Sonntag, 12. April 2020

Velier 100° Heavy Trinidad Rum 23 YO Caroni 1994

- Rehabilitierung eines Rums!


Liebe Rum Gemeinde,

ich wünsche euch zunächst einmal allen ein Frohes Osterfest am heutigen Oster-Sonntag! Passend dazu habe ich für euch heute auch eine Art Oster-Ei, denn beschäftige ich mich auf BAT zum ersten Mal mit einer Abfüllung zum zweiten Mal, also mit einem Rum, den ich hier schon einmal für euch besprochen hatte und nun eben noch einmal auf den Tisch bringe. Warum ich das mache? Weil es mir bereits seit langem ein großes Anliegen ist, den Velier 100° Heavy Trinidad Rum 23 YO Caroni 1994 quasi zu rehabilitieren, nachdem er bei seiner Erst-Besprechung -zu unrecht- nicht gut weg kam!


Angedeutet hatte ich dieses bereits auf Facebook in einer neuen, dort geschaffenen Gruppe, der German Rum Association, womit mir an dieser Stelle ein kurzer Hinweis in eigener Sache gestattet sei. Die German Rum Association hat es sich zur Aufgabe gemacht, authentischen, also ungesüßten und auch sonst unbehandelten Rum im deutschsprachigen Raum auf Facebook zu vertreten, da es eine solche Gruppe dort bisher nie gegeben hat. Sie stellt somit eine hervorragende Ergänzung zum bisherigen Angebot an Gruppen mit auf Rum basierenden Spirit Drinks dar (leider vermitteln diese damit aber den Eindruck, dass es sich bei jenen Spirituosen tatsächlich um Rum handeln würde) und sieht sich dementsprechend auch nicht als Konkurrenz bereits bestehender Gruppen. Viele der erfahrensten Rum Connaisseure Deutschlands, aber auch aus dem Ausland, tummeln sich bereits in der GRA und tauschen sich rege aus, ohne, dass ständig Liebhaber von Spirit Drinks (die Marken sind bekannt und werden hier an dieser Stelle nicht beworben) mit ihren immer gleichen Bildern dazwischenhauen. Wer meinen Blog regelmäßig verfolgt, aber auch wer gerade erst neu dabei ist, aber wissen möchte was Rum wirklich ist und keine Lust hat, sich da von der Industrie blenden zu lassen, dürfte in unserer Gruppe gut aufgehoben sein und ist Herzlich Willkommen!

Hier noch einmal der Link zur Gruppe: German Rum Association auf Facebook

Doch nun zurück zum heutigen Rum.


Rückblick:

Wir schreiben das Jahr 2017. In jenem Frühsommer, ziemlich genau drei Jahre ist das jetzt immerhin schon her, kamen eben dieser 23 Jahre alte Caroni aus 1994 und ein 21 Jahre alter Caroni aus 1996 im Doppelpack auf den Markt. Zu diesem Zeitpunkt ist es gerade einmal ein paar Monate her, dass es mit den Preisen für die Velier Caroni (vor allem der Kirsch Caroni schien diesen Status zementiert zu haben) endgültig und unwiderruflich in Richtung Mond ging und so waren, neben den vielen Caroni-Liebhabern, dementsprechend auch die Spekulanten auf den Plan gerufen. Und trotz dessen, dass sich bei dieser Abfüllung (und auch beim 21 YO) die Ausgabepreise erstmals an denen des Secondary Market orientierten (290,- Euro wurden aufgerufen), war die Abfüllung bei LMDW  innerhalb von nur wenigen Minuten vergriffen und viele gingen davon aus, dass damit auch der gesamte Stock bereits ausverkauft war. Eine kapitale Fehleinschätzung, wie sich herausstellen sollte, denn 3.200 Flaschen sind eben doch schon eine ganze Menge und der Rum tauchte in der Folge in ganz Europa in vielen Shops noch auf. Das, und aber auch die Tatsache, dass der Rum damals eher negative Kritiken erhielt, führte dazu, dass, aus Sicht der Spekulanten, statt schnellem Wertzuwachs für diese Abfüllung plötzlich der totale Kurs-Verlust stand, an dessen negativer Spitze der Marktwert des Rums sogar noch unter dessen Ausgabepreis rutschte und lange Zeit bei ca. 250,- Euro stagnierte. Diese Geschichte, das negative Image als Caroni mit dem man weder eine gute Investition gelandet, noch einen tollen Rum zum trinken bekommen zu haben schien, haftet dem gelben 23er bis heute an.




















