Sonntag, 21. Juli 2019

Gardel Distillery: Secret Treasures 1989 vs. Bristol 1992

Liebe Rum Gemeinde,

heute erwartet euch auf BAT einmal wieder ein R(H)UMble! Das habe ich, zumindest gefühlt, länger nicht gemacht und zu den Rums, die ich vorstellen möchte, passt das Format wie angegossen. So let's R(H)UMble! ;-)




Was liegt heute an? 

Die Reise geht heute nach Guadeloupe, genauer gesagt in die seit einigen Jahren geschlossene Gardel Distillery. Die Situation auf Guadeloupe gestaltet sich hinsichtlich seiner Vielfalt an Destillerien ähnlich dramatisch wie die auf vielen anderen karibischen Inseln. Waren es im Jahr 1775, also zum Ende des 18. Jahrhunderts hin, noch über 70 Destillerien, so sind es heute gerade einmal noch eine Hand voll, von denen Damoiseau wohl die bekannteste sein dürfte, alleine auch durch die Vielzahl an unabhängigen Abfüllungen des Jahrgangs 1998. Gardel hingegen gehört, wie eingangs gesagt, zu jenen die es heute nicht mehr gibt. Mehr noch: Gardel dürfte auch insgesamt heute nur noch wenigen Rum Freunden überhaupt bekannt sein, denn es gab kaum Rhums von dort auf dem Markt in Europa zu kaufen. Die wenigen Abfüllungen die es von unabhängigen Abfüllern gab sind seit vielen Jahren vergriffen und es kommt auch schon seit fast 20 Jahren nichts mehr nach. So sind dann folglich auch Informationen zur Destillerie leider echte Mangelware. Laut Rum Company wurde Gardel im Jahr 1870 von einem "Zuckerbaron" gegründet und produziert auch noch bis heute Zucker, allerdings wurden die Brennblasen Gardels in den 1990er Jahren abgebaut. Deswegen dürfte der Jahrgang 1992, aus dem ich heute auch einen Rum verkosten werde, abgefüllt von Bristol Spirits, wohl einer der letzten der Destillerie gewesen sein. Der andere Rhum, der parallel ins Glas kommt, stammt aus dem Jahr 1989 und kommt vom Abfüller Fassbind, die den Rum in ihrer Secret Treasures Linie releast hatten. Nun stellt sich bei mir ja schon automatisch die Frage, wie ich überhaupt dazu komme, Rhum aus den französischen Übersee-Gebieten zu besprechen, wo ich davon doch mal so überhaupt keine Ahnung habe. Was ist da los bei mir? Und tja, was soll ich da sagen, außer: weil sie mir gefallen! Ja, richtig gehört, ich bin, Agricole-Banause hin oder her, doch noch fündig geworden beim Rhum! Zunächst gefiel mir schon der 20 YO Gardel von Cadenhead bei Rene van Hoven am Stand in Köln so gut, dass ich ihn im Jahr darauf dort gleich nochmal getrunken habe. Dann aber konnte ich auch diese beiden hier probieren und, so viel sei vorab verraten, auch diese haben mich nicht enttäuscht. Das brachte Gardel auf meinen Radarschirm und so habe ich mich dazu entschlossen, ihnen hier den Raum zu geben den sie verdienen, denn Gardel hätte größere Bekanntheit durchaus verdient, wie ich finde. 

2 x Gardel Guadeloupe Rhum: The Secret Treasures 13 YO aus 1989 vs. Bristol Spirits Ltd. 10 YO aus 1992






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The Secret Treasures Guadeloupe Rhum 13 YO Gardel 1989: 

Der The Secret Treasures ist der ältere der beiden Rums. Von 1989 reifte der Rhum insgesamt 13 Jahre bis 2002 in Fässern. Ob er tropisch oder kontinental reifen durfte oder ob es eine Mischung aus beiden Wegen war, kann leider nicht mehr wirklich nachvollzogen werden. Die Farbe deutet aber, wenn nicht nachgefärbt wurde, schon sehr stark auf tropische Reifung hin. Der Rhum weist einen Alkoholgehalt von 42% vol. auf. Das ist normalerweise doch eher wenig, bei Rhum Agricole allerdings nicht zwingend ungewöhnlich. Apropos Agricole: die Frage, ob der Rum auf Zuckerrohrsaft oder Melasse basiert, ist leider ebenfalls nicht hinreichend geklärt. Cadenhead gab auf einer Gardel Abfüllung von 1980 "RHUM AGRICOLE" als Mark an, allerdings habe ich das dem Rhum geschmacklich nicht ganz abgenommen. Wie das bei den heutigen Rums aussieht, wird sich zeigen. Die Abfüllung ist inzwischen sicherlich so etwas wie eine kleine Rarität, wenn gleich ich den Wert einer Flasche schlecht schätzen oder beziffern kann. In einem lokalen Shop bekam ich sie allerdings noch zu einem ganz annehmbaren Preis! 

Im Glas fällt mir vor allem erst einmal die für 13 Jahre wirklich außerordentlich dunkle Farbe von Mahagoni auf. Diese unterstützt, wie oben bereits erwähnt, sehr eindeutig meinen Verdacht einer tropischen Reifung. In der Nase ereilt mich dann zu Beginn gleich mal ein richtiger "Wow"-Effekt! Krasser Stoff! Geiler Stoff! Gefällt mir richtig gut! Das mag bei mir sicherlich auch daran liegen, dass ich sonst, für einen Rum Nerd, ungewöhnlich selten nach rechts oder links sehe, da mein Geschmack sehr festgelegt ist und mich selten Rums außerhalb dieses Rahmens noch richtig überraschen und begeistern gleichermaßen können. Hier ist das aber der Fall und ich bin noch immer dabei, meine Sinne zu sortieren. Die Basis-Note dieses Rums ist eine, die ich so bisher gar nicht kenne, die ich allenfalls aber als grundsätzlich agricoleartig beschreiben würde, sprich, ich würde hier schon auf ein Destillat aus frischem Zuckerrohrsaft tippen. Das geht alles in eine würzig-trocken-fruchtige Richtung und da ist auch etwas leicht parfümiertes. Mir fällt es ausgesprochen schwer, einzelne Komponenten wirklich herauszuarbeiten und zu benennen: fremdes Terrain! In jedem Fall hat er aber bereits ordentlich was vom Holz mitbekommen.
Am Gaumen kommt der Rum für seine 42% vol. sehr konsistent daher, eine Verwässerung empfinde ich nicht gravierend, ebenso wenig wie jegliche unangenehme Schärfe. Der Rhum ist vollmundig, so wie es mir gefällt, und dann in erster Linie einmal lecker! Der Grundton, der auch ein bisschen was pafümiertes-muffiges hat, ist wieder vorhanden, aber vor allem fällt mir eine Intensität an Tanninen auf - der Tropfen hat viel Holz gesehen und steht auf der bitteren Seite (bitte nicht negativ verstehen!). Das ganze ist dann auch durchaus komplex und reichhaltig, auch wenn mir hier die Erfahrung fehlt, das entsprechend umfangreich zu benennen. Höchstens Anis könnte ich bestimmen.
Im Abgang wird es dann noch einmal holzig-pafümiert und bitter. Strange, aber angenehm und lecker! Dazu verweilt der Rhum doch recht lange am Gaumen... 

-89/100-


Bristol Spirits Guadeloupe Rhum 10 YO Gardel 1992:

Der zweite der heute verkosteten Rhums kommt von Bristol Spirits Ltd. Es handelt sich dabei um eine alte Abfüllung des Jahrgangs 1992, die im Jahr 2002, nach 10 Jahren Reifung, abgefüllt wurde. Auch beim Bristol ist die Frage ob tropisch oder kontinental gereift wurde ungeklärt. Farblich tendiert aber auch dieser Rhum arg zu tropischer Lagerung, so keine Färbung vorliegt, was aber bei Bristol sehr untypisch wäre. Der Alkoholgehalt beträgt die für Bristol typischen 46% vol., womit er sich unter anderen Rhums französischen Ursprungs in guter Gesellschaft befindet. Die Agricole-Frage warf ich beim Secret Treasures ja bereits in den Raum und auch hier wird uns letzten Endes nur der Geschmack wirklich weiterhelfen können. Auch der Bristol gilt als Rarität, wobei die Abfüllung preislich über dem Pendant von The Secret Treasures liegen dürfte, schon allein weil der Abfüller sehr viel gefragter ist, als es die Rums von The Secret Treasures sind. Ich erhielt von einem geschätzten Berliner Mitglied einer privaten Rum-Runde ein Sample dieses Tropfens und bedanke mich an dieser Stelle nochmal ganz herzlich dafür!

Farblich unterscheidet sich der Bristol erst einmal nicht vom Secret Treasures. Die haben beide dunkles Mahagoni und muten optisch tropisch gereift an. In der Nase erkenne ich grundsätzliche Art-Verwandtschaft, aber beide Rhums unterscheiden sich doch schon auch sehr. Der Bristol hat da in noch so einen Ton drin, den ich irgendwo her kenne und der mir nicht so richtig gut gefällt. Ich habe das Gefühl, da steckt noch irgendwas an Gebäck drin, aber ich komme nicht drauf, was es ist. Holz hat auch der Bristol schon einiges und es geht insgesamt eher in die würzig-trockene Ecke, weniger in die fruchtige. Aber auch hier: einzelne Aromen zu abstrahieren fällt mir bei diesen Rhums ganz schwer!
Am Gaumen machen sich die 4% vol. mehr, die der Bristol gegenüber dem Secret Treasures hat, aus meiner Sicht nicht wirklich bemerkbar, vielleicht minimal, aber das ist in etwa das gleiche Mundgefühl im Hinblick auf die Konsistenz. Auch unter alkoholischer Schärfe leidet der Rhum nicht. Dass es sich um zwei Rhums aus der gleichen Destillerie handelt merkt man nun allerdings noch mehr, gerade im Vergleich. Wieder ist da dieser Eindruck, den ich einem Gebäck zuordne (ohne zu wissen, ob das wirklich stimmt). Mich fuchst das richtig, dass ich nicht drauf komme, was das ist. Ansonsten empfinde ich den Bristol am Gaumen stärker als in der Nase. Die Holzeinflüsse sind da, aber geringer als beim The Secret Treasures. Nach hinten heraus ist da ein wenig Anis, das den Rum dann auch in den Abgang geleitet, gefolgt von einem ordentlichen Anteil an Tanninen. Auch der Bristol zeigt im Finish einiges an Ausdauer, das finde ich gut. 

-86/100-


Fazit: 

Gardel ist anders! Und das meine ich in höchstem Maße positiv. Schade, dass wir wohl niemals eine Renaissance dieser tollen Destillerie erleben werden und uns mit den wenigen Flaschen begnügen müssen, die wir irgendwo auf dem Secondary Market noch von Zeit zu Zeit vielleicht mal finden können. Von den beiden heute verkosteten Rhums hat mir die Abfüllung von The Secret Treasures besser gefallen als die von Bristol Spirits, da sie für mich noch ein wenig mehr dieses besondere und außergewöhnliche hat, das, was ich als "Wow"-Effekt beschrieben hatte. Einfach nur geil und ganz anders als alles was ich sonst kenne! Das ist ein Rhum, an dem rieche ich und es haut mich vollkommen um! Einzig der geringe Alkoholgehalt verhindert eine absolute Top-Bewertung. Zwar ist der Rhum nicht verwässert, da hatte ich ja Entwarnung gegeben, aber wenn der jetzt um die 50% vol. hätte, wäre er vermutlich ein absoluter Killer und über die 95 Punkte Marke geklettert! Der Bristol dagegen hat zwar ebenfalls enorme Qualität, aber nach diesem Rhum suchte ich, nachdem ich den Cadenhead und den The Secret Treasures schon kannte, eben auf Grund deren außergewöhnlicher Qualität. Hätte ich statt der beiden hingegen zuerst den Bristol entdeckt und probiert, wüsste ich nicht, ob ich dann auch davon ausgehend noch nach weiteren Gardels geschaut hätte. Ich denke, das sagt viel aus und definiert die Differenz zwischen beiden Rhums sehr exakt. Überlegen war der Bristol dem Secret Treasures einzig beim Alkoholgehalt.
Spannend war die Erfahrung der Verkostung dieser beiden Rhums für mich aber auch deshalb, weil ich mich vor den Gläsern nochmal wie ein blutiger Anfänger in der Welt des Rums fühlen durfte, mit all den Schwierigkeiten und Hürden, die es so mit sich bringt, wenn man einen Rum beschreiben möchte, das ganze aber kaum in Worte gefasst bekommt. Ich habe es trotzdem getan, auch um euch alle da draußen weiter zu motivieren, den Mut zu haben ebenfalls mit euren Verkostungsnotizen herauszurücken - sei es z.B. auf Facebook oder gar auf einem eigenen Blog. Ich weiß, da zieren sich viele noch, gerade dann, wenn einem keine 47 blumige Assoziationen zu einem Rum durch den Kopf schießen, aber die braucht es aus meiner Sicht auch nicht unbedingt und immer. Als wichtiger empfinde ich die Charakterisierung, und das geht, wie ihr seht, eigentlich fast immer. Daher: nur Mut!

In diesem Sinne: bis demnächst!
Flo

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Deine Vermutung ist nicht ganz korreckt,
ich habe hier einen Gardel 10yo Rhum von Alchemist mit 46% der im März 1998 gebrannt und 2008 abgefüllt wurde. Damals hat er um die 50e gekostet.

Flo hat gesagt…

Ja, es gibt einige Guadeloupe Rhums aus 1998 die als Gardel gelabelt sind. Meiner Erfahrung und meines Wissens nach sind das allerdings sämtlichst Rhums von Damoisseau/Bellevue.

Beste Grüße
Flo

Anonym hat gesagt…

Ok, davon weiss ich nichts.
Auf meiner Flasche steht halt mehrfach Gardel Distillery.

Viele Grüße
franky

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