Sonntag, 28. Mai 2017

Savanna HERR 10 ans Grand Arôme Millésime 2006

Liebe Rum Gemeinde,

nach dem 18 YO Guadeloupe von The Rum Cask findet heute ein weiterer Rum aus den französischen Überseegebieten den Weg auf Barrel Aged Thoughts: der Savanna HERR 10 ans Grand Arôme Millésime 2006 von der Insel La Réunion im Indischen Ozean. HERR? Das steht für High Ester Rum Reunion! 

Bild: Sani28 by Rum Club
Die Insel La Réunion liegt auf der Südhalbkugel im Indischen Ozean ca. 700 km östlich von Madagaskar und ca. 200 km südwestlich von Mauritius. Damit liegt die Insel von den anderen typischen R(h)um Herkunftsorten und -ländern in der Karibik so weit weg wie kaum eine andere.
La Réunion ist, wie auch Martinique und Guadeloupe, französisches Übersee-Departement und der Rhum von dort ist also auch aus der EU. Der Hauptort der Insel ist das im Norden gelegene Saint-Denis. La Réunion ist mit 2512 km² Fläche ca. so groß wie das Saarland, hat mit 835.000 Einwohnern allerdings deutlich weniger als dieses (995.000 ca.). Dennoch ist die Insel wiederum deutlich größer als Martinique und Guadeloupe. Somit wird deutlich, über welch kleine Regionen wir hier teilweise sprechen, die in der Rumproduktion aber ganz groß sind. In ihrer Geschichte änderte sich der Name der Insel mehrfach. Bis 1794 hieße die Insel Île Bourbon, dann, in Napoleonischer Zeit, Île Bonaparte, danach bis 1848 nochmals Île Bourbon und schließlich La Réunion. Klimatisch ist La Réunion als tropisch und sommerfeucht zu bezeichnen, was sich auf die Lagerung der Rums auswirkt. Weltrekorde stellt die kleine Insel in seinen Niederschlägen auf. Während der durchschnittliche Jahresniederschlag auf La Réunion 1632 mm pro m² beträgt (nirgends ist die Rate höher!), fallen in Deutschland gerade einmal 700 mm pro Jahr und m² vom Himmel.
Bild: Sani28
Die Destillerie Savanna liegt, wie der Hauptort Saint-Denis, im Norden der Insel in Saint-André. Sie wurde lt. ihres Eintrags bei Wikipedia in den Jahren 1948 bis 1950 in St. Paul von Émile Hugot konzipiert und zog im Jahr 1992 nach Saint-André um. Produziert werden unter anderem Rhums aus Melasse, sowie Zuckerrohrsaft in verschiedenen Reifegraden und Stilen. Laut dieses lesenswerten Artikels beginnt die Geschichte Savannas allerdings schon um 1870. Wer einmal das Vergnügen haben sollte die Insel zu Besuchen, der kann sich auch die Destillerie ansehen. Führungen werden angeboten.
Die heute besprochene Abfüllung, der Savanna HERR Grand Arôme, wurde am 11. Mai 2006 in der Destillerie Savanna destilliert und lagerte danach 10 Jahre dort auf La Réunion im Cognacfass #502, bis er im Mai 2016 als Originalabfüllung in Fassstärke abgefüllt wurde, rechtzeitig zum 60. Geburtstag von La Maison du Whisky, einem französischen Spirituosen-Fachgeschäft. Sein Alkoholgehalt beträgt 63,8% vol.. Dieser Grand Arôme Rhum wurde aus Melasse destilliert, nicht aus frischem Zuckerrohrsaft, wie die "einfachen" Savanna, sowie die Créol. Verkauft wird der Rhum exklusiv bei LMDW in 50 cl Flaschen. Sein Preis dort beträgt 118 Euro. Es wurden insgesamt 686 Flaschen abgefüllt. Somit müsste Savanna 343 Liter aus nur einem einzigen Fass geholt haben. Bedenkt man dann noch den Angel's Share bei tropischer Lagerung, so ist das mit herkömmlichen Fässern eigentlich kaum zu bewerkstelligen, aber das sind hier zumindest die offiziellen Angaben.