Nun habe, wie schon erwähnt, auch ich den Rum damals nicht sonderlich gut bewertet. Mir war er seinerzeit zu holzig, zu bitter, zu extrem. Meine Verkostung im Sommer 2017 basierte allerdings auf einem Sample, das aus einer frisch geöffneten Flasche stammte. Als ich den Rum einige Monate später erneut probierte, stellte ich fest, dass der Luft-Kontakt hier einiges bewirkt und den Rum positiv verändert hat. Dieser Eindruck bestätigte sich schließlich auch bei späteren Verkostungen immer wieder, weshalb ich mich schließlich genötigt sah meine Eindrücke zu korrigieren, was ich dann auch in den Reviews zum 18 YO Hangar 1994 und zum 23 YO Orange 1994 getan habe. Gerade im Vergleich zum letzteren zeigte sich in verschiedenen Verkostungen, dass nahezu keine Unterschiede bei den Abfüllungen bestehen. Wer Orange liebt, wird auch Gelb lieben! Allerdings finden immer noch viele Leser, wenn sie nach dem Rum suchen, das alte Review und nehmen an, dieser Rum käme bei mir noch immer nicht sonderlich gut weg. Daher möchte ich den Rum heute in einem eigenen Artikel neu besprechen und ihm auf diese Weise die Ehre zuteil werden lassen, die er aus meiner Sicht verdient! 



.
Verkostung des Velier 100° Heavy Trinidad Rum 23 YO Caroni 1994:

Preis: für 290,- Euro bekam man im Sommer 2017 eine Flasche dieses Rums zum Ausgabepreis. Heute liegt er leicht über diesem Preis, bei ca. 350,- Euro. 

Alter: der Rum lag von 1994 bis 2017 im Fass, ist also 23 Jahre alt.

Lagerung: von 1994 bis 2008 reifte der Caroni bei der Destillerie auf Trinidad und ab 2008 bei DDL in Guyana. Somit zählt er zum sog. Guyana Stock und ist, wie alle Caroni von Velier, zu 100% tropisch gereift.

Fassnummern: unbekannt. Bekannt ist lediglich, dass 3.200 Flaschen abgefüllt wurden. Dementsprechend dürften ca. zehn bis fünfzehn Fässer in dieses Bottling geflossen sein.

Angel's Share: >85% gingen an die Engel.

Alkoholstärke: 100° Imperial Proof - der Rum kommt mit 57,18% vol. daher!

Destillationsverfahren: unklar.

Mark: HTR - Heavy Trinidad Rum

Farbe: dunkles Mahagoni.

Viskosität: der Rum bildet weite regelmäßige und parallelen Schlieren an der Glaswand. An dem für die Fotos verwendeten Glencairn ist das allerdings schwer einzufangen. Im Ballonglas sieht man es besser, aber es soll ja nicht immer nur das gleiche Glas zu sehen sein. ;-)

Nase: großes Kino! Eine wirklich außergewöhnlich schwere und stark gereifte Spirituose springt mich schon direkt aus dem Glas heraus an! Klar, da ist zunächst einmal auch etwas Alkohol, der sich aber rasch verflüchtigt und wirklich sehr gut eingebunden ist, und ich habe auch die für Caroni so typischen Klebstoff- und Lösungsmittelnoten zu beginn dabei, aber direkt dahinter rollen dann auch schon die Tannine mit ganz schwerem Geschütz an. Was mich vielleicht zu Beginn meiner Leidenschaft noch leicht überforderte und eher zu gefälligeren Caroni tendieren ließ, holt mich hier inzwischen total ab jetzt. Und obwohl die dreckigen Komponenten, die wir an Caroni alle so sehr lieben hier schon extrem in den Hintergrund gedrängt werden sind sie noch da und lassen den Rum, aus meiner Sicht, daher auch nicht überreift wirken. Selbst fruchtige Parts von Mangos und Papayas finde ich beim peripheren Nosing noch problemlos. Dazwischen aber natürlich immer wieder geballte Tannine, in einer Weise, wie ich da immer mehr total drauf abfahre. Dazu kommt das alles mit einer Intensität daher, die selbst für Caroni-Verhältnisse schon durchaus bemerkenswert ist. Richtig komplex, intensiv und kräftig strömt immer wieder das volle gereifte Caroni-Bouquet durch meine Nase. Ein Traum, für den ich hier leider nicht annähernd genug Worte finde, um ihn hinreichend zu beschreiben! Immer wieder findet die Nase kleine Eindrücke, die so zuvor nicht da gewesen zu sein schienen. Ein Rum, der es verdient, dass man sich viele Stunden mit ihm auseinander setzt. Und wenn man das tut und ihn wirklich lange und über Stunden stehen lässt, kommen auch noch fleischige Komponenten dazu, wobei mir das weniger gut gefällt. Aber es demonstriert sehr eindrucksvoll, wie sehr sich der Rum im Glas eben entwickelt. 

Gaumen: am Gaumen macht sich die geringfügige Verdünnung dieses Rums nahezu gar nicht bemerkbar. Zwar bilde ich mir ein, dass ein paar Tropfen Wasser zumindest minimal wahrnehmbar sind, aber in irgendeiner Weise relevant für das Trinkvergnügen ist das nicht. Da ist nichts verwässert, das passt alles. Der Alkohol ist gut ins Destillat eingebunden, wenn gleich man bei größeren Schlücken schon etwas aufpassen muss. Der erste Eindruck am Gaumen ist dann sehr typisch Caroni, wenn auch "in a darker way". Der Rum kommt erstmal sehr adstringierend und ist wirklich mundfüllend. Ich habe gleich diese schöne, intensive aber natürliche Süße, die ich vor allem den Caronis aus dem Guyana Stock zuschreibe und dazu dreckige als auch fruchtige Anklänge, die sich mit den Tanninen ausgezeichnet verstehen. Letztere sind dann auch direkt das Stichwort, denn sie bestimmen hier schon sehr wesentlich den Gesamteindruck. Aus meiner Sicht ist das nicht negativ, ich mag das bitter-herbe von Schokolade mit extrem hohem Kakao-Anteil, dass sie hier mit hineinbringen sehr gern, aber das muss man eben auch mögen, um mit diesem Rum konform gehen zu können. Daneben spielt auch Anis groß auf, wie so oft bei lange und intensiv gereiften Spirituosen und die Guyana Süße kommt immer noch sehr lange immer wieder durch, bis das ganze dann doch immer trockener und auch bitterer wird und dann noch stärker an eben jene Schokolade erinnnert. Großartig! Sicherlich nicht leicht zugänglich, aber großartig!

Abgang: der Abgang ist schon sehr dark, das kann man nicht anders sagen. Hier regieren die Tannine nach gut dünken und wenn überhaupt, dann zeigt der Rum an dieser Stelle vielleicht eine einzige kurze Schwäche, aber im Prinzip auch nur dann, wenn man auf diese extreme Reife ohnehin nicht so steht. Ansonsten ist das hier genau der Abgang, den man von diesem Rum erwarten konnte, durfte und musste, und den er verdient hat. Ewig langer Nachhall, trockener und bitterer werdend. Lindt 95% Schoki. Brilliant!

-------------------------------------------------------------------------------------------------

Fazit: ich muss mich in aller Form entschuldigen! Was diesen Rum betrifft, so war mein erster Eindruck damals eine Fehleinschätzung, wie sie mir nicht häufig passiert. Mir fällt so spontan auf jeden Fall kein anderer Rum ein, bei dem sich meine Meinung so fundamental geändert hat. Allerdings fällt mir auf Anhieb auch kein anderer Rum ein, der sich in der geöffneten Flasche über Monate so positiv verändert hat. Das ist schon höchst bemerkenswert! Ebenso beachtlich ist es aus meiner Sicht aber auch, wie wenig diesem Rum tatsächlich noch immer die Beachtung und Wertschätzung entgegen gebracht wird, die er verdient. Dieses war die letzte große (bezahlbare und verfügbare) Abfüllung aus dem fantastischen Vintage 1994 und sie ist sensationell gut! Klar, ich habe mich damals in meiner Einschätzung getäuscht, aber hat denn da außer mir sonst niemand zwischendurch nochmal probiert und gemerkt, was da los ist? Okay, gut, die Abfüllung liegt mit ca. 350,- Euro inzwischen immerhin zumindest wieder etwas über dem damaligen Ausgabepreis, aber wenn man sich mal andere Caroni dieser Qualitätsstufe ansieht und dazu die Randdaten hier nimmt, dann muss man eigentlich zu dem Schluss kommen, dass die Flasche eher noch ein paar hundert Euro darüber liegen müsste. Das sie das nicht tut und das wohl auch in absehbarer Zeit nicht passieren wird ist ein großer Glücksfall für die Connaisseure und damit jene Menschen, die den Rum auch trinken möchten. Dieser Caroni ist im Hinblick auf das PLV für mich derjenige, den es aktuell im Grunde zu kaufen gilt. Nirgendwo bekommt man mehr und besseren Caroni für sein Geld ohne sich gleichzeitig sorgen zu müssen, dass wenn man die Flasche öffnet, gleich ein halbes Vermögen dabei flöten geht. Unbeschwerter Genuss, abseits jeder Spekulation: bei diesem Rum geht das noch!

-96/100-

Bis demnächst und noch ein Frohes Osterfest weiterhin,
Flo


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen