rum blind bezahlt wird. Und dennoch glaube ich, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis bei diesem Rum am Ende stimmt und der Rum auch fair bepreist ist. Denn mit diesen Kern-Daten hat er natürlich auch einen USP, denn wo bekommt man sonst einen 40 (!) Jahre alten Long Pond in dieser Qualität? Und was kostet nochmal ein G&M 1941, der am Ende inzwischen auch "nur" noch 18 Jahre älter ist? ;-) Nuff said. 
-95/100-


Sonntag, 30. Oktober 2022

The Rum Cask Jamaica Rum 12 YO Hampden DOK 2009

Liebe Rum Gemeinde,

fast drei Monate sind seit meiner letzten Review vergangen und wiederum ca. zwei Jahre sind ins Land gegangen, seit es das letzte Mal eine "Recommended by Barrel Aged Thoughts" Abfüllung von The Rum Cask gab. Mit dem Release am Freitag und diesem Posting heute geht beides mehr oder weniger zeitgleich an den Start, was nicht zuletzt auch mit einem ganz persönlichen Jubiläum auf diesem Blog zu tun hatte...  



Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren, am 26. Oktober 2012 war es, da ging das allererste Review auf Barrel Aged Thoughts online! Ein Monymusk-Crosstasting zwischen dem Bristol 1976 und dem A.D. Rattray 1986 war das damals. Zehn Jahre, das sind, je nach Blickwinkel und Relation, ein Wimpernschlag in der Geschichte oder auch eine halbe Ewigkeit. Zumindest in Bezug auf die internationale Rum Community kann man bei zehn Jahren aber glaube ich schon von einem ganz ordentlichen Zeitumfang sprechen, bedenkt man nur, wie wenige derer die heute dabei sind es auch damals schon waren und in welchem Maße sich die Rum Landschaft seither verändert hat. In der Rum Welt liegen zwischen 2012 und 2022 meines Erachtens nicht weniger als Welten, was ich hier und vor allen Dingen hier auch einmal in zwei gesonderten Beiträgen zum Thema "A Decade of Rum: 2010 - 2019" dargestellt habe! Die Etablierung der Fassstärke, die Schaffung eines Bewusstseins für die Unterschiede zwischen kontinentaler und tropischer Reifung und eine teils komplette Umkehr des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage sind dafür die wohl augenscheinlichsten Beispiele. Diese zehn Jahre waren nicht zuletzt aber auch für mich persönlich wahnsinnig ereignisreiche Jahre. Als ich mit BAT startete, startete ich parallel auch in meine Ausbildung. Meine Tochter war damals gerade zwei Jahre alt, heute steckt sie schon in der Pubertät. Ich verlor das Hobby teils aus den Augen und fand aber auch jedes Mal dort hin zurück. 

Eine Destillerie und ein Mark welches mich in den vergangenen zehn Jahren stets begleitet hat, davon fünf Jahre als bis dahin noch vollkommen unbekanntes Mysterium, ist Hampden DOK. Vor zehn Jahren war es noch vollkommen utopisch, dass dieser Rum Style einmal in dieser Weise gefragt sein würde, wie es heute der Fall ist. Mehr noch, er wurde noch nicht einmal zum Verkauf für Endkunden an irgendeiner Stelle angeboten! DOK war ausschließlich Rum für die Industrie! Auch erinnere ich mich noch gut an das verächtliche Unverständnis von Richard Seale im Jahr 2018, als mit dem Letter of Marque das meines Wissens nach allererste DOK Release in Fassstärke und auch das allererste unter Verweis auf dieses Mark an den Start ging. Er konnte sich mit Blick auf die historische Rolle von High Ester Rums als reines Flavouring Material für Blends nicht vorstellen, dass es tatsächlich Menschen geben könnte, die das pur trinken wollen, eben weil es zu diesem Zweck nie hergestellt wurde. Für ihn war das, als käme jemand auf die Idee, den Cola Sirup bei McDonalds pur zu trinken. Aber eben dieses Bottling, der Letter of Marque, für das sich damals die Blogs Single Cask Rum, RUMBOOM und eben Barrel Aged Thoughts unter dem Dach von The Rum Cask verantwortlich zeigten, ist dann im Grunde auch schon das Stichwort, denn der Rum um den es heute geht stellt den Rest des Fasses von damals dar, der noch viereinhalb Jahre weiter im Lager von TRC und in eben jenem Fass reifen durfte. Diesen Rum füllten die Jungs aus Pirmasens nun ab und nach einer intensiven Verkostung vorab war klar, dass ich diesem Rum gerne meine Empfehlung gebe, erkennbar am goldenen Sticker, der erstmals 2013 zur Anwendung kam und am Gelbbrustara, der seit 2017 diese ausgewählten Bottlings ziert. Was hat es mit den Abfüllungen mit dem Sticker und dem Ara auf sich? Kurz gesagt war diese Kooperation eine simple Win-Win-Situation. The Rum Cask waren damals vor neun Jahren noch neu im Rum Business unterwegs und profitierten von unserem Know How (damals waren wir bei BAT noch zu dritt). Wir verkosteten Fassproben parallel zu den Jungs und teilten mit ihnen unsere Einschätzungen. Und wir wiederum konnten auf diesem Wege Einfluss darauf nehmen, was ein Independent Bottler abfüllt und waren nicht mehr ausschließlich darauf angewiesen, dass die IBs ein glückliches Händchen hatten. Damals lief da nämlich bei den meisten noch ganz viel nach dem Zufallsprinzip und auch unser Geschmack entsprach damals noch einer absoluten Nische, die leider selten bis gar nicht bedient wurde. Wer genaueres dazu erfahren möchte: hier habe ich die Geschichte der Recommended Bottlings detailliert dargelegt.


Für diejenigen, die vielleicht noch neu in der Materie sind, hier an dieser Stelle nochmal kurz ein paar Infos zum Mark DOK, entnommen aus meinem Artikel "Hampden Estate - ein Überblick":

"Der Stil mit dem höchsten Estergehalt überhaupt bei Hampden wird mit dem Mark DOK (Dermot Owen Kelly-Lawson) bezeichnet. Er weist nach der Destillation einen Estergehalt von 1500 bis 1600 gr/hlpa auf und ist laut allgemeiner Jamaica-Klassifizierung ein Continental Flavoured Rum. Von der Main Rum Company wird auch das Mark JMK verwendet, welches für Jamaica Main DOK steht. DOK galt unter Connaisseuren lange Zeit als das spannendste Geheimnis der Destillerie, aber auch, wegen des enorm hohen Estergehalts, als möglicherweise ungenießbar. Seinen Ursprung hat der Stil nämlich im Rumhandel mit Deutschland im 19. Jahrhundert, weswegen er quasi als Hampden-Essenz angesehen werden kann.
Aus der Zeit vor der Schließung Hampdens im Jahr 2003 ist mir kein einziges DOK-Bottling bekannt. Abgefüllt und auf den Markt gebracht wurde ein Hampden DOK meines Wissens nach erstmals im Herbst 2017 durch den niederländischen unabhängigen Abfüller Kintra. Die Angabe, dass es sich um einen DOK handelt befand sich allerdings nicht auf dem Label. Dies passierte erstmals im Frühjahr 2018, als deutsche Rumblogs (darunter auch BAT) in Zusammenarbeit mit dem Abfüller The Rum Cask unter dem Namen Letter of Marque einen solchen Rum der Öffentlichkeit zugänglich machten. Der Estergehalt dieser Rums ist zwar tatsächlich sehr hoch, aber ungenießbar sind die Rums dennoch ganz sicher nicht. Im Gegenteil."

Anders als im April 2018, als der Letter of Marque heraus kam, ist ein Hampden DOK heute natürlich keine absolute Sensation mehr. Viele weitere Bottlings in diese Richtung folgten und unterstrichen, dass DOK unter Freunden des gepflegten Ester-Bombardements durchaus gefragt und gesucht ist. Unverändert blieb hingegen, dass die Erfahrung eines Hampden DOK weiterhin eine wirklich extreme ist! Spannend ist nun also zu beobachten, inwieweit sich das mit zunehmendem Reifegrad ändert, wenn die ganz krassen Spitzen unter dem Einfluss des Fasses so ein wenig Rundungen entwickeln. Der TRC Hampden DOK 2009 kommt mit nun 13 Jahren (das Release war ursprünglich für das Frühjahr geplant und die Label schon gedruckt, daher wird der Rum auf dem Label als 12 YO geführt) schon deutlich reifer daher als er es mit damals acht Jahren tat und ich denke es ist Zeit, zur Verkostung zu schreiten!


Aus Gründen der Transparenz sei an dieser Stelle aber noch erwähnt, dass ich ein Sample und eine Flasche zur Verkostung dieses Rums, sowie zu Fotozwecken, gratis erhielt. Auf meinen Geschmack und die Bewertung hat dies selbstverständlich aber keinen Einfluss. 



Verkostung des The Rum Cask Jamaica Rum 12 YO Hampden 2009:

Preis: die unverbindliche Preisempfehlung für den 2009er Hampden lag bei 119,90€ und Release war am 28. Oktober 2022.  

Alter: von Juni 2009 bis Oktober 2022 durfte der Rum insgesamt 13 Jahre im Fass reifen. Da der DOK ursprünglich schon für das Frühjahr 2022 geplant und die Etiketten gedruckt waren, wird das Alter auf der Flasche aber noch mit 12 Jahren angegeben. 

Lagerung: unbekannt. Vermutlich reifte er aber über die gesamte Zeit seiner Reifung in Europa. 

Fassnummer: #18 - es handelt sich folglich um den Rest des Fasses vom Letter of Marque DOK. Dieser entsprangen nun noch einmal ca. 120 Flaschen a 0,5 Liter + einiges an Samples.

Angel's Share: unbekannt.  

Alkoholstärke: der Rum kommt, wie bei TRC üblich, in Fassstärke daher und weist einen Alkoholgehalt von 64,5 % vol. auf. 

Destillationsverfahren: der Rum entstammt einer Double Retort Pot Still. 

Mark: DOK (Dermot Owen Kelly-Lawson)

Farbe: blass goldenes Stroh.

Viskosität: enge, dünne, parallele Schlieren fließen an der Glaswand herab und verweisen auf einen eher jungen Rum. 

Nase:
 die Erinnerungen und Parallelen zum Letter of Marque sind natürlich unübersehbar! Insbesondere im Crosstasting der beiden nebeneinander wird das deutlich, allerdings bringt der TRC natürlich schon einiges mehr an Reife und Holz mit, was ich als äußerst positiv empfinde. Er ist so gesehen runder, aber selbstverständlich noch immer so ungestüm, wie man es von einem Hampden DOK erwartet. Der Alkoholgehalt ist merklich hoch, aber nicht unangenehm störend. Nach ca. 20 Minuten kommt der Rum dann gar und gar smooth daher und von alkoholischer Schärfe bleibt gar nichts mehr übrig. Assoziationen zu flüssigem Klebstoff, Lösungsmitteln, Marzipan, gegrillter Ananas, gebackener Banane, nasser Erde, Zitrone, Antipasti und geräuchertem Schinken, wie ich sie beim LOM hatte finde ich auch im TRC wieder, aber eben in deutlich fortgeschrittenem Stadium. Ich meine, man darf man nicht vergessen, dass der Rum zwar schon viereinhalb Jahre älter, aber nun mal auch erst dreizehn Jahre alt ist.

Gaumen: ... und da scheppert's auch direkt! Wumms! Wie ein Schnellzug gegen ein Fahrrad schlägt der Rum am Gaumen ein und verursacht ein absolutes Ester-Inferno! Denn auch hier kann man im Grunde alles an Eindrücken wiedergeben, was auch beim LOM schon Phase war, nur, dass das ganze nun eben deutlich harmonischer daherkommt, wenn man sich zu diesem Wort bei so etwas wie einem DOK denn durchringen kann. Der Rum ist dementsprechend unfassbar mundfüllend und wahnsinnig adstringierend. Es zieht einem regelrecht die Schleimhäute zusammen. Der Säure-Anteil ist Mark-bedingt hoch. Natürlich merkt man dem Rum auch die Fassstärke an, aber ich empfinde diese hier als passend und würde sie dementsprechend auch nicht missen wollen. Der Alkohol ist super eingebunden und britzelt nur zu Beginn etwas auf der Zunge (wobei man mit größeren Schlucken durchaus vorsichtig sein sollte). Danach kommt dann auch dementsprechend einfach nur noch Flavour! Ein Bombardement an Estern, gegrillter Ananas, reichlich Obst, Toffee, Antipasti und etwas erdig-muffigem finde ich am Gaumen ebenso wie deftige Chorizo. Die Komplexität die mir beim LOM noch etwas gefehlt hat finde ich hier schon sehr viel eher, auch wenn dieser Rum natürlich auch noch keine zwanzig Jahre oder älter ist. Beim LOM empfand ich den Reifegrad damals als schon beinahe ausreichend, allerdings bleibt insbesondere im Quervergleich kein Zweifel darüber, dass der TRC um einiges ausgewogener auftritt und ihm das mehr als gut zu Gesicht steht. Ein Brett! 

Abgang: Hampden typisch verweilt der Rum nun schon sehr viel deutlicher am Gaumen und begleitet mich bis zum nächsten Morgen. Gegrillte Ananas kommt immer wieder, dazu Toffee und Antipasti. Hier zeigt sich der Reife-Zugewinn beim TRC deutlich! 

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Fazit:
 ich muss ja gestehen, dass das Thema DOK für mich eigentlich schon sehr durch war. Man bekam dazu in den letzten Jahren einiges geboten und das mystische, das diesen Stil lange umgab, ging so ein wenig verloren. Jeder, der da im Thema steckt kennt inzwischen Hampden DOK. Und dennoch hatte der LOM Stoff von damals mit noch einmal viereinhalb Jahren Reife on top auf Grund der persönlichen Verbindung seinen Reiz für mich, war dieses Fass doch etwas sehr besonderes für mich. Daher traf es sich auch vorzüglich, dass dieses Release und das zehnjährige Jubiläum von BAT so zusammenfielen, schließlich war nicht nur dieser DOK ein wichtiger Wegbegleiter während all der Jahre, sondern auch die Zusammenarbeit mit Jens und TRC währt insgesamt nun schon neun dieser zehn Jahre. Daher repräsentierte diese Abfüllung in gewisser Weise alles, wofür der Blog aus meiner Sicht immer stand: Nerd-Stoff, Neugierde, der unermüdliche Antrieb euch da draußen für eben jenen Stoff zu begeistern und zu gewinnen und über diesen Weg meinen Teil dazu beizutragen, dass solche Bottlings (anders als zum Start von BAT, als wir sehr auf dem Trockenen saßen) überhaupt möglich sind.
Mit der steigenden Nachfrage stieg im Laufe der Jahre aber auch nicht nur das Angebot, sondern es stiegen auch kontinuierlich die Preise. Und das Preisleistungs-Verhältnis bei diesem DOK fällt mir offen gestanden auch schwer zu beurteilen. Ich weiß ja noch, zu welchem Kurs der LOM damals kam. Und da das Fass folglich bereits 2018 gekauft war, kamen seit dem im Grunde nur Lagerkosten und geringfügig Schwund an Liquid dazu, die einen Preis von über 100% mehr im Vergleich zu damals sicher nicht notwendig gemacht haben. Das schmeckt nicht jedem und ich müsste lügen, würde ich behaupten, dass ich derlei Kritik nicht nachvollziehen könnte. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ich jeden Händler verstehen kann, der keine Lust mehr hat dabei zuzusehen, wie Bottlings innerhalb von Minuten ausverkauft werden und wenig später auf Rum Auctioneer  etc. zu deutlich höheren Kursen weggehen. Die Kunst liegt meines Erachtens dementsprechend darin, einerseits diejenigen, die ihre Flaschen wirklich noch aufmachen und den Stoff lieben nicht zu verprellen und andererseits den Flippern die Taschen nicht vollkommen widerstandslos zum eigenen Nachteil voll zu machen. Ob da ein Gleichgewicht gelungen ist, muss jeder mit sich ausmachen und darauf basierend eine Kaufentscheidung fällen, aber ich finde, wie erläutert, für beide Seiten Argumente und glaube, dass es der Markt auch ein Stück weit richtet. Beispiele für Bottlings, die wie Blei in den Regalen liegen findet man schließlich zuhauf und der heute verkostete Rum gehört mit einer Verweildauer von ein paar Minuten im Shop am Freitag definitiv nicht dazu. 

-ohne Score-Wertung-


Der TRC - DOK im Mai Tai:

Und ja, wenn schon denn schon! Der Mai Tai war für mich und auch auf diesem Blog hier schon immer eine Herzensangelegenheit und so komme ich gar nicht daran vorbei, schon gar nicht zum zehn jährigen, auch diesen High Ester Rum in meinem Lieblingsdrink auszuprobieren. Ich gebe zu, mein persönlicher Geschmack hat sich da in den letzten Jahren etwas verschoben, dahingehend, dass mir gemäßigtere Jamaica Rums im Mai Tai etwas besser gefallen, aber der Versuchung eines Hampden DOK mit dreizehn Jahren Reifezeit in diesem Tiki Klassiker kann ich natürlich nicht widerstehen. 



Das Rezept meiner Wahl (nach Trader Vic):

  • 6,0 cl The Rum Cask Jamaica Rum 12 YO Hampden DOK 2009
  • 1,5 cl Ferrand Dry Curacao 
  • 1,0 cl Meneau Orgeat
  • 0,5 cl J.M. Zuckersirup
  • 3,8 cl Limettensaft (frisch gepresst!)


Die Anmutung im Glas ist gewohnt und vertraut, der Drink ist sehr hell und ein wenig ins milchige gehend, wie immer, wenn ich den Mai Tai mit eher jungen, kontinental gereiften Hampden zubereite. 

Geschmacklich dann, wie schon in der Pur-Verkostung, die absolute Explosion! Sehr, sehr geil! Ein absolut intensiver, dabei aber smoother, fruchtiger Mai Tai, eine absolute Aromenbombe! Während ich den Mai Tai mit dem Letter of Marque noch eher in einer Kombination gemixt habe, sprich diesem einen noch etwas reiferen Rum an die Seite gestellt habe um mehr Tiefgang und Komplexität in den Drink zu bringen hat das der TRC defintiv nicht nötig. Zwar merkt man auch hier, dass der Rum im Drink keine zwanzig Jahre alt ist, aber dieses etwas farblose (im wahrsten Sinne) hat er nicht mehr. Wer mal einen Mai Tai mit ungereiftem Rum probiert hat, der weiß was ich meine. Bei denen sieht man das natürlich am deutlichsten. Der hohe Alkoholgehalt des Mai Tai bereitet keinerlei Probleme, er lässt sich sehr entspannt trinken. Natürlich profitiert er auch nochmal etwas von der Verwässerung, was für mich aber ein eher positiver Aspekt ist, heißt dies doch vor allem, dass man sich mit dem Genuss auch länger Zeit lassen kann, ohne Sorge haben zu müssen, dass der Drink durch zu viel Schmelzwasser in seiner Qualität merklich einbüßt. Alle Zutaten harmonieren miteinander und machen, was sie im Mai Tai zu machen haben: der Rum steht im Vordergrund, die anderen Zutaten setzen ihn in Szene, ohne von ihm erschlagen zu werden. Wunderbar! 

Fazit: 

Kann man machen! Klar, den Diskurs darüber ob Rums mit einem solchen Preisschild in einen Drink gehören führe ich, seit ich Rums mit diesen Preisschildern in eben jenen Drinks vermixe. Aber ich stehe da absolut zu meiner Haltung, dass ein Drink wie der Mai Tai einen Mehrwert für einen Rum wie den DOK darstellt, weswegen es für mich keinen Grund gibt es nicht zu tun. Noch dazu kommen leider immer weniger Rums auf den Markt, deren Preisschild mir merklich besser gefällt und die aber eine vergleichbare Qualität wie die hier dargebotene zu bieten haben. Da haben sich die Zeiten einfach geändert, ein Nerd Stoff wie dieser fliegt eben nicht mehr unter dem Radar und man kann eben nicht alles haben. Gäbe es diesen Markt in der Form nicht, käme auch der Stoff nicht in den Handel. Insofern bin ich da mit allem fein! Wird wieder gemixt!

PS: den TRC Jamaica Rum 12 YO Hampden DOK 2009 könnt ihr, wie so viele andere Rums, natürlich auch auf RumX verkosten und bewerten! 


Bis demnächst
Flo

Sonntag, 31. Juli 2022

Grape of the Art Armagnac 32 YO Domaine Séailles 1988

Liebe Rum Gemeinde,

nach über einem Jahr Abstinenz möchte ich mich heute nicht mit einem Rum, sondern mit einem Armagnac zurückmelden, den ich vorab verkosten durfte, nämlich dem aktuellen Bottling von Grape of the Art, dem Domaine Séailles aus meinem Geburtsjahr 1988!



Armagnac, wird sich jetzt möglicherweise der eine oder andere fragen, seit wann trinkt der Flo Armagnac? Zugegeben, meinen ersten Armagnac hatte ich gerade einmal vor ein paar Monaten im Glas. Und auch wenn ich im Bereich Armagnac, Cognac und Weinbrand im Grundsätzlichen noch ein Greenhorn bin, so haben mich die ersten Bottlings von Grape of the Art vor einigen Monaten, und hier insbesondere der Domaine Séailles 2000, sowie ein High End Tasting von Sascha Junkert (armagnac.de) dann doch ziemlich schnell auf den Geschmack gebracht. Den Großteil der Grape of the Art Truppe kenne ich darüber hinaus teils seit vielen Jahren persönlich (wenn auch aus dem Rum Bereich) und so war mir doch irgendwo klar, dass es sich definitiv lohnen würde dort einmal einen Blick hin zu riskieren, denn die Jungs vereinen jede Menge Fachkompetenz auf sich, auf die man sich im Zweifel auch verlassen kann, ohne vorher selbst probiert zu haben. Auch vielen Lesern dürften einige der Gesichter von Grape of the Art aus der Rum Community bekannt vorkommen, und da bin ich dann auch direkt beim nächsten Punkt. 

Denn, und das muss ich an dieser Stelle dann glaube ich auch direkt schon betonen, ich sehe mich selbst nach wie vor in erster Linie als Connaisseur von Rum und begegne auch dem Armagnac dementsprechend. Das bedeutet, dass ich vor allem auf den Stoff schaue, der in seinem Profil denen der Rums die ich gerne mag nicht unähnlich sind. Natürlich, es sind zwei unterschiedliche Spirituosen, aber mir fiel doch direkt auf, dass je näher ein Armagnac in seinen Assoziationen dem Rum ist, desto mehr die Chancen steigen, dass er meinen Geschmack trifft und der Umkehrschluss gilt ebenso. Ist Armagnac dann also nur Rum auf Wish bestellt?😈 Nein, auf keinen Fall! Denn wie gesagt, auch wenn ich persönlich in sehr ausgewählten Armagnacs eher ein Substitut für den doch über alle Maßen teuer gewordenen Rum suche, so darf nicht vergessen werden, dass es sich dabei um eine vollkommen eigene Spirituose handelt, die, gemessen an dem was sie zu bieten hat, vollkommen zu unrecht so lange unter dem Radar lief und gemessen an Rum oder gar Whisk(e)y ja auch noch immer läuft. Daher bin in Bezug auf Armacnac in seiner ganzen Vielfalt wohl eher ich einfach nur ein Banause, aber dafür kann ja der gute Stoff ja nichts. Es ist für den Leser nur entscheidend hinsichtlich der Bewertungen und Interpretationen meiner Reviews. Ich jedenfalls kann, ganz unabhängig von meiner eigenen persönlichen Präferenz nur jedem der das bisher noch nicht getan hat empfehlen, sich hier ein wenig ins Thema einzutrinken und zu schauen, wo für ihn ganz persönlich die Reise hingeht. Und wer weiß, vielleicht ändert sich mein Armagnac Geschmack ja auch noch. Im Rum Bereich hat es bei vielen Stilen auch erst ein paar Anläufe gebracht.  

Nun seid ihr es von mir gewohnt, noch einiges an Theorie zum flüssigen Stoff an die Hand zu bekommen und so könnte ich euch jetzt über Armagnac im Allgemeinen und die Domaine Séailles im Speziellen natürlich ein wenig Wissen aus dem Netz zusammentragen, aber das Thema Armagnac ist, wie Rum auch, einfach ein wahnsinnig komplexes und es bedarf eingehender Beschäftigung damit, um es wirklich zu durchdringen. Welche Anbaugebiete gibt es da, aus welchen Trauben wird der Armagnac gebrannt (in diesem Fall Ugni Blanc), wie wird der Stoff gelagert, welche Regeln gibt es (sehr viele und sehr strenge!)? Ich bin da selbst auch erst ganz am Anfang und mag dementsprechend nicht so recht zu einem Thema dozieren, dass ich selbst noch nicht zumindest in wesentlichen Teilen voll erfasst habe. Daher empfehle ich euch für den theoretischen Teil letzten Endes eher, einfach bei Sascha auf der Seite zu stöbern, wenn ihr das nicht eh längst schon hinlänglich getan habt. Dort erfahrt ihr wesentlich mehr als ich euch erzählen könnte und ihr erfahrt es vor allem aus wesentlich kompetenterer Hand. Ich dagegen werde mich nun ganz der sensorischen Erfassung des Grape of the Art Domaine Séailles 1988 widmen, wie gesagt, aus der Sicht eines Rumtrinkers.

Aus Gründen der Transparenz sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass ich ein Sample zur Verkostung dieses Armagnacs gratis erhielt. Auf meinen Geschmack und die Bewertung hat dies selbstverständlich aber keinen Einfluss. Wie bei allen meinen bisherigen Reviews, ist auch bei diesem kein Geld geflossen. 

Crosstasting Domaine Séailles 1988 vs. 2000


Verkostung des Grape of the Art Armagnac 32 YO Domaine Séailles 1988:


Preis: der Ausgabepreis für eine Flasche a 0,7 Liter beträgt 130,- Euro. Release-Date war Freitag, der 29.07.2022.

Alter: der Armagnac reifte offiziell von April 1989 bis November 2021 im Fass und ist damit 32 Jahre alt. Diese Angabe mag für einen Rum oder Whiskytrinker merkwürdig klingen, angesichts dessen, dass das Destillationsjahr von 1988 datiert. Tatsächlich lag der Armagnac auch seit seiner Destillation 1988 bereits im Fass und begann zu reifen, doch die offizielle Zählung, so erklärte mir Rob Bauer von Grape of the Art, beginnt für alle Armagnac erst am 1. April nach dem Erntejahr, da bis zum 31. März jeweils noch destillliert werden darf. Offiziell reifte der Domaine Séailles 1988 also erst ab 1. April 1989. Ich sagte ja oben bereits: strenge Regeln ;-)

Lagerung: die Reifung erfolgte im Gebiet Armagnac Ténarèze in Süd-West-Frankreich. 

Fassnummer: Fass #76 ergab 205 Flaschen a 0,7 Liter.  

Angel's Share: keine Angabe. 
 
Alkoholstärke: der Armagnac kommt mit smoothen 50% vol. daher, was aber -trotz des glatten Werts- der Fassstärke entspricht!

Destillationsverfahren: der Armagnac wurde von Roger Laberenne in einem sog. Alambic Armagnacais destilliert, einer Column Still.  

Mark: /

Farbe: tiefes Mahagoni.

Viskosität: der Armagnac bildet fette, eng und parallel verlaufende Schlieren, die am Glas zu kleben scheinen. 

Nase:
 während mich der Séailles 2000 in der Nase noch total an einen tropisch gereiften Demerara Rum aus Diamond erinnert hat und das im direkten Vergleich auch jetzt wieder tut, geht die Assoziation beim 1988er Séailles doch sehr viel mehr in die Richtung Jamaica und Monymusk EMB Mark oder auch zum RA Trinidad Rum T.D.L. 2001. Da sind klare, intensive Klebstoffnoten und viel Holz in Form von krassen Tanninen, allerdings keinesfalls zu viel. Gefällt mir vom Start weg sehr, sehr gut! Der Armagnac kommt in der Nase sehr stark daher mit einem ausgesprochen gut eingebundenen Alkoholgehalt, wobei dieser ja auch nicht so wahnsinnig hoch ist. Ich habe darüber hinaus etwas Röstaromen, Tabak, Kakao, Leder, Minze, Anis, Trockenfrüchte, Zitrusnoten, sowie tropische Früchte. Und ja, das klingt mal original wie die Beschreibung eines Rums, wie ich ihn oben erwähnt hatte, aber ich würde hier blind auch fraglos auf einen solchen tippen, und wenn nicht auf einen EMB oder TDL, dann aber auf jeden Fall auf einen anderen Rum. Dass es sich hier um einen Armagnac handelt, würde ich niemals vermuten! Wenn man es weiß, dann findet man nach einiger Zeit des Atmens auch die Trauben, die kommen stärker durch, je länger er atmet, aber in einem Rum-Blindtasting würde ich auf keinen Fall stutzig werden. Faszinierend, wie eng solch komplett unterschiedliche Spirituosen in ihren Assoziationen dann doch beisammen liegen können! 

Gaumen: am Gaumen bemerke ich zunächst einmal zwei Dinge direkt: erstens die 50% vol. sind sehr gut eingebunden und kommen auch nicht zu wässrig daher (eher samtig, cremig und nur leicht adstringierend), und zweitens die Trauben! Im Gegensatz zur Nase verrät der Gaumen mir doch sehr direkt, dass es sich bei diesem Destillat nicht um einen Rum zu handeln scheint. Dieses Phänomen habe ich aber bereits bei einigen Weinbränden bemerkt, dass die Nasen denen von Rums wirklich zum Verwechseln ähneln, diese Parallelen aber am Gaumen etwas zurückgehen und der Weinbrand heraus tritt. Nichts desto weniger bleiben hier aber auch die Assoziationen zum Rum bestehen und zwar vor allem wieder zu EMB und T.D.L. 2001. Die Minze gepaart mit intensiven Tanninen aber auch trockenem Holz ist wahnsinnig präsent und starke Zitrusnoten sind vorhanden. Der Armagnac kommt schwer und mit einer wirklich beeindruckenden Intensität daher, die ich ansonsten tatsächlich nur vom Rum her kenne. Ich nehme, über die Trauben hinaus, auch tropische Früchte wahr, dazu etwas leicht nussiges und peripher ein Regal voller Gewürze und etwas leicht strohiges-vegetales. Sehr stark! 

Abgang: ein wunderbar langer Abgang! Schwere Tannine verweilen für eine ganze Zeit am Gaumen und Espresso gesellt sich dazu, was mich an alte Skeldons aus den 1970s denken lässt. Das ist wirklich geil! 

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Fazit:
 ein ganz starkes Brett! Der Armagnac kommt wahnsinnig intensiv, gleichzeitig aber auch super smooth daher. Er lässt sich entspannt in der Sonne sippen ohne mich auch nur die Spur zu langweilen. Er beschäftigt mich, ohne mich auch nur im Ansatz zu überfordern. Das mag ich sehr gerne! Einzig, ein paar mehr Prozente hätten ihm möglicherweise noch gut zu Gesicht gestanden, etwa im Bereich des Domaine Séailles 2000, aber ansonsten bleiben da bei mir wirklich keine Wünsche offen. Wie gesagt, ich habe im Bereich Armagnac quasi keine Referenzen vorzuweisen und sehe das ganze komplett durch die Brille eines Rum Lovers, aber was ich sehe gefällt mir hervorragend! Eine Mischung aus tropisch gereiftem EMB Monymusk, T.D.L. 2001 und einem Hauch Old School Skeldon zum Ende hin. Einmal mehr geflasht bin ich auch davon, wie trotz einer in wirklich jedem Punkt unterschiedlichen Herstellung (Melasse vs. Traube, Pot vs. Column Still, tropische vs. kontinentale Reifung,...) zwei Destillate entstehen können, die einander so sehr ähneln. Das ist äußerst faszinierend! Faszinierend ist darüber hinaus auch das Preisniveau im Bereich Armagnac. Gerade einmal 130,- Euro werden für eine Flasche Domaine Séailles 1988 a 0,7 Liter aufgerufen! Es ist Jahre her, dass man einen Rum in dieser Qualität und mit diesen Randdaten zu einem solchen Kurs bekommen hat! Schön, dass das beim Armagnac zur Zeit noch klappt. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass diese goldenen Zeiten angesichts der vollkommen eskalierten Preise im Rum- und Whisky Bereich auch nicht ewig anhalten. Denn es schauen sich aus diesen Communities längst schon nicht mehr nur einzelne auch im Weinbrand um, um auch mal wieder Flaschen aufzumachen ohne gleich automatisch hohe drei- oder gar vierstellige Beträge damit abzuschreiben. Aber wenn man sich Qualitäten wie diese ansieht, dann kann ich nur sagen: absolut nachvollziehbar und zurecht! Zumal man hier als Rum Lover, insbesondere bei den Grape of the Art Bottlings, quasi bedenkenlos zuschlagen kann. Man merkt einfach, dass die Jungs auch aus dem High End Rum Bereich kommen und ob bewusst oder unbewusst, spiegelt sich dieser Umstand meines Erachtens auch in deren bisherigen Bottlings wieder. Mir kann es nur Recht sein und ich werde die Releases der Jungs weiterhin auf meinem Radar haben!

-92/100-


Bis demnächst
Flo