Sonntag, 6. Januar 2019

BAT: Bewertungssytem / Scoring

Liebe Rum Gemeinde,

ich habe Gedanken in die Richtung eines Bewertungssystems in meinem Jahresrückblick bereits angesprochen und mich abschließend meiner Überlegungen nun ebenfalls dazu entschlossen, die hier vorgestellten Rums am Ende meiner Verkostung auch zu bewerten. Zwar sehe ich noch immer nicht alle Schwächen eines Scoring-Systems, allen voran des 100er-Scoring Systems, behoben, allerdings hat sich diese Art der Bewertung international inzwischen derart etabliert, dass es für Menschen aus vielen Ländern der Erde, die sich für Rum interessieren, nun mehr möglich ist, eine solche Wertung einzuordnen, ohne sich zuvor allzu intensiv mit den Individualitäten eines solchen Rankings zu beschäftigen. Diese Möglichkeit möchte daher auch ich meinen Lesern in Zukunft geben und deshalb die Rums anhand der bekannten Skala von 0-100 Punkten bewerten.


In meinen FAQ stand bis zum heutigen Tag:
"Ich kann einer Punktewertung vor allem aus zwei Gründen nicht viel abgewinnen:
Erstens, weil man kaum verhindern kann, dass Reviews dann von außen sehr gerne genau darauf reduziert werden. Das ist nicht nur schade, sondern auch unfair dem Rezensenten gegenüber. Das hat, ohne arrogant klingen zu wollen, auch etwas mit dem eigenen Anspruch zu tun. Verzichtet man auf die Punktevergabe, so bleibt dem Leser nichts anderes übrig als mehr oder weniger das ganze Review oder zumindest mal das gesamte Fazit zu lesen. Man verhindert, dass man unfreiwillig reduziert wird und geht sicher, dass man tatsächlich vermittelt, was man vermitteln wollte. Genau das ist mein Anspruch und ich möchte diesem gerecht werden. Ich vermeide bewusst die Möglichkeit, dass der Leser weniger bekommt als ihm zusteht.  
Und zweitens sind Punkte etwas extrem subjektives. Sie sagen einzig etwas darüber aus, wie gut oder schlecht ich als Rezensent den Rum empfand, nicht aber darüber, wie viel ihr Leser mit dem Rum anfangen könnt. Und darum, dass ihr als Leser etwas damit anfangen könnt geht es mir als Rezensenten doch letztendlich. Da kommt dann wieder mein eigener Anspruch ins Spiel. Und mein Anspruch ist, dass der Leser hinterher mehr über sich selbst in Bezug auf den Rum weiß als über mich und den Rum. Siehe dazu auch vorangegangene Frage."

Das möchte ich nicht nur einfach aus den FAQ entfernen, sondern darauf Bezug nehmen und die Änderung meiner Meinung gerne offen vertreten.
Dabei gilt es für mich festzuhalten, dass sich meine Meinung im Grundsatz nicht wesentlich verschoben hat. Ich sehe eine Benotung nach wie vor kritisch, allerdings hinterfrage ich auch permanent meine Positionen und habe ich mich dazu entschlossen, verstärkt an eure Eigenverantwortung als meine Leser zu appellieren, anstatt, dass ich euch in gewisser Hinsicht bevormunde. Ja, ich habe einen nicht unwesentlichen Anspruch beim Schreiben meiner Reviews und Texte und ja, ich befürchte, dass ein Teil meiner Arbeit am Ende nicht bei allen ankommen könnte, wenn eine Note darunter steht. Aber ich denke, dass ich besser damit beraten bin mich darauf zu verlassen, dass die, die meine Arbeit wertschätzen, sich auch weiterhin die Zeit nehmen und die Mühe machen werden meine Reviews von vorne bis hinten zu lesen, weil sie sonst nach wie vor das beste verpassen würden, als damit, mich einer einheitlichen und internationalen Vergleichbarkeit gänzlich zu entziehen. Dieser Blog ist ein Angebot an euch alle da draußen. Dieses Angebot war denke ich bisher nicht schlecht und ich sehe die zusätzliche Benotung daher auch als genau das: als ein zusätzliches, weiteres Angebot, nicht als einen Ersatz oder eine Alternative. Denn ich möchte doch betonen, dass die Review und nicht zuletzt das Fazit nach wie vor die Haupt-Aussagekraft in meiner Arbeit zukommen sollen und werden, von denen die Note nicht losgelöst betrachtet werden sollte. Denn nochmal: letztere dient ausschließlich dazu, die Beurteilung einfacher in Relation und Verhältnis zu sowohl anderen Bloggern als auch vor allen Dingen zu sich selbst setzen zu können und aus diesem Grund habe ich mich auch, trotz aller Schwächen, für die Skala von 0 bis 100 Punkte entschieden.

Dementsprechend habe ich mich dazu entschlossen, das Rad nicht neu zu erfinden und orientiere mich bei der Bewertungsskala von 0-100, wie auch mein Kollege Marius, stark an der Skala, wie sie die Rumaniacs oder auch mein ehemaliger Blogpartner Marco von BAM in leicht abweichender Variante verwenden. Ich erlaube mir daher ebenfalls hier und da ein paar eigene Formulierungen, auch, weil ich möglichst klare, nachvollziehbare und, so weit wie möglich, auch überprüfbare Abstufungen vornehmen möchte. Ein Scoring-System ist für mein Empfinden mehr als nur ein reines Ranking, welches die Rums letztlich nur im Verhältnis betrachtet. Ein Rum sollte nicht deshalb 92 Punkte bekommen, weil er besser als einer mit 91 aber nicht ganz so gut wie einer mit 93 Punkten ist, sondern ein Rum sollte 92 Punkte bekommen, weil er exakt dieses oder jenes Kriterium dafür erfüllt. Eine universelle Lösung dazu habe ich bislang leider auch nicht gefunden, und aus genau diesem Grund ist es eben auch so wichtig, dass man das Review als ganzes sieht, damit bei einer etwaigen schlechteren Beurteilung vielleicht auch klar wird, wo genau der Rum möglicherweise an Punkten eingebüßt hat und warum. Nur auf so kann man für sich selbst am Ende dann auch brauchbare Schlüsse ziehen.


Die Bewertungs-Skala:

PunkteRumaniacsBarrel Aged Thoughts
100Exceptional Rums, MinorityPerfekter Rum.
95 - 99Exceptional Rums, MinorityAbsolute Legenden des Rums. Nahezu perfekt. Keine wahrzunehmenden Fehler.
90 - 94Exceptional Rums, MinorityExtrem hohe, seltene Qualität. Nahezu fehlerfrei.
85 - 89Highly recommended Rums, Special Ones, ExcellentSehr gute Rums mit kleinen Schwächen.
80 - 84Recommended Rums / Quite goodGute Rums, aber mit Schwächen.
75 - 79Better than AverageÜberdurchschnittliche Rums, aber mit deutlichen Schwächen.
70 - 74Below AverageUnterdurchnittliche Rums
50 - 69Not very goodZum Mixen Rum-betonter Drinks noch geeignet.
30 - 49Not very goodNur noch zum Mixen von Drinks ohne höheren Anspruch geeignet.
1 – 29Not very goodWürde ich weder kaufen noch verwenden. Ungenießbar.



Die bekannten Schwächen der Skala von 0-100:

Ich war, seit dem ich Rum genieße, immer ein Freund der 10er-Skala. Ein Rum mit 5-6 Punkten war nicht dolle, aber das war noch immer eine gute, durchschnittliche Bewertung und vor allem hieß das keinesfalls, dass der Rum untrinkbar war. Rums für 20-30,- Euro mit dieser Bewertung haben wir durchaus als Preis-Leistungs-Verhältnis-Knaller gesehen. Durchschnittlicher Genuss zu günstigen Konditionen. Adaptiert man diese Einordnung jedoch auf die 100er Skala, was mathematisch wenig komplex scheint, dann landet man bei 50-60 Punkten. Und hier wird es dann auch schon spannend, denn was bedeuten jetzt 50-60 Punkte? Laut des Scoring-Systems der Rumaniacs beispielsweise bedeutet alles unter 70 Punkten: "nicht sehr gut". Laut Marco, meinem ehemaligen Partner, von Barrel Aged Mind bedeutet das einen Rum "mit vielen Fehlern die den Genuss behindern". Im Alko-Blog heißt es dazu sogar: "Mittelmäßige Spirituose. Nicht unbedingt schlecht, aber viel kann man nicht erwarten.". Nicht, dass der Alko-Blog für mich unbedingt eine Referenz darstellt, aber es zeigt doch auf, wie deutlich unterschiedlich die Skala zum Teil ausgelegt wird und wie schwankend die Interpretation sein kann, zumindest auf dem Papier, von "nicht sehr gut" bis "mittelmäßig". Denn nun kommen wir zur eigentlichen Schwäche, nämlich der realen Interpretation. Und da erlebe ich es, dass de facto jede Bewertung eines Rums unter 80 Punkten eine quasi Vernichtung des Rums darstellt. Aus 5-6 Punkten werden plötzlich also eher 70-80 Punkte. Letzten Endes bedeutet das daher nicht weniger, als dass sich die Bewertung hochwertiger Rums eigentlich nur innerhalb einer 20er bis maximal einer 30er Skala abspielt. Alles darunter fällt nahezu weg. 


Mögliche Verbesserungen:

Der Gedanke dahinter ist für mich zwar nachvollziehbar, denn ganz offensichtlich möchte man auch schlechten, aber trinkbaren Rum von grauenhaftem anderweitigen Fusel abgrenzen, so dass schlechter Wodka mehr oder weniger im Bereich dessen liegt, was für hochwertige Rums gar nicht genutzt wird. Das finde ich gut und sinnvoll, um tatsächlich das gesamte Spektrum abbilden zu können, aber ich wäre da eher ein Befürworter dessen, dass man für derlei die Skala dann nach unten, also noch unter Null, in den negativen Bereich erweitert, so dass im oberen, im positiven Bereich auch nur Rums liegen, die positive Eigenschaften haben. Ein grausiger Wodka könnte dann bei -40  Punkten liegen, anstatt bei +10 Punkten. Klar, das wäre letztlich nur eine Verschiebung der Koordinaten, aber mir gefiele es dennoch einfach besser, positives im positiven Bereich zu bewerten und negatives im negativen Bereich. Derzeit liegt dann eben auch der negative noch im positiven Bereich.
Wäre ich motiviert, ein solches Wertungs-System zu konzipieren? Ja, ich denke, dass wäre ich auf jeden Fall, allerdings bin ich auch Realist genug um zu wissen, dass ich damit nicht ein absolut etabliertes System umstoßen werde. Klar, ich könnte dieses System nur für mich selbst ausarbeiten, eine Skala von -50 bis +50 bauen und anhand dieser Skala für mich bewerten. Aber dann fiele genau das wieder weg, worum es mir dabei doch eigentlich geht, nämlich die internationale Vergleichbarkeit. Dann bewerte ich einen Top Rum mit 48 Punkten, aber um zu erkennen, was das bedeutet, müsste man sich intensiv mit meinem Scoring-System auseinander gesetzt haben und genau das wäre dann nicht Sinn der Sache. 


Meine Intention:

Ein Leser soll, egal aus welchem Land er kommt und unabhängig davon, wie gut der Google-Übersetzer funktioniert wissen, wo ich den Rum in Zahlen ausgedrückt, sehe. Bewerte ich einen Rum mit 90 Punkten, dann weiß man inzwischen rund um den Globus, dass das guter Stoff zu sein scheint. Und hier wiederum kommt mir einer meiner Grundsätze entgegen, nämlich, dass ich fast ausschließlich über Rum schreibe, der mir gefällt, nicht über solchen, der mir nicht gefällt. Viele Blogger bilden eine breite Palette an verschiedener Qualität ab und verreißen schlechten Rum dann dementsprechend auch. Ich werde manchmal gefragt, warum ich fast alles positiv bewerte und kaum sage, wenn mir ein Rum nicht gefällt und antworte dann immer genau das. Ich spreche kaum über das was mir nicht gefällt. Ausnahmen tauchen eigentlich nur dann auf, wenn Rums in mein Beuteschema passen, wenn sie Talk of the Town sind, mich aber enttäuschen. Dann bilde ich das gelegentlich auch ab. Aber zumeist halte ich mich doch an den Rum der mir gefällt und daher werde ich mit dem Bewertungsbereich, ab dem ich die 100er Skala besonders kritisch sehe, tendenziell wenig in Kontakt und damit auch nicht in Konflikt kommen. Das ermöglicht es mir, diese Wertung auch guten Gewissens für Barrel Aged Thoughts einführen zu können und in Zukunft werdet ihr die Skala jederzeit abrufbar an einer Leiste oben am Header finden. 


Abschließende Gedanken:

Marco Freyer, mein ehemaliger Partner auf diesem Blog und Betreiber von Barrel Aged Mind, hat sich vor einigen Jahren ebenfalls mit der Frage nach der Benotung von Rums beschäftigt und in vielen seiner Fragen und Bedenken erkenne ich durchaus auch eigene Gedanken wieder, die ich mir mache. Insbesondere ein acht Punkte umfassender Schlüssel dazu, wie Bewertungen unter Berücksichtigung der eigenen Vorlieben zustande kommen hat mich sehr inspiriert, weswegen ich mir daran ein Beispiel nehmen und euch ebenfalls gerne kurz darlegen möchte, was mich bei der Bewertung meiner Rums maßgeblich beeinflussen wird.


  • Meine Bewertungen entsprechen meiner persönlichen Meinung und meinem Geschmack. Sie sind subjektiv zu betrachten.  
  • Ich habe eine Vorliebe für Rums des britischen Stils, vor allem für die Rums aus Jamaica, für die ehemalige Caroni Distillery auf Trinidad und für die Rums aus der barbadischen West Indies Rum Distillery, die unter dem Namen "Rockley" bekannt wurden.
  • Neben meiner Vorliebe für Rums des britischen Stils ist es meinen regelmäßigen Lesern ebenso bekannt, dass ich eine tendenzielle Abneigung gegenüber Rums des spanischen oder des französischen Stils hege. Dies wird sich in meinen Bewertungen möglicherweise widerspiegeln. Sollte ich das Gefühl haben, einen Rhum oder einen Ron aus diesen Gründen nicht fair bewerten zu können, halte ich mir die Option offen, auf eine Bewertung in Punkten auch gänzlich zu verzichten. 
  • Ich stehe auf den Mai Tai und andere tolle Drinks mit Rum und manchmal stelle ich Rums vor, die darin funktionieren, pur aber nicht. Hier sollte die Benotung also ganz besonders in Zusammenhang mit dem Fazit betrachtet werden. 
  • Rums, die künstlich nachgesüßt oder gar mit anderen Zusätzen versehen wurden, entsprechen nicht meinem Geschmack. Ihr werdet sie hier daher tendenziell auch nicht finden. Sollte das einmal doch so sein, so könnte die Note entsprechend ausfallen.
  • Und natürlich kann ich auch an dieser Stelle nur nochmal betonen, dass die Benotung nicht grundsätzlich vom Review gelöst werden kann und sollte. Das wäre nicht in meinem Sinne. 


Für die früher hier auf BAT verkosteten Rums bedeutet die Einführung des Bewertungssystems, dass ich sie nachträglich benoten werde, zumindest dort, wo mir das noch möglich ist. Das ist dann der Fall, wenn ich noch Samples habe oder, in Ausnahmefällen, wenn ich den Rum häufiger im Glas hatte und ihn gut kenne. Einige Rums aber, gerade solche, bei denen die Verkostung schon viele Jahre zurückliegt, werde ich nicht mehr fair bewerten können und das deshalb auch lassen.

In Kürze wird dann hier auch das erste Review in 2019 erscheinen, welches dann auch bereits eine Bewertung erhalten wird.

Bis dahin,
Flo

HINWEIS: in einer früheren Version dieses Artikels habe ich einen Schlüssel zur Berechnung der Gesamtpunktzahl am Ende verwendet, mit der Marke von 70 Punkten als Basis. In der Praxis hat sich das allerdings als wenig tauglich erwiesen, so dass ich diese Idee schnell wieder verworfen habe und es nunmehr nur noch eine Gesamtpunktzahl am Ende geben wird. 

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