Nun muss ich gleich vor Beginn des Tastings allerdings zunächst einmal gestehen: ich hatte in meinem Leben bisher noch nie einen Rum aus der Savanna Destillerie im Glas und auch nur wenige Male überhaupt Rhum aus La Réunion, hier sämtlichst von Reviere du Mat. Ich kann über den heute verkosteten Rhum daher weder wirklich sagen ob er typisch für La Réunion ist, noch kann ich ihn in irgendeiner Weise in die Ahnenreihe von Savanna einordnen. Das muss ganz klar beim Lesen des Reviews beachtet werden und gerade Fans von Rhum Agricole könnten daher häufig mit dem Kopf schütteln. Warum ich den Rhum dann, trotz offensichtlicher Ahnungslosigkeit, hier bespreche? Ich verkoste den Tropfen nicht als Fan von Savanna oder Rhum Agricole, sondern interessiere mich für den Rhum als Liebhaber von stark esterhaltigen Jamaica Rums und eben auch nur deshalb, weil der HERR nun einmal sehr esterreich ist. Inwieweit diese Rums dann wiederum überhaupt miteinander verglichen werden können wird sich natürlich noch herausstellen, aber letzten Endes werdet ihr als Leser einzig wissen, wie ich den Rum in mein persönliches bisheriges Portfolio einordne, nicht, wie der Rhum sich im Vergleich zu seinen eigentlichen Brüdern, nämlich den anderen Rhums von Savanna, darstellt. Ab diesem Moment kann also zumindest niemand mehr behaupten, er hätte nicht gewusst, worauf der sich beim Lesen dieses Artikels eingelassen hat ;)



Verkostung Savanna HERR 10 YO La Réunion Grand Arôme 2006:


Preis: für 118 Euro kann man 0,5 Liter dieses Rums bei LMDW kaufen. 

Alter: der Rhum ist 10 Jahre alt und reifte zwischen 2006 und 2016.

Lagerung: gelagert wurde der Rhum in einem Ex-Cognacfass auf La Réunion.

Fassnummer: #502.

Angel's Share: unbekannt.

Alkoholstärke: 63,8% vol.

Destillationsverfahren: unbekannt, vermutlich Pot Still Verfahren.

Mark: HERR.

Farbe: satt goldener Bernstein. 

Viskosität: der Rhum bildet satte, fette und eher enge Schlieren, die recht zügig die Glaswand herunterlaufen. 

Nase: Wuuuuuhuuuhuuhuuuu... DAS (!) sind mal echt fette Ester! Wahnsinn! So etwas habe ich, auch wenn ich mir nie vorstellen konnte, dass das möglich ist, selbst auf Jamaica noch nie gesehen! Wie auch bei Hampden üblich war schon beim Einschenken richtig Alarm und jetzt, nach einer Stunde im abgedeckten Glas, brennt der Rum ein echtes Feuerwerk ab! Diese Nase ist zunächst einmal vollkommen unzugänglich. Ein Konglomerat aus krassen Estern, fiesen Klebstoffnoten, Arzneimitteln, vergorener Erdbeere und alkoholischen Dämpfen scheint deutlich sagen zu wollen: Unbefugten ist der Zutritt bei Androhung des Todes nicht gestattet! Anders als bei Hampden ist der Säuregehalt hier nicht so hoch. Das fällt direkt auf. Mannomann! Das ist so ziemlich das heftigste Bouquet, das ich je in einem Glas vorgefunden habe! Ein Rhum, der Urinstinkte aktiviert. Und dieser sagt gerade: "Weglaufen, nicht trinken, is' giftig!".

Nach ca. 1,5 Stunden bricht der Rhum langsam auf und man kann seine Nase auch mal ein wenig näher ans Glas führen. Jetzt steht Kaugummi im Vordergrund in der Geschmacksrichtung "Vergorene Erdbeere". Dazu kommen weiter Uhu-Klebstoff, Hustensaft und die Einflüsse des Ex-Cognac Fasses. Das ist so eine typische Note die man kennt, wenn man schon viele Plantation Rums im Glas gehabt hat. Doch während sie bei Plantation sehr ausgeprägt und durch die Zugabe von Zucker oft sehr überzeichnet ist, findet man sie hier sehr viel dezenter bzw. natürlicher und sehr schön eingebunden wieder. Sie verleiht dem Rum eine schöne Süße, die herrlich zum Kaugummi passt. Ganz hinten habe ich dann Noten, die an Jamaica erinnern. 

Gaumen: auch hier erstmal: voll in die Fre**e rein!! Das erste was ich wahrnehme ist eine sehr auffällige Süße gleich zu Beginn, die habe ich schon im Mund, da habe ich das Glas kaum angesetzt. Danach brennt der Alkohol kurz, aber nicht wirklich lange oder allzu unangenehm. Der Rhum ist für seinen Alkoholgehalt erstaunlich dünn in seiner Konsistenz, dabei aber zu 110% mundfüllend! Es kommt einem aus der Nase und aus den Ohren wieder raus. Die Zunge wird komplett überrannt. Für einen Moment denke ich, dass ich mich mal besser auf meine Urinstinkte verlassen hätte, die sich bereits in der Nase gemeldet haben, aber dafür ist es nun schon zu spät. 
Jetzt kommt die Hubba Hubba Kaugumminote noch viel, viel krasser durch als in der Nase schon. Der HERR ist ein Rhum, der ewig lange am Gaumen verbleiben möchte. Hier rennt er einen wahren Marathon ab. Es kommen immer wieder neue Facetten durch, der Rhum endet nicht. Zwischendrin habe ich hinten heraus immer mal wieder Eisbonbons. Ihr wisst schon, diese mit dem Eisbären drauf. Wer diesen HERRn zu früh herunterschluckt, der verpasst einiges! Denn wenn sich das erste Feuerwerk nach einigen Minuten gelegt hat, kommen erstmals auch herbere Noten durch. Das ist das Startsignal für die Einflüsse des Cognacfasses und der zehnjährigen Reifung. Der Rhum hat am Gaumen inzwischen eine cremige Konsistenz angenommen und verliert mehr und mehr an Kaugummi. Jetzt kommt eine Note durch, die ich nicht wirklich einordnen kann. Bei einem Jamaicaner ist das häufig die Brennerei-typische Note, weswegen das hier natürlich auch gut der typische Charakter von Grande Arome Savanna sein könnte, aber überprüfen kann ich das an dieser Stelle leider nicht. 

Abgang: Im Abgang kommen die Kaugummi-Noten nochmal wieder und vermischen sich mit Fasseinflüssen und Holznoten von frisch abgeschnittenen Ästen. Ewig lange verweilt der HERR noch im Mund und meldet sich immer mal wieder mit frisch abgeschnittenen Ästen zurück. Auch noch nach Stunden ist er präsent.

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Fazit: außergewöhnlich! In jeder Hinsicht außergewöhnlich! Das trifft es wohl am ehesten, wenn man die Eindrücke wertend aber maximal objektiv zusammenfassen möchte, die da in den letzten Stunden auf mich eingeprasselt sind. Wahnsinn! Dieser Rhum lässt sich mit nichts vergleichen, was ich bis dato je im Glas hatte. Ein Rhum, der sicherlich spaltet! Der Kundenkreis, der auf solche extremen Aromen abfährt dürfte sehr eingeschränkt sein und selbst die Esterbomben aus Jamaica sind dagegen fast massentauglich. Tja... Vergleiche. Man ist ja irgendwie immer geneigt, bewusst oder unbewusst, solche zu suchen, da unser Gehirn nun einmal in Vergleichen arbeitet, aber da ist einfach nichts. Daher ist es auch nur logisch, dass ich vielfach von Menschen gehört habe, dass sie mit diesem Rhum, bevor sie ihn genial fanden, überfordert waren. Selbst der 26 jährige The Rum Cask Hampden 1990 hat nicht diese Dichte an Estern, ist nicht wirklich ein Vergleich. Vielleicht könnte man den DOK von Hampden heranziehen, wenn gleich hier bisher noch keinerlei verkäufliche Abfüllungen existieren. Bei meinen Recherchen zu dieser Abfüllung hatte ich da aber einige vergleichende Zeilen gelesen.
Ja, da hat mich die Savanna Destillerie ganz schön überrascht. Rhum Agricole ist ja, gleich ob aus Melasse oder Zuckerrohrsaft, eigentlich so gar nicht meins, aber dieser hier hat mich total geflasht! Erkenntnis für mich: High Ester Rum? Das geht nicht nur auf britisch geprägten Inseln, bzw. in Regionen oder Ländern wie Jamaica, Fiji und Barbados, sondern auch in einem französischen Übersee-Departement. Das kommt zwar, wie schon mehrfach erwähnt, überraschend für mich, ist aber ebenso erfreulich!
Ein paar Worte in Richtung des Preises: der ist zwar mit seinen 236 Euro/Liter happig, für einen zehn jährigen Rum insbesondere, aber ob der Besonderheit der Abfüllung gerade so noch zu vertreten. Ich fand den Rhum wirklich extrem, aber sensationell gut!

Ein riesengroßes Dankeschön geht heute an Sani28 aus dem Rum Club! Er ließ mir sowohl ein Sample, als auch Bilder der Flasche dieses tollen und außergewöhnlichen Rums zukommen. Vielen Dank dafür!

Bis morgen,
Flo

